Leben in Bayern

Ein Loch im Jackenärmel: Kein Problem für Manu Ibrahim – solche Kleinigkeiten erledigt er sofort. (Foto: Pat Christ)

01.03.2019

Neuanfang für Schneider Ibrahim

In Würzburg angekommen, zog der Syrer Manu Ibrahim mit seiner Nähmaschine von Flüchtlingslager zu Flüchtlingslager – heute hat er sein eigenes Geschäft

Geflüchtete, die sich in Deutschland selbstständig machen wollen, haben es oft nicht leicht. Manu Ibrahim aber hat es geschafft: Er hat in Würzburg eine Schneiderei aufgemacht. Und die brummt. Denn der Syrer hat viel Erfahrung – in seiner Heimat fertigte er vor allem Bekleidung nach Maß an. Aber auch die Kunden, die bei ihm nur etwas ändern oder ausbessern lassen wollen, empfehlen ihn weiter.

Wird er sich, seine Frau und die beiden Kinder mit einer eigenen Schneiderei durchbringen können? „Ich hatte schon ein bisschen Angst, als ich mein Geschäft eröffnete“, gibt Manu Ibrahim zu. Seit vergangenem Jahr nimmt er in der Karmelitenstraße 13 in Würzburg Näharbeiten aller Art an. Die anfänglichen Bedenken waren unbegründet: Das Geschäft läuft sehr gut, über Arbeitsmangel kann sich der 31-jährige Syrer nicht beklagen. Im Gegenteil. Manchmal ist es fast einen Tick zu viel.

Als Manu Ibrahim 2015 nach Würzburg kam, konnte er kein Deutsch. Mühsam begann er, sich die neue Sprache anzueignen. Heute ist er imstande, sich gut mit seinen Kunden zu verständigen. Zwar spricht er noch immer nicht perfekt. Aber viel wichtiger als die Sprache ist für die Kunden ja auch das, was Ibrahim mit seinen Händen schafft. Und das wird geschätzt.

Hat 15 Jahre Erfahrung in der Schneiderkunst

Egal, worum es sich handelt. Es gibt so gut wie nichts, was der Syrer, der mit seiner Familie im Stadtbezirk Heuchelhof lebt, nicht tun könnte oder was er als Auftrag nicht annehmen würde. 15 Jahre Erfahrung machen Ibrahim zu einem Meister in der Schneiderkunst. „Er fertigt oft komplizierte, diffizile Sachen an“, sagt Doris Strauch aus Höchberg, die Ibrahim ehrenamtlich unterstützt. Der an Ostern vergangenen Jahres zum Christentum konvertierte Syrer fertigt beispielsweise Bekleidung nach Maß für Rollstuhlfahrer an. Gerade Menschen mit Spastiken benötigen spezielle Mode. Auch überzieht Ibrahim Spezialsitze für Menschen mit Handicap. Daneben macht er aber auch ganz einfache Sachen: Er näht abgerissene Knöpfe an oder tauscht verschlissene Reißverschlüsse aus.

Und so hat Manu Ibrahim viel zu tun. Am Vortag fing er bereits um 7 Uhr am Morgen an und arbeitete den ganzen Nachmittag hindurch. Erst gegen 21 Uhr am Abend konnte Ibrahim die Türe seines Geschäfts hinter sich schließen. Eine Firma wollte mehr als 400 T-Shirts geändert haben. Doch zum Glück ist nicht jeder Tag so stressig. An diesem Tag ist es relativ ruhig. Wobei ständig jemand die Schneiderei betritt.

Soeben schaut Willi Funk herein. Der pensionierte Volksschullehrer aus Werneck kommt von seiner Würzburger Optikerin. Während er dort auf seine Brille wartete, fiel ihm ein Loch am Jackenärmel auf. Die Optikerin verwies ihn sogleich an Manu Ibrahim – der sich gleich um die Sache kümmert. Dass es so etwas gibt, müsse unbedingt in die Öffentlichkeit, meint Funk, der von Ibrahims promptem Service begeistert ist: „Es stehen viel zu viele negative Sachen über Flüchtlinge in der Presse.“ Kaum fünf Minuten braucht Ibrahim, und das Loch in der Jacke ist verschwunden. Man muss schon sehr genau hinschauen, um zu sehen, wo es gewesen ist.

Es ist diese Perfektion, die Ibrahims Kunden schätzen. Vor allem aber spürt man, dass der aus Afrin im Gouvernement Aleppo stammende Syrer seinen Beruf über alles liebt. „Ich habe als Jugendlicher einiges ausprobiert, aber nichts hat mir sonst gefallen“, erzählt Ibrahim. So habe er für kurze Zeit als Mechaniker und Elektriker gearbeitet. Schließlich erlernte er den Beruf des Modellschneiders. Früher in Syrien, so Ibrahim, hatten sich viele Menschen Bekleidung nach Maß anfertigen lassen: „Arbeitskraft und Stoffe waren bei uns günstig.“ Das sei in Deutschland ganz anders: „Ich mache vielleicht zu 20 Prozent Maßanfertigung, alles andere ist Änderungsschneiderei.“

Kleinigkeiten macht er noch heute umsonst

Nicht nur die Qualität seiner Arbeit lässt den Kundenstamm des Syrers rasch wachsen, sagt seine Unterstützerin Doris Strauch: „Manu hat einfach eine ganz besondere Art.“ Schon früher, als er mit seiner Nähmaschine in Stadt und Kreis Würzburg von Flüchtlingslager zu Flüchtlingslager zog, sei den Ehrenamtlichen die große Hilfsbereitschaft von Ibrahim aufgefallen. Wenn etwas für andere zu nähen war, tat er es einfach. Bis heute macht Ibrahim Kleinigkeiten umsonst. Auch für Willi Funks Jackenärmelreparatur will Ibrahim nichts haben. Was für den Wernecker aber nicht infrage kommt: „Ich möchte Ihnen auf jeden Fall etwas geben.“

Auch die Lage des Ladens ist ideal: Die „Schneiderei Manu“ befindet sich, umgeben von Geschäften und Büros, gegenüber dem Rathaus. Soeben kommt ein Kunde, der nebenan arbeitet. Für ihn sei es super, in direkter Nachbarschaft eine Schneiderei zu haben, sagt er. Er bringt zwei Hosen, die gesäubert werden müssen. Auch das macht Ibrahim: Er ist Annahmestelle für eine Textilreinigung. An einer Hose ist der Kantensaum unten nicht mehr okay. Ibrahim prompt: „Kein Problem, das mache ich so.“ (Pat Christ)

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