Der Abwärtstrend scheint nicht mehr zu stoppen: Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sank der Verzehr von rotem Fleisch und Fleischerzeugnissen in den vergangenen zehn Jahren um rund 20 Prozent. „Auch wir merken diesen Trend“, sagt Hannes L., Metzger aus Oberfranken. Wobei der von seinem Opa gegründete Betrieb, den er später einmal übernehmen möchte, immer noch Zehntausende Menschen mit Fleischwaren versorgt.
Zuzugeben, dass man Metzger ist, dazu bedarf es dieser Tage viel Mut, lässt der 28-Jährige durchblicken: „Sage ich auf einer Party, was ich von Beruf bin, bekomme ich viel ideologiegetriebene Abneigung zu spüren.“ Zu schaffen macht Hannes L. vor allem die seiner Meinung nach notorisch schlechte Berichterstattung über seine Branche: „Die ist wirklich zu 100 Prozent negativ.“ Deshalb möchte er seinen vollen Namen nicht nennen. Hannes L. befürchtet, ansonsten angefeindet zu werden.
Die Furcht scheint in der Branche verbreitet. Mehrere kontaktierte Metzger wollten nicht davon erzählen, wie es ihnen beruflich gerade geht. Das schlechte Image hat nach Ansicht von Hannes L. mit den in die Köpfe eingebrannten Bildern misshandelter Tiere in Schlachthöfen zu tun. „Die sind schon auch echt“, sagt er. Doch es handele sich um die schwarzen Schafe der Branche.
Die schwarzen Schafe der Branche belasten das Image
Führt er Freunde durch den Schlachthof, der sich in direkter Nachbarschaft seines Betriebs befindet, hört er immer wieder: „Wir haben uns das alles ganz anders vorgestellt.“ Noch nie habe jemand anders reagiert, versichert der junge Metzger. Den Besucherinnen und Besuchern zeigt er bei seinen Führungen zum Beispiel, wie schonend die Tiere vor dem Schlachten betäubt werden. Kein Tier müsse leiden.
Metzger von Beruf zu sein, ist für Hannes L. eine dankbare Aufgabe. Befriedigend sei vor allem das Gefühl, andere Menschen mit Lebensmitteln versorgen zu können. Innerhalb seines Familienbetriebs hat sich der junge Mann auf den Ausbau der Sparte Biofleisch fokussiert: „Inzwischen liegt der Anteil bei uns bei 6 bis 7 Prozent.“ Das ist vergleichsweise viel, stammen doch laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung insgesamt nur etwa 4 Prozent des gekauften Fleisches aus biologischer Erzeugung. Hannes L. hofft, den Anteil in seinem Betrieb weiter steigern zu können. Hier müsse aber die Landwirtschaft mitziehen: „Doch es braucht Zeit, bis ein Bauer seinen Betrieb auf Bio umgestellt hat.“
Viele Berufe im Handwerk leiden inzwischen darunter, dass junge Leute heutzutage lieber am Laptop arbeiten, als sich die Hände schmutzig zu machen. Das Metzgerhandwerk ist aufgrund des Trends hin zu einer vegetarischen oder veganen Lebensweise besonders hart vom Nachwuchsmangel betroffen. „Jede Menge Ausbildungsstellen sind in Bayern offen“, sagt Lars Bubnick, Geschäftsführer des Landesinnungsverbands für das Fleischerhandwerk. 555 Auszubildende gibt es augenblicklich.
Da muss man auch ganz neue Wege gehen: Im vergangenen Jahr gelang es dank eines neuen Ausbildungsprojekts, 230 junge Vietnamesen ins bayerische Fleischerhandwerk zu holen.
Der Landesinnungsverband hat aktuell 1100 Mitglieder. Die Zahl der Betriebe, die dem Verband angehören, schrumpft kontinuierlich: „2002 hatten wir noch knapp 3000 Betriebe.“ Wobei nicht jede Metzgerei dem Verband angehört. Lars Bubnick schätzt, dass es im Freistaat derzeit noch zwischen 1300 bis 1400 Handwerksmetzgereien gibt.
Aktionen wie der seit 2019 alljährlich im Januar bundesweit veranstaltete „Veganuary“ tragen dazu bei, dass der Fleischkonsum immer weiter sinkt. Der Veganuary fordert dazu auf, einen Monat lang vegetarisch zu leben. Laut einem Bericht der Tagesschau hatte dies deutliche Auswirkungen: Der Fleischverzehr reduzierte sich zwischen Dezember 2023 und Januar 2024 um über 29 Prozent. „Allerdings essen immer noch 90 Prozent der Deutschen Fleisch und Wurst“, betont Lars Bubnick.
