"Wir haben etwas gegen Gewalt!" Nach diesem Motto arbeitet die "WingTsun-Schule für Bewegung - Bewusstheit – Behauptung" in Georgensgmünd. Trainingsort ist Roth. Doch genau deren Leiter hat nun massive Gewalt ausgeübt: Wolfgang P. hat am Mittwochmorgen in Georgensgmünd auf Polizisten geschossen hat. Einer der Beamten ist inzwischen seinen Verletzungen erlegen.
P. zählt sich selbst zu den sogenannten „Reichsbürgern“. Sie erkennen die Bundesrepublik nicht als Staat an, sondern bezeichnen sie als GmbH. Oft kommen sie mit Behörden in Konflikt, weil sie sich beispielsweise weigern, Steuern zu bezahlen. Das war auch bei P. der Fall. Aus dessen Umfeld ist zu hören, er habe einen teuren Sportwagen gefahren. Die Kfz-Steuer dafür aber nicht bezahlt. P. soll "auf großem Fuß" gelebt haben, berichten Nachbarn. Er selbst bezeichnete sich als Unternehmensberater.
Bürgermeister: "Es gab kein Anlass zur Besorgnis"
P. sei wegen seiner Ansichten zwar "aufgefallen". "Anlass zur Besorgnis gab es aber nicht", sagte Bürgermeister Ben Schwarz (SPD). Im Januar habe der Mann seinen Personalausweis abgeben und seine Staatsbürgerschaft aufgeben wollen. Kurze Zeit später habe der Mann auch seinen Wohnsitz abgemeldet und sei "nach unbekannt verzogen", obwohl er Eigentümer des Hauses ist und weiter dort wohnte. Auch der Briefkasten sei abmontiert worden. So hätten Gläubiger keine Forderungen mehr an ihn schicken können.
Nach den Eindrücken des Bürgermeisters sei der Mann kein völliger Einzelgänger gewesen. "Er hatte wohl ein normales soziales Umfeld", sagte Schwarz. "Wir haben ihn aber eben für ein bisschen anders gehalten, aber nicht in der Form, dass man reagieren muss." Der Mann, der 31 Waffen und einen Jagdschein besaß, habe zumindest im Gemeindegebiet keine Jagdpacht gehabt.
Der Landkreis Roth hat es nicht zum ersten Mal Sitz mit "Reichsbürgern" zu tun. Bis Ende 2012 residierte in der "Erbschenke zum Schwan" in Schwanstetten eine "Diplomatische Mission des Staates Germanitien, Länderkürzel GER". Die Germaniten sind Teil der Reichsbürgerbewegung. Wer gerade Chef-Diplomat der Gruppierung Süd ist, ist nicht bekannt. Bis 2012 jedenfalls war es Guido K., der sich oft im "Schwan" aufhielt. Denn dort fanden viele Treffen von Verantwortlichen der "GFE Gesellschaft zur Förderung Erneuerbarer Energien" statt, die nach einem Urteil des Landgerichts Nürnberg aus dem Jahr 2014 Anleger um über 60 Millionen Euro betrogen haben soll. GFE-Vertriebsleiter K. sollte viereinhalb Jahre hinter BRD-Gitter, doch er setzte sich wohl ins Ausland ab. Bis heute wird mit Haftbefehl nach ihm gesucht.
Spinner? Jetzt will man den Umgang mit "Reichsbürgern" überdenken
Auch Karl M., der frühere Koch des "Schwan", war "Diplomat" von Germanitien. Mit einem
entsprechenden Ausweis war er 2012 am Flughafen München verhaftet worden. Als GFE-"Chefentwickler" wurde der gelernte Kfz-Meister 2014 zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Inzwischen will er nach eigener Aussage kein Germanit mehr sein.
Damals, als die Germanitien-Mission im Schwan residierte, wollten weder der Verfassungsschutz noch Bayerns Innenministerium den "Bürgern" dieses "indigenen Staates auf dem Gebiet der Bundesrepublik" Gefährlichkeit unterstellen. "Spinner" seien das, wurde damals erklärt.
Offensichtlich aber ist jetzt durch den Vorfall in Georgensgmünd etwas in Bewegung geraten: Innenminister Joachim Herrmann kündigte am Mittwoch in Roth an, den Umgang mit der Reichsbürgerbewegung "überdenken" zu wollen.
Die "Erbschänke zum Schwan" ist übrigens seit Jahren wieder ein angesehenes Restaurant, gründlich renoviert und unter völlig neuer Leitung. Das Germaniten-Schild ist lange abmontiert.
Expertin: "Extrem Rechter"
Der sogenannte Reichsbürger aus Georgensgmünd, der jetzt auf Polizisten geschossen hatte, war nach Ansicht der Nürnberger Rechtsextremismus-Expertin Birgit Mair ein "extrem Rechter". Im sozialen Netzwerk Facebook sei der 49-Jährige unter anderem mit einem Mann befreundet, der bei der vom Landesamt für Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Gruppe Pegida Nürnberg regelmäßig als Redner und Organisator auftrete. "Ein Drittel von Pegida Nürnberg sind Neonazis", sagte Mair. "Für mich sind da auch antisemitische Andeutungen und Verschwörungstheorien über Juden drin", sagte Mair über das Facebook-Profil des 49-Jährigen. Zudem hat der Mann eine Fotomontage geteilt, auf der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), weitere Mitglieder der Bundesregierung sowie Bundespräsident Joachim Gauck auf einer Anklagebank sitzen. Darüber steht: "Schuldig - hängen!". Mair sagte: "Mit so etwas sind wir bei den extrem Rechten angekommen." Sie wolle den Mann nicht einfach als Spinner abtun. "Sein Facebook-Profil macht keinen verwirrten Eindruck. Das ist ein ganz normales Profil für solche Leute aus der Szene."
(
Heinz Wraneschitz/dpa)
Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde aktualisiert
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