In der Küche von Norbert Wittmann duftet es nach Muskatblüte, Petersilie, warmen Brezn, süßem Senf und frischem Weißbier. Behutsam erwärmt in der Terrine kommt dazu Weißwurst auf den Tisch. Ganz traditionell.
Doch bei Wittmann, Hotelier, Koch und Metzger in Neumarkt in der Oberpfalz, geht es auch anders. Er rollt die Weißwurst auch schon mal zu Sushi oder serviert sie als Weißwurstbrät-Nockerlsuppe. „Die Wurst in der Terrine ist die klassische Variante, freilich“, sagt Wittmann etwas spitzbübisch. Mit einem ordentlichen Weißbier und einer reschen Brezn. Kesselfrisch und schneeweiß mit grünen Sprenkeln von der Petersilie. Eine bessere Zwischenmahlzeit kann er sich selbst kaum vorstellen.
Er ging extra bei einem Sushi-Meister in die Lehre
Und doch hat die Traditionswurst dem kreativen Koch keine Ruhe gelassen. Über die Jahre hat er experimentiert und Rezepte entwickelt, die sachte am weißblauen Image kratzen und am Ende doch zeigen, wie vielseitig die bayerischste aller Gaumenfreuden ist. Bei seiner kulinarischen Reise durch die Welt machte er vor keiner noch so verrückten Idee Halt. Wittmann hat das feine Brät aus Kalbfleisch und Fett vom hällischen Landschwein

internationalisiert. „Weißwurst goes Sushi“, könnte man sagen. Der findige oberpfälzische Koch ist für die Kreation dieses neuartigen Schmankerls gar extra bei einem Sushi-Meister in der Lehre gegangen.
Damit nicht genug: Wittmann bettet das edle Brät in verschiede Salate ein oder bereitet ein Weißwurst-Ragout mit Schwammerl. Er hat es auch schon zum Pfannkuchen-Weißwurst-Wrap gerollt oder als Weißwurst-Carpaccio auf Rucola-Salat serviert. Und sogar bei den Nachspeisen bringt er die Weißwurst unter. Eis, Mousse und Torte mit Weißwurst. Das geht? „Ganz wunderbar sogar“, betont Norbert Wittmann.
Treu geblieben ist er der bayerischen Tradition dennoch. Denn bei der Rezeptur für die Weißwurst macht Wittmann keine Kompromisse. Im Gegenteil: Vor einigen Jahren ist er bewusst ausgeschert aus der herkömmlichen Produktionsweise. Das Fleisch aus der Massentierhaltung wurde für den heutigen Bio-Metzger immer unappetitlicher. „Glauben Sie mir, wer nur etwas Respekt vor den Tieren und auch vor dem Metzgerhandwerk hat, kann das eigentlich nicht essen“, sagt Wittmann. „Die Weißwurst ist ja bayerisches Kulturgut.“ Und an dessen Niedergang durch die Lebensmittelindustrie wollte er sich auf keinen Fall weiter beteiligen.
Die Wurst zuzeln? Das kommt für Wittmann nicht in Frage
Vor einigen Jahren hat er deshalb nicht nur Wurstküche, Metzgerei und Hotel auf Bio-Standard umgestellt. Er will auch wissen, woher das Fleisch kommt. „Wir haben uns im Land umgesehen“, sagt er. In der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall fand er den richtigen Partner. Dort werde nicht nur viel Wert auf gesundes Futter gelegt, erklärt Wittmann. Die Tiere werden auch artgerecht gehalten.
Schweinefleisch und Würzmischungen kommen bei Wittmann nicht in die Weißwurst. „Seitdem wir wieder beste Gewürze verwenden, brauchen wir viel weniger. Am Ende geht die Rechnung auf“, sagt er. „Qualität zahlt sich immer aus.“ In den Kutter kommen: 50 Prozent Kalbfleisch, 24 Prozent Fett vom hällischen Landschwein, 26 Prozent Scherbeneis, Gewürze wie Ingwer, Macis (Muskatblüte), Kardamon, Zitronenschale und Petersilie und das Häutelzeug (gekochter Kalbskopf und Schweineschwarten). Zur Wurst wird das Brät dann in feinen Schafsdärmen.
Die Därme sind übrigens der Grund, warum es die Weißwurst in ihrer heutigen Form gibt. So will es die Legende: In einer rauschenden Faschingsnacht im Jahre 1857 hatte der Münchner Metzgerwirt Sepp Moser den hungrigen Gästen seine erst kurz zuvor kreierte „helle Wurst“ fein ausgebraten servieren wollen. Im Gasthaus Zum ewigen Licht am Münchner Marienplatz wurde indes die Zeit knapp. Die Gäste drängten. Dem Moser Sepp aber waren die Schafsdärme ausgegangen. In seiner Not füllte er das fertige Kalbsbrät in Schweinedärme. Aus

Sorge, die prallen Würste könnten auf dem Grillrost platzen, bereitete er sie in heißem Wasser zu und servierte sie anschließend in einer Terrine. Und schon bald trat die einstige Kalbsbratwurst als Weißwurst ihren Siegeszug um die Welt an.
Längst aber hat der kreative Metzger-Koch Wittmann aus Neumarkt den Münchnern in Sachen Weißwurst den Schneid abgekauft. Mit dem 1. Bayerischen Metzgerei- und Weißwurstmuseum und der Weißwurstakademie hat er dem Liebling der bayerischen Küche ein Denkmal gesetzt. Und jetzt hat er also mit dem Königlichen Weißwurst-Kochbuch hat die Wurst auch noch in den Adelsstand erhoben. Darin erfährt man alles, was man über die Weißwurst wissen muss. Auch wie man sie isst. „Das vor allem jenseits des Weißwurstäquators etwas verpönte Zuzeln stammt ja noch aus der Zeit, in der Wirte weder Messer noch Gabel zum Essen reichten“, erklärt Wittmann schmunzelnd und zerlegt die Wurst gekonnt in zwei Teile. „Wenn sich die Wurst leicht aus dem Darm schält, ist sie perfekt gebrüht“, sagt er – „nämlich bei 71 Grad Celsius“. Und dann steigt der feine süßlich-zitronige Duft der Macis aus der schneeweißen Wurst auf und gibt der Fantasie viel Nahrung für die eigene Weißwurstküche. (
Flora Jädicke)
Fotos (neuDenken Media)
Originell: Weißwurst-Sushi
Traditionell: Das Brät mit Bier und Breze.
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