Leben in Bayern

Johannes Eichhorn ist Schäfer und Showtänzer (kleines Bild). (Fotos: Lino Mirgeler/dpa)

24.12.2019

Schäfer, Tänzer und Influencer

Die Schafhaltung in Bayern hat ein Nachwuchsproblem. Kann ein 24-Jähriger den Beruf cool machen?

Johannes Eichhorn will auf keinen Fall wie ein Schäfer aussehen. Dabei ist er einer - und zwar aus Überzeugung, wie der 24-Jährige sagt. "Wenn ich das erzähle, dann denkt sich jeder: "Waas?"", erzählt Eichhorn stolz. Seine Frisur sitzt, er trägt einen schwarzen Ohrring und hat Tattoos. So würde er als Model durchgehen. "Man hat halt, wenn man an einen Schäfer denkt, einen alten Mann vor Augen", sagt er. "Und das Klischee will ich nicht erfüllen, weil es ist definitiv ein Job für junge Leute." Schon rein körperlich.

Doch die jungen Leute bleiben immer häufiger aus. Der Landesverband Bayerischer Schafhalter spricht von einem Nachwuchsproblem: "Wir bräuchten bestimmt das Zehnfache an Auszubildenden, um die Berufsschäferei in ihrer jetzigen Form zu erhalten", sagt Martin Bartl, Geschäftsführer des Vereins.

Dabei nehme Bayern sogar eine Sonderrolle ein, denn in keinem anderen Bundesland werde die Ausbildung zum Schäfer überhaupt noch angeboten. So kämen Azubis aus ganz Deutschland zwar alle nach Bayern, das seien pro Jahr aber auch nur 8 bis 14. "Rechnet man die Ausbildungszahlen auf alle Bundesländer um, lernt pro Bundesland nicht mal eine Person im Jahr Schäfer", macht Bartl deutlich.

Man könnte denken, dass Johannes Eichhorn in Sachen Berufswahl gar keine andere Wahl hatte. Sein Vater war Schäfer, sein Großvater war Schäfer - sogar sein Urgroßvater. Druck, sich der Tradition zu fügen, verspürte er aber nie: "Wie wir uns für unsere berufliche Zukunft entscheiden, haben uns unsere Eltern komplett freigestellt", sagt Eichhorn über sich und seine Geschwister. Für ihn ist der Familienbetrieb ein Vorteil, denn so wusste er, was auf ihn zukommt.

Erst die Tiere, dann die Menschen

Der Tag auf dem Hof in Schernfeld (Landkreis Eichstätt) beginnt um 7.00 Uhr. Erster Punkt auf der Tagesordnung: der Kontrollgang. Die 1200 Mutterschafe und ihre Lämmer müssen untersucht werden. Tiere, die krank oder verletzt sind, werden behandelt. "Und dann geht's weiter mit dem Füttern", erzählt Eichhorn. Zweiter Punkt auf der Tagesordnung: erst die Tiere, dann die Menschen - denn danach gibt es auch für ihn Frühstück. Dann ab auf die Weide, wieder Kontrollgang. Gegen 17.00 Uhr ist die Arbeit auf dem Hof geschafft.

Jetzt ist Zeit für Eichhorns größte Leidenschaft: das Tanzen. Wieder etwas, das man wohl nicht erwartet und das nicht zum klassischen Bild von einem Schäfer passt. Eichhorn duscht, legt nochmal ein bisschen mehr Parfüm auf und dann geht zum Training.

Fasziniert hat ihn der Sport schon als Kind, seit drei Jahren ist der Schäfer Mitglied bei TanzGlanz, einer 36-köpfigen Showtanzgruppe. Mit ihr gewann er die Deutsche Meisterschaft und die Europameisterschaft.

Poppige Musik dröhnt in einer Turnhalle im Nachbarort aus den Boxen, doch auf der Tanzfläche ist höchste Konzentration gefordert. Was mit "Showtanz" nämlich ganz nett klingt, ist eigentlich Akrobatik. Die drei- bis vierstöckigen Hebefiguren müssen sitzen und der Salto von ganz oben in die Arme der Kollegen auch. Körperspannung bis in die von der Arbeit auf dem Hof rissigen Fingerspitzen.

Auf Instagram beschreibt er sich als Landwirt, Schäfer, Jäger und Tänzer. Dort postet er Selfies aus dem Bett, Oben-Ohne-Bilder und Fotos vom Feiern. Und eben vom Schafehüten. Er will die Plattform nutzen, um junge Menschen mehr für Landwirtschaft zu begeistern.

Und das kommt auch bei vielen Frauen gut an, wie er verrät. Da werde beim Flirten auch mal die Ich-habe-süße-Lämmer-zuhause-Karte gezogen. Dass er die süßen Lämmchen später schlachtet, erzählt er zumindest beim ersten Date nicht. "Später dann schon", sagt er.
(Annika Säuberlich, dpa)

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