Mit dem Bernsteinzimmer ist es wie mit dem Ungeheuer von Loch Ness. Irgendwo will es immer einer gefunden haben. In diesen Tagen ist es wieder mal soweit. Ein pensionierter Wirtschaftsdetektiv vermutet den russischen Schatz in einer ehemaligen Wallenstein-Burg in Tschechien. Und dabei lässt er sich auch nicht von hochrangigen Zweiflern beirren.
Es wäre so einfach. Mauer einreißen. Reingehen und rausholen. Denn dass SS-Männer das Original-Bernsteinzimmer aus dem Katharinenpalast bei Sankt Petersburg am Ende des zweiten Weltkrieges auf Schloss Frydlant versteckt haben, dessen sind sich Erich Stenz und Georg Mederer sicher. Aber ganz so einfach ist die Sache natürlich nicht.
Bei den tschechischen Behörden stößt die Schatzsuche der beiden Oberpfälzer nämlich auf wenig Gegenliebe. Von unprofessionellem Vorgehen und komplettem „Unsinn“ soll Jana Pavlíková,

Kunsthistorikerin und Kastellanin auf Schloss Frydlant, schon gesprochen haben. Und auch Milo(s) Kadlec, Leiter der Denkmalverwaltung, reagiert auf die Schatzsucher aus Bayern gereizt. „Es wäre nicht das erste Mal, dass eine ganz heiße Spur nach Nordböhmen führen würde“, sagte er der Prager Zeitung.
Doch Stenz und Mederer lassen sich nicht beirren. Es gibt nämlich eine Zeitzeugin – eine Köchin, die das in Kisten verpackte Bernsteinzimmer auf Schloss Frydlant gesehen haben will. Vierzehn Tage lang will sie beobachtet haben, wie SS-Männer Kisten in den Schlosskeller brachten und dort einmauerten. „Die Kisten, die wohl diese Köchin gesehen hat, wurden irgendwann kurz vor Kriegsende ins Schloss gebracht“, sagt Kadlec. „Aber darin waren Bücher aus Berliner Bibliotheken, die noch im Jahr 1945 wieder nach Berlin zurückgeschickt wurden.“
„In Berlin weiß man davon nichts“, kontert Stenz. Und auch die Zeitzeugin hält der ehemalige BND-Mann für glaubwürdig. „Meine Mutter hat einen Eid auf Hitler geschworen“, hatte dem 70-Jährigen deren Tochter anvertraut. „Ich glaube, sie nimmt ein ungeheures Geheimnis mit ins Grab.“ Außerdem will Stenz ein Notenblatt dekodiert haben. „Darin gibt es sogar Warnungen, wo Grabungen gefährlich werden könnten.“ Ein richtiger Krimi also?
50.000 Euro hat die Suche Stenz bereits gekostet
Erich Stenz wirkt etwas müde an diesem Morgen in Neumarkt. Seit Tagen reist der pensionierte Wirtschaftsdetektiv mit seinem Freund, den 64-jährige Unternehmer Georg Mederer durch die Republik – von einem Termin zum nächsten, auch zu Dreharbeiten nach Tschechien und zu Gesprächen mit Zeitzeugen wie Luise Bergmann nach Altötting. Sie berichtet von einer Art „Sondierung der Nazis auf dem Schloss“. „Als Kinder mussten wir Kisten mit Büchern und Kunstgegenständen aus dem Berliner Stadtschloss in die Burg tragen. Dafür war sogar die Schule ausgefallen“, erklärt die alte Dame der
BSZ. Als sie von Stenz hörte, habe auch sie sofort an das Bernsteinzimmer gedacht.
