Leben in Bayern

In Flüchtlingsheimen leben auch viele Menschen aus muslimischen Ländern. Für sie werden trotzdem Weihnachtsfeiern organisiert, zum Beispiel in München. (Foto: dpa/Sebastian Kahnert)

20.12.2024

Muslime vor dem Tannenbaum

Auch wenn viele Flüchtlinge wenig mit christlichen Festen anfangen können, wird in den Unterkünften religionsübergreifend gefeiert – mit Christbaum, Lametta und Geschenken

Das Flüchtlingsheim an der Willy-Brandt-Allee Nummer 8 in der Messestadt Riem in München passt sich architektonisch an die bebaute Umgebung an. Zwischen all den Neubauten aus Beton und Glas fällt der mehrstöckige Containerbau nicht weiter auf. Die Unterkunft für Geflüchtete besteht seit 2015 und der Bezirksausschuss Trudering-Riem drängt immer wieder auf einen festen Bau – was sich aber zieht. Umgeben ist die Unterkunft von einem Drahtzaun, und wer rein will, muss erst mal an der dreiköpfigen Security vorbei, die die Personalien aufnimmt. Es ist ein Donnerstagnachmittag und wie im Dezember so üblich, geht das Tageslicht zu dieser Stunde bereits in die Dämmerung über. Wer aber an diesem Tag den Raum im ersten Stock des Containerbaus aufsucht, den erwartet helles Licht und fröhliche Stimmung.

Denn hier im sogenannten Frauenraum der Unterkunft findet gerade die Weihnachtsfeier für die Bewohner*innen statt. In einer Ecke steht ein kleines, grünes Tannenbäumchen, geschmückt mit bunten Christbaumkugeln und Zimtsternen. Daneben wurde eine Wand mit Lametta verschönert und man hat rote, hellblaue und durchsichtige Luftballons drapiert. Auf den Tischen entlang der Fenster stehen Papierteller mit Mandarinen und Gebäck, daneben schenken Mitarbeitende der Diakonie, von der die Menschen in der Unterkunft betreut werden, Kinderpunsch in Pappbecher aus. Und inzwischen haben sich auch etliche Bewohnende zur Weihnachtsfeier eingefunden und es werden auch immer mehr Kinder.

Muslimische Familie wohnt seit acht Jahren hier

Davon gibt es in der Unterkunft immerhin 123, wie Naser Abdelghani, Regionalleiter des Sozialdienstes für Flüchtlinge, weiß. Insgesamt leben hier an der Willy-Brandt-Allee 50 Familien, insgesamt 350 Menschen. Und sie kommen aus 26 Ländern, zum Beispiel aus Syrien, Afghanistan, Uganda, Nigeria oder Somalia.

So wie Hoodo Decg. Die 30-Jährige ist 2017 aus Somalia gekommen, seitdem lebt sie mit Mann und drei Kindern hier in der Unterkunft. Sie ist Muslimin, sagt aber: „Ich habe keine Probleme mitzufeiern“, und meint damit die Weihnachtsfeier. Wie andere Bewohner*innen auch lebt sie jetzt seit acht Jahren hier in der Unterkunft. Denn, auch wenn man als Asylbewerber anerkannt ist, die angespannte Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt macht es sehr schwer, eine eigene Wohnung zu finden.

Und jetzt gibt es auch ein paar Weihnachtslieder – mit der Gitarre. Im Kreis sitzen fünf Jugendliche auf ihren Stühlen, die Instrumente in der Hand. Ein Betreuer stimmt einige fröhliche Lieder an und es scheint, als würden dadurch auch immer mehr Kinder angelockt, der Raum füllt sich zusehends.

Es gibt hier auch Familien, zum Beispiel aus Nigeria, mit einem christlichen Hintergrund, sie besuchen auch die Kirche. Die muslimischen Familien freilich haben mit dem Weihnachtsfest als religiösem Fest wenig zu tun. So hat die Feier hier mehr Partycharakter. Die fünf Mädchen haben jetzt ihre Lieder gespielt. Jetzt, zum Zeitpunkt der Party, ist es noch mehr als eine Woche bis zum 24. Dezember, dem Heiligen Abend, hin. Dann wird aber in der Unterkunft selbst nichts passieren, die Betreuer vom Sozialdienst haben frei, die Familien bleiben unter sich, kochen das Essen in den Gemeinschaftsküchen.

Jedes Geschenk mit Identifikationsnummer

Aber gibt es für die Kinder, etwa von Hoodo Decg, Geschenke zu Weihnachten? „Nein“, sagt die Somalierin, man feiere das Fest ja nicht. Aber Geschenke gibt es doch! Regionalleiter Naser Abdelghani steigt die Treppe hinab in das Erdgeschoss des Containerbaus und öffnet die Tür zum Raum 1.28. Und dahinter befinden sich jede Menge Geschenke, 126, um genau zu sein. Jedes ist mit einer Identifikationsnummer und einem Namen versehen. „Abdula“ steht da, oder „Ylmaz“.

Die Geschenke enthalten die Spielsachen, die die Kinder sich gewünscht haben: Kuscheltiere, Puppen, Bälle, kleine Fußballtore. Dass diese Kinderwünsche wahr werden, dafür sorgt eine Art Weihnachtspatenschaft von Firmen – in diesem Fall das Unternehmen MAN. Dessen Beschäftigte haben die Geschenke sogar eingepackt.

Organisiert wird das Ganze von dem 2012 gegründeten Verein Charity Meets Challenge e.V. Der hat sich das Ziel gesetzt, „durch das Ausrichten von Veranstaltungen oder das Organisieren gezielter Aktionen Sachspenden und Gelder zur Förderung von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen in München und Umgebung zu generieren“.

Im Mittelpunkt steht dabei „die Rolle des ‚Verknüpfens‘ von Unternehmens- und sozialer Welt“. Dazu gehört auch der jährliche „Geschenke-Regen“, mit dem rund 2000 sozial benachteiligte Kinder an Weihnachten beschenkt werden.

Eine sehr frühe Bescherung

Das Ganze funktioniert so: Jedem teilnehmenden Unternehmen wird vom Verein eine Einrichtung – wie zum Beispiel die Flüchtlingsunterkunft – zugeteilt, die sich um sozial benachteiligte Kinder in München kümmert. Die Kinder schreiben dann ihre Wünsche (im Wert von 15 bis 25 Euro) auf einen Zettel und ihre Namen auf ein Kuvert. Dieses Kuvert wird im teilnehmenden Unternehmen am Weihnachtsbaum aufgehängt und von Mitarbeiter*innen abgeholt, die sich um die Erfüllung der Wünsche kümmern.

Die Tür zum „Geschenke-Raum“ in der Unterkunft an der Willy-Brandt-Allee wurde übrigens am Tag nach der Weihnachtsfeier für die Kinder geöffnet, die Bescherung gab es also etwas früher als am Heiligen Abend. (Rudolf Stumberger)
 

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