Leben in Bayern

Anbauen, was das Herz begehrt: Auf den Sonnenäckern bringen die Pächter selbst das Saatgut aus. Kleines Bild: Wenn sie es selbst ernten dürfen, lieben sogar die Kleinen Gemüse. (Fotos: Solidargemeinschaft Oberland)

24.04.2020

Selbstversorgung in Corona-Zeiten

Immer mehr Hobby-Farmer mieten sich einen Acker in und um München – ein Trend, den die Pandemie noch befeuert

Mit dem Frühlingserwachen zieht es auch wieder viele Hobby-Landwirte nach draußen. Mietäcker boomen – gerade bei Städtern liegen sie im Trend. Biogemüse selbst ziehen und sich dabei an der frischen Luft bewegen, das zieht viele an. Ein großer Vorteil zudem in der Corona-Krise: Die Felder sind so weitläufig, dass man sich gut aus dem Weg gehen kann.

Ob Karotten, Kohlrabi oder Bohnen: Bayerns Hobby-Gemüsebauern stehen schon in den Startlöchern. Ein eigenes Stück Acker zu bewirtschaften wird immer beliebter. „Der Run ist gerade groß. Das Thema Selbstversorgung ist schon länger im Trend“, sagt Tobias Paulert, einer der beiden Gründer des Vereins Ackerhelden. „Jetzt in Corona-Zeiten gibt es eine große Nachfrage, die Leute wollen die Gewissheit der Versorgung und der Qualität. Dazu kommt die frische Luft und man kann sich auf den Äckern gut aus dem Weg gehen.“

Die Jungunternehmer aus Essen verpachten Mietgärten in ganz Deutschland. „Wir bieten jeweils 40 Quadratmeter biozertifizierten Acker, der von uns mit 150 Bio-pflanzen auf vier Fünftel der Fläche vorbepflanzt wird“, erklärt Paulert. Auch Pflanztipps, Gartengeräte und Rezepte steuern die Landwirte bei. Und bieten immer wieder neue Sorten an. „Heuer ist das zum Beispiel roter Spitzkohl“, sagt Paulert. „Wir geben auch Ratschläge, wie man das Gemüse lagern oder einmachen kann.“ Von den drei Anlagen rund um München sind die Mietgärten in Aubing und Ismaning bereits ausgebucht, im Münchner Südosten sind nur noch wenige verfügbar.

Auch die sogenannten Krautgärten rund um die Landeshauptstadt sind sehr gefragt: An mittlerweile 26 Standorten können die Münchner auf mehr als 1500 Pacht-Parzellen insgesamt sechs Hektar Gemüse, exotische Kräuter oder Blumen anpflanzen. Jedes Jahr kommt ein Standort dazu. „Ich bekomme immer sehr viele Anfragen, wie man an eine Parzelle kommt“, erklärt Hans Ernstberger vom Referat für Stadtplanung und Bau der Stadt München, der für die konzeptionelle Planung zuständig ist. Derzeit wird der Ingenieur von Krautgarten-Pächtern allerdings regelrecht bestürmt, wann und wie die Pächter wieder anpflanzen können. Bis auf Weiteres gelte da die Schrebergarten-Regelung, wonach die Hobby-Gärtner unter Einhaltung von Abstandsregeln ihr Gemüse anbauen dürfen, so Ernstberger.

Die Freude, wenn man sieht, wie alles wächst

Die Organisation liegt bei den einzelnen Krautgarten-Vereinen selbst und jeder macht das laut Ernstberger ein bisschen anders. Während die Pächter im Münchner Norden ihren Acker lieber selbst anlegen, gibt es an anderen Standorten zum Beispiel Gärtner, die bis auf ein Drittel der Fläche alles vorbepflanzen. Jedoch immer ohne Einsatz von Mineraldünger und chemischem Pflanzenschutz. Das komme gut an. „Deswegen machen wir das auch gerne“, so Ernstberger.

Bald werden auch die Sonnenäcker von „Unser Land“ in Bayern wieder an ihre Pächter übergeben. Hier besorgen die Hobby-Landwirte ihre Pflanzen oder das Saatgut selbst. Da passt es gut, dass seit dieser Woche auch wieder die Gärtnerei-Betriebe geöffnet sind. „Normalerweise haben wir immer eine Übergabeveranstaltung, aber diesmal werden wir die Flächen mit Namensschildern oder Nummern kennzeichnen, damit die Pächter ihr Stück Land finden“, sagt Adriane Schua, Vorsitzende der Solidargemeinschaft Oberland und des Dachvereins „Unser Land“ in Holzkirchen. Der Verband halte sich an die Auflagen der Landratsämter.

„Die Sonnenäcker zählten schon immer zu unseren erfolgreichsten und beliebtesten Projekten“, betont Schua, die in den Landkreisen Miesbach und Bad Tölz für zwei Äcker mit insgesamt 45 Pächtern verantwortlich ist. „Die Nachfrage ist groß. Ich habe feste Pächter und alles ist dicht“, sagt Schua, die hofft, dass auch nach der Corona-Krise der Fokus wieder mehr auf die regionale Versorgung gelegt werde.

Hobby-Landwirtin Anja Timmermann aus Weilheim ist mit ihrem Partner Roland Lory schon zum vierten Mal dabei. Auch heuer haben die beiden wieder ein 25 Meter langes Stück Feld auf einem Acker bei Weilheim gepachtet, das sie selbst bepflanzen. „Das ist ja ein großer Teil der Freude, wenn man sieht, wie die kleinen zarten Sprossen wachsen“, erzählt Krankenpflegerin Timmermann. „Da können wir uns selbst zusammenstellen, was wir gerne mögen, und auch mal etwas ausprobieren.“ Heuer wollen die beiden zum Beispiel Feuerbohnensamen testen, die sie im letzten Urlaub auf Madeira kauften.

Für Vorbereitung und Anpflanzung müsse man schon ein bisschen Arbeit hineinstecken, ein paar halbe Tage, erklärt Timmermann. „Danach sind wir im Schnitt ein- oder zweimal die Woche zum Jäten da.“

Ein Ausgleich zum oft stressigen Berufsalltag

Je nach Robustheit der Pflanzen säen die beiden Freizeitbauern ihr Gemüse direkt aus – oder ziehen Zucchini, Mangold oder Möhren im Blumentopf vor und kaufen Jungpflanzen dazu, die komplizierter in der Aufzucht sind. „Wir haben uns daheim schon einen hübschen Pflanzenkindergarten angelegt“, erzählt Timmermann.

Etwa ab Juni beginnt die Erntezeit: „Dann drehen wir eine Runde auf dem Feld, nehmen beispielsweise Bohnen und Zucchini oder Gurken mit.“ Ein weiterer Vorteil: Das Feld sei eine regelrechte Vorratskammer, denn bestimmte Sorten, wie Karotten, könnten auch länger in der Erde bleiben.

Von Juni bis Oktober kauft das Paar kein Gemüse dazu, sondern isst allein, „was der Acker hergibt“. Oft wird auch mit der Pacht-Nachbarin getauscht, sagt Timmermann, die es als Ausgleich zur Klinikarbeit genießt, draußen an der frischen Luft auf dem Acker zu sein und zu werkeln. Und Timmermann schwärmt: „Das Gemüse schmeckt deutlich besser als die Ware aus dem Geschäft, weil es bis zur absoluten Reife auf dem Feld bleibt.“
(Lucia Glahn)

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