Die Presse-Tour der beiden Oberpfälzer hat strategische Ursachen. Sie wollen damit den Druck auf die Schlossherrin und die tschechischen Behörden erhöhen. Allen voran auf die Tschechische Denkmalbehörde NPU. Die NPU, so glaubt Stenz, „mauert, weil sie etwas zu verbergen hat“. Das wäre

doch ein Skandal, wenn herauskäme, dass die Behörden von dem unglaublichen Schatz im Keller seit Langem wissen. „Immerhin gehört das Bernsteinzimmer ja den Russen“, ergänzt er. Oder noch schlimmer: Die Kommunisten könnten auch all die Möbel, Leuchter, Lüster, Kristalle und Mosaike aus dem Bernsteinzimmer längst unter sich aufgeteilt haben, vermutet Stenz.
Beweise dafür hat er allerdings nicht. Auch keine dafür, dass auf Schloss Frydlant überhaupt etwas verborgen ist. „Aber alles passt einfach zusammen“, betont Stenz. Die Aussage der inzwischen verstorbenen Köchin. Das Notenblatt, das ein holländischer Journalist und Schatzsucher ins Internet stellte und dessen Geheimcode er mittlerweile entschlüsselt haben will. Schon im Namen des Komponisten Gottfried Federlein liest Stenz einen Hinweis auf den Fundort heraus. „Nur derjenige, der den Ort Friedland und das Schloss kennt, kann mit der Mischung aus Noten, Text und Runenzeichen etwas anfangen“, sagt er.
Die Spurensuche ist übrigens das Metier von Stenz. Bis vor einigen Jahren führte er eine Wirtschaftsdetektei. „Mein Bauchgefühl hat mich immer zum richtigen Ziel geführt“, sagt er. Und das sage ihm auch jetzt: „Das Bernsteinzimmer liegt auf Schloss Frydlant.“
„Ich werde nie müde werden, das Geheimnis zu lüften“
An die 20 Mal waren Stenz und Mederer in den vergangenen acht Jahren in Tschechien und haben vor Ort Forschungen durchgeführt – gemeinsam mit Spezialisten für „zerstörungsfreie Prüfung im Bauwesen“ wie Andreas Hasenstab. Das kostet allerdings eine Menge Geld. Rund 50 000 Euro haben die beiden Schatzjäger inzwischen investiert. Alleine Hasenstabs Radar-Untersuchung der Kellerwände hat 3000 Euro gekostet.
Der Bauingenieur aus Augsburg bestätigte im März 2015 Veränderung im Mauerwerk und die dahinter versteckt liegenden Räume. Die Kastellanin leugnete zunächst die Räume. Konfrontiert mit der Analyse, lenkte sich schließlich doch ein. „Warum lügt sie“, fragt sich Stenz. Und Hasenstab meint: „Als es anfing, interessant zu werden, haben sie weitere Untersuchungen verweigert.“ Dabei gab es nach anfänglichem Hin und Her sogar einen Vertrag mit den Tschechen. Er endete mit der Radaranalyse. „Wir wollten immer eine Kooperation“, sagt Stenz.
„Jetzt wollen sie für jeden Raum einen Antrag von uns. Erst dann soll entschieden werden, ob wir dort Untersuchungen durchführen dürfen.“ Stenz würde gerne ohne solche Hindernisse einfach rein und Licht ins Dunkel um das Bernsteinzimmer bringen. Solche Reaktionen wertet er als klares Indiz: „Da stimmt etwas nicht, sonst würden sie nicht so reagieren.“ Stenz fordert: Jetzt seien die Politiker gefragt.
Er selbst jedenfalls wird nicht aufgeben, bis seine Theorie vom Bernsteinzimmer auf Schloss Frydlant bewiesen ist. „Das ist zwar alles recht anstrengend zurzeit“, sagt Stenz. „Aber glauben Sie mir, müde, dieses Geheimnis zu lüften, bin ich noch lange nicht.“ (
Flora Jädicke)
Fotos (Stenz/BSZ):
Freunde und Schatzsucher: Georg Mederer und Erich Stenz.
Schloss Frydlant: Stenz hat bereits das Mauerwerk untersuchen lassen.
Kommentare (2)