Fleischernachwuchs von Vietnam nach Bayern
Bayerns Metzgereien gingen jedoch auch auf Veganer und Vegetarier ein: „Im Cateringbereich oder Partyservice sind alternative Produkte zum Fleisch heute absoluter Standard.“ Metzger zu sein bedeute ja nicht, dass man Zeitgenossen, die kein Fleisch essen wollen, kategorisch ablehnen würde. „Wir zwingen niemandem das Fleischessen auf und sagen sogar selbst, dass man Fleisch nachhaltig und bewusst, am besten aus regionaler Herstellung, konsumieren soll“, erklärt der Geschäftsführer.
Auf der „Gegenseite“ vermisst er diese Toleranz. Insbesondere auf Social-Media-Plattformen würden Fleischereien zum Teil unter der Gürtellinie beschimpft, sagt er. „Es gibt aber auch sehr vernünftige Diskussionen mit Menschen, die kein Fleisch essen.“ Man müsse ja nicht immer einer Meinung sein.
Christian Herpich aus dem oberfränkischen Hof quält sich nicht mit Zweifeln, was seinen Beruf anbelangt. „Ich bin Metzger mit Herzblut und Leidenschaft“, sagt er. Diese Leidenschaft scheint ansteckend zu sein: Jedenfalls gelang es dem 56-Jährigen, alle vier seiner Lehrstellen zu besetzen. Sein Versuch, drei junge Frauen für den Beruf der Fleischereifachverkäuferin zu begeistern, scheiterte jedoch. Dies hat laut Herpich aber vor allem damit zu tun, dass es in Hof keine Berufsschule für Metzger mehr gibt. „Die jungen Leute müssen jetzt zum einwöchigen Blockunterricht nach Kulmbach.“ Das gebe den Eltern 16-jähriger Mittelschulabsolventinnen kein gutes Gefühl ein.
Herpich, der in Oberfranken als Vizepräsident der Handwerkskammer fungiert und für die CSU im Hofer Stadtrat sitzt, hat als Metzger bisher nur Positives erlebt, wie er sagt. Seine zwei Geschäfte in Hof liefen sehr gut. „Gerade am Samstag haben wir immer eine Flut von Kunden.“ Dies liege aber natürlich auch daran, dass es immer weniger Metzgereien in Hof gibt. Im Jahr 1900, so der Handwerksmeister, existierten noch 100. „Jetzt haben wir keine fünf Betriebe mehr.“ Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass Metzgereien heute viel größer sind als in früheren Zeiten. Im August feiert Herpichs Familienbetrieb sein 120-jähriges Bestehen. Das Jubiläum soll mit einer Party mit bis zu 1000 Menschen begangen werden. Keine Frage, dass es dabei unterschiedlichste Fleischleckereien zu kosten gibt. Störaktionen befürchtet er nicht.
Andrea Siemoneit aus Haag in Oberbayern lebt seit sechs Jahren konsequent „tierisch“. Oder, wie es die 46-Jährige nennt, als Carnitarierin. Alles begann mit der Diagnose einer Autoimmunerkrankung: „Die betrifft meine Schilddrüse.“ Andrea Siemoneit suchte nach einer Alternative zur Radiojod- und Hormontherapie. Zunächst stieß sie auf die ketogene Ernährung. Die stellt tierische Produkte in den Mittelpunkt, setzt aber auch stark auf Gemüse. Bei der carnivoren Ernährung, die Siemoneit später entdeckte, steht ganz und gar Fleisch im Fokus. Inzwischen betreibt sie dazu eine Homepage, einen Podcast und hat in Augsburg, Ingolstadt, München und Nürnberg Gruppen für Carnitarier gegründet – als Angebot, wie sie sagt. Dort tauscht man sich darüber aus, wo es in der Nähe Fleisch artgerecht gehaltener Tiere gibt. Besonders hoch im Kurs steht Fleisch aus Weidetierhaltung. Aber auch gesundheitliche Effekte werden erörtert.
Medikamentenfrei dank carnivorer Ernährung?
Als Geächtete fühlt sich Andrea Siemoneit nicht, selbst in ihrer Schule kann sie völlig offen sein. Nur auf Facebook gibt es der Lehrerin zufolge oft massives Bashing: „Mir hat aber noch niemals jemand etwas Negatives direkt ins Gesicht gesagt.“ Darum hat sie keine Angst, sich als Fleischesserin zu outen. Sie steht dazu, weil es ihr persönlich geholfen habe: „Ich habe meine Schilddrüsenmedikamente absetzen können.“ Es ist nach ihrer Überzeugung auch nicht so, dass man als Carnitarierin nicht in Harmonie mit der Natur leben würde. Im Gegenteil. Gerade auf einen Biobauernhof gehörten Tiere: „Denn dort soll natürlich gedüngt werden.“ Mit Dung von Tieren. (Pat Christ)
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