Leben in Bayern

Anton G. Leitner: Im deutschsprachigen Raum gilt er mit seiner Zeitschrift "Das Gedicht" als der Lyrikpapst schlechthin. (Foto: dpa)

27.10.2015

Poetisches Perpetuum mobile

Er dichtet, postet, bloggt. Anton G. Leitner brennt für die Lyrik und bekommt jetzt den bayerischen Kulturpreis

Wenn es um die Poesie geht, kommen ihm auch ganz ungewöhnliche Ideen. So ließ er Gedichte schon auf Baguettetüten, Zuckerbriefchen oder Weinflaschen drucken. Anton G. Leitner ist durch und durch Idealist - und ein Besessener in Sachen Lyrik. Seit fast vier Jahrzehnten hat er sich dieser Leidenschaft verschrieben. Im deutschsprachigen Raum gilt er mit seiner Zeitschrift "Das Gedicht" als der Lyrikpapst schlechthin. An diesem Mittwoch (28. Oktober) erhält er für seine Verdienste um die Poesieden "Bayerischen Poetenaler" der Literatenvereinigung Münchner Turmschreiber. Mit hoch angesehenen Preisen wurde er schon in früheren Jahren immer wieder ausgezeichnet. Raumhohe Bücherwände umgeben ihn in seinen kleinen Verlagsräumen im oberbayerischen Weßling (Landkreis Starnberg). In dem einfachen Zweifamilienhaus hat der ursprünglich aus München stammende Leitner mittlerweile zahlreiche Gedichtbände angesammelt. "Zusammen mit denen in unseren Wohnräumen sind es bestimmt mehr als 10 000 Exemplare", meint der54-Jährige stolz. Unter ihnen sind Werke von Johann Wolfgang von Goethe, Hans Magnus Enzensberger, Theodor Fontane oder Kurt Tucholsky, aber auch viele zeitgenössische Dichter. So zum Beispiel Karl Krolow (1915-1999) oder Barbara Maria Kloos. "Die sind mir beide sehr wichtig", betont Leitner.

Seine ersten Gedichte schrieb er bereits mit 15

Schon mit 15 beginnt Leitner seine ersten Gedichte zu schreiben. Vom Vater auf das honorige Wittelsbacher Gymnasium in München "strafversetzt", entdeckt er dort die antiken Dichter Catull, Tibull und Properz und staunt, "wie frech und erotisch Lyrik doch sein kann". Die ersten Dichterlesungen veranstaltet er Anfang der 1980er Jahre. Mit Dichterfreunden gründet er bald die "Initiative Junger Autoren", unter anderem mit seinem Jugendfreund Friedrich Ani. Auch wenn Leitner zunächst dem Vaterwunsch folgend noch Jura studiert, erkennt er schnell, dass er kein Jurist mit Herzblut ist. "Und zu der Entscheidung, mich endgültig nur der Lyrik zu widmen, ermutigte mich meine heutige Frau Felizitas", erläutert Leitner. Anfang der 1990er gründet er schließlich seinen Verlag. 1993 gibt er mit Ludwig Steinherr zum ersten Mal die Zeitschrift "Das Gedicht" heraus. Mit einer Auflage von derzeit 3000 Stück erscheint das im Schnitt 160 Seiten starke Magazin einmal im Jahr. Die aktuelle Ausgabe hat mit Gedichten von mehr als 100 Poeten aus sieben Nationen das "Schlemmen und Zechen" zum Thema. "Das Gedicht" zählt mittlerweile zu den wichtigsten Lyrik-Foren in Deutschland und wird inzwischen auch im Ausland verkauft. Doch davon leben kann Leitner kaum. Mit Lektoratsservice, Lyrikwerkstätten und Schülerlernwerkstätten hat er sich zusätzliche Einnahmen verschafft. Zudem versteht es Leitner, hitzige Debatten zu entfachen, mit denen er auch in Talkshows und TV-Sendungen landet. So erregte er 2000 viel Aufsehen mit einem "Erotik-Special"-Heft. In dem Band wurden "schwarze Balken" zum Heraustrennen mitgeliefert. "Da konnte dann jeder selbst zensieren", sagt Leitner und schmunzelt. In "Göttlicher Schein Heilige Gedichte" gab es einen päpstlichen Beitrag - ein bis dahin unbekanntes Gedicht von Papst Johannes Paul II.

Leitners Verse handeln vom ganz alltäglichen Wahnsinn seiner Heimat

Heute hat sich Leitners Lyrik-Einsatz stark ins Internet verlagert. Seit einigen Jahren betreut er einen Blog. "Da verzeichnen wir an manchen Tagen sogar einige Tausend Besucher und sprechen mit diesem Angebot auch vermehrt junge Leser an." Zudem hat er die bayerische Mundart für sich entdeckt. Seit zwei Jahren schreibt er Gedichte und erzählt in Versen vom ganz alltäglichen Wahnsinn in seiner Heimat. "Leitner hat seine Zeitschrift "Das Gedicht" nicht nur über zwei Jahrzehnte hinweg am Leben gehalten, sondern sie auch zur Institution gemacht, an der mittlerweile keiner vorbeikommt, der sich für Lyrik interessiert", würdigt Matthias Politycki, Bestsellerautor und früherer Kurator des Münchner Literaturfestes, Leitners Arbeit. Doch damit begnüge sich Leitner nicht. "Er bloggt und postet für die Lyrik, verpackt sie in Anthologien, präsentiert sie in szenisch inszenierten Videos, lehrt sie in Seminaren, stiftet jeden Winter einen veritablen Preis und veröffentlicht Gedichtbände, eigene wie auch diejenigen anderer Lyriker." Michael Augustin, Festivalleiter von "Poetry on the Road" und Kulturjournalist bei Radio Bremen bezeichnet Leitnerals Lyrik-Verrückten. "Es kommt mir so vor, als sauge er seine gesamte, geradezu elektrische Lebensenergie aus der Poesie, um sie dann sogleich wieder eben daran und darin zu verjubeln. Der Kerl ist ein poetisches Perpetuum mobile!"  (Maren Martell, dpa)

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