Sie pflegen ihre Herkunft bis heute: Viele Einwohner von Frankenmuth stammen aus Nordbayern und feiern auch in der neuen Heimat deutsche Weihnachten. Allerdings mit typisch amerikanischem Touch: Renner im angeblich „größten Weihnachtskaufhaus der Welt“ sind Christbaumkugeln, die es auch in Form von Basketbällen, Bierdosen oder sogar Kettensägen gibt. Und aus der Stille-Nacht-Kapelle dudelt unerbittlich der Weihnachtsklassiker – auch im Hochsommer.
Es ist bunt, das Programm auf dem Gunzenhausener Weihnachtsmarkt. Der örtliche Posaunenchor tritt auf, Christkind und Nikolaus beschenken die Kinder und die Eisbahn am Marktplatz ist geöffnet. Gut zwölf Flugstunden weiter westlich liegt im US-Bundesstaat Michigan das Städtchen Frankenmuth. Und mit dem, was dort los ist, kann die mittelfränkische Stadt nicht mithalten. Seit 54 Jahren sind die Städte durch eine Partnerschaft verbunden, nächstes Jahr steht das 55-jährige Jubiläum an.
Gleich nebenan liegen Frankenlust und Frankentrost
Renate Herrmann ist die Vorsitzende des „Freundeskreises Frankenmuth-Gunzenhausen“. Viele private Kontakte sind in den vergangenen Jahrzehnten entstanden, erklärt sie. „Das ist eine sehr lebendige Partnerschaft, die nicht nur auf dem Papier steht, sondern gelebt wird!“ Und auch gesprochen: Einmal im Monat wird in Frankenmuth der Gottesdienst auf Deutsch abgehalten, weiß Herrmann. Ansonsten sprächen die Frankenmuther ein „sehr breites fränkisch“, ganz so wie vor hundert Jahren. Denn die meisten Frankenmuther stammen von ausgewanderten Franken ab und diese Herkunft wird bis heute gepflegt. So ist auch am Rathaus das Wappen von Frankenmuth mit weißblauer Raute und das von Gunzenhausen zu sehen. 4500 Einwohner hat Frankenmuth und die Nachbarorte heißen zum Beispiel Frankenlust oder Frankentrost.
Spricht man allerdings mit Wayne Bronner, hört sich das ein bisschen holländisch an. Wenn er sagt: „Wir haben hier 50 000 Artikel im Laden“, denkt man schnell an Rudi Carrell. Wayne Bronner ist der Sohn des 2008 verstorbenen Wallace „Wally“ Bronner, der 1954 mit den Grundstein legte für die Weihnachts-Verrücktheit in Frankenmuth: Er gründete in dem Städtchen, gut 150 Kilometer nördlich von Detroit, das angeblich größte Weihnachtskaufhaus der Welt.
Wayne Bronner steht inmitten von Fichten und Tannen. Natürlich aus Plastik. Gegen ihr Grün sticht sein rotes Jackett farblich hervor. Klar, dass bei „Bronners Weihnachts-Wunderland“ sich alles ausschließlich um das Fest am 24. Dezember dreht. „Zwei Millionen Besucher kommen jährlich zu uns“, sagt der Kaufhaus-Chef, „mit 27 000 Besuchern am Tag aber ist im Dezember der Andrang am größten.“
Stille-Nacht-Kapelle in Originalgröße nachgebaut
Wer durch die Eingangstür des Kaufhauses kommt, sieht sich einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt an Weihnachtsartikeln gegenüber: Von Nikoläusen über Adventskalender bis zu lebensgroßen Stoffpuppen und ganzen Schlittengespannen. Der Renner sind Weihnachtskugeln, 40 000 Stück gehen pro Jahr über die Ladentheke. Und der Trend geht hin zur Personalisierung: Mit feinen Pinselstrichen malt eine Mitarbeiterin „Fröhliche Weihnachten“ und einen Namen auf die glänzende Oberfläche der Kugel. Allein die Vielfalt dieses Baumschmucks hat schon amerikanische Dimensionen: Weihnachtskugeln gibt es mit einem aufgemalten Panda-Bär oder mit dem Schriftzug „Ich liebe meinen

Labrador“ – wahlweise sind auch Dachshund, Husky, Chihuahua oder Pit Bull möglich. Und auch Basketbälle sind beliebt. Tatsächlich scheint es nichts zu geben, was sich ein amerikanