Es pfeift, zirpt, quakt und raschelt. Ganz in der Nähe brüllt ein Löwe. Und von irgendwoher tönt das heisere Kläffen der Mähnenwölfe durch die Nacht. Auch wenn sich die Dunkelheit allmählich über den Münchner Tierpark Hellabrunn legt, von Ruhe kann keine Rede sein. "Im Zoo ist nachts mehr los, als man so denkt", sagt der Zoologische Inspektor Robert Müller.
Kein Wunder! An die 1000 Säugetiere tummeln sich hier in der rund 40 Hektar großen Oase mitten in der Stadt, dazu unzählige Vögel, Fische, Insekten, Reptilien und Amphibien. Nach heißen Hochsommertagen sind viele Tiere noch wach, die sonst um diese Uhrzeit längst schlafen - und natürlich das Partyvolk, das am nahen Isarufer Musik aufgedreht hat und zu rhythmischen Beats in der lauen Sommernacht feiert.
Bei den Gorillas im Urwaldhaus herrscht Ruhe - ohne Besucher. Die Weibchen Sonja und Neema haben sich Schlafplätze aus Holzwolle bereitet und sind müde von dem langen Tag. Wer sie jetzt noch stört, bekommt vorwurfsvolle Blicke, so wie von Sonja, die zur Glasscheibe des großen Geheges läuft.
"Früher hat man abends, wenn die Tierpfleger Feierabend hatten, alle Tiere in den Stall gebracht und die meisten auch noch in Einzelboxen aufgestallt", erinnert sich Müller, der seit 41 Jahren in Hellabrunn arbeitet und mittlerweile oberster Tierpfleger ist. Heute können die meisten Tiere entscheiden, ob sie die Nacht lieber drinnen oder im Außengehege verbringen. "Wenn wir die um 17, 18 Uhr einsperren würden, wären sie die ganze Zeit in den schwülen, stickigen Stallungen", erklärt er.
Elefantenbulle Gajendra braucht nicht viel Schlaf
Der Elefantenbulle Gajendra nutzt die Freiheit. Nach der Hitze des Tages genießt er den kühleren Abend im Freien. Viel Schlaf braucht er ohnehin nicht. Die Dickhäuter liegen Müller besonders am Herzen, hat er doch 28 Jahre lang in einer Dienstwohnung im Obergeschoss des Elefantenhauses gelebt. Gajendra hört seine Rufe und kommt neugierig näher, taucht seinen Rüssel geschmeidig ins Wasserbecken und spritzt Wasserfontänen in den Nachthimmel. Dann trottet er zu den Kühen ins Haus und liebkost seine Freundin Mangala mit einem Rüsselkuss.
Doch nicht nur exotische Tiere tummeln sich im Zoo. Auch heimische Tiere wie Fledermäuse, Igel und Marder sind unterwegs. Füchse gehen auf die Jagd. "Die reißen auch mal ein Zootier, das ist ein Schlaraffenland für die", meint Müller.
Inzwischen ist es stockdunkel. Christoph Schwarz aus der Pressestelle des Zoos hat eine besondere Taschenlampe dabei. Ihr rotes Licht störe die Tiere weniger, erklärt er. Immer wieder streift der rötliche Lichtkegel durch die Gegend und macht sichtbar, was sonst im Dunkeln verborgen bliebe: ein Roter Panda im Baum. Oder die treuen Humboldt-Pinguine, die paarweise auf ihrem Felsen stehen. "Sie werden die Nacht zu zweit verbringen", scherzt Schwarz.
Auf einer Wiese glühen feurige Punkte
Ein Stück weiter ein Gruselmoment: Auf einer Wiese glühen feurige Punkte. Aber es ist kein Spuk. Es sind die Augen von Zebras, die im Licht der Taschenlampe funkeln. Auch wenn sich Fluchttiere wie Antilopen oder Zebras im Zoo sicherer fühlen, "der Fluchtinstinkt bleibt", weiß Müller. Wenn bei Isarfesten Leute mit Böllern knallen, können sie in Panik geraten.
Überhaupt sind die Feste am benachbarten Flussufer oft ein Problem, etwa wenn Feiernde nachts über den Zaun aufs Zoogelände klettern, oft auch angetrunken. "Dann kommt man zur Mutprobe oder um andere Dinge hier zu treiben", sagt der Tierpfleger und berichtet von der Zerstörungswut der ungebetenen Gäste. Seit ein Sicherheitsdienst seine Runden drehe, sei es aber besser geworden.
Im stockdunklen Dschungelzelt ist von Partymusik nichts zu hören. Wo tagsüber exotische Vögel flattern und zwitschern, erfüllt nachts ein durchdringendes Pfeifkonzert die tropisch-schwüle Luft. Nachtvögel? Riesengrillen? Ein stimmgewaltiger Mäusechor? Im schwachen Schein der roten Taschenlampe dann die Überraschung: Den Lärm veranstalten weißlich schimmernde Pfeiffröschchen, keine zwei Zentimeter groß.
Im Dschungelzelt ist auch einer von Müllers Lieblingsorten, vor allem in kalten Winternächten. In lauen Sommernächten genießt er den menschenleeren Tierpark auf andere Art: "Einfach irgendwo hinsetzen und den Tieren lauschen, das ist Entspannung pur mitten in München."
(Cordula Dieckmann, dpa)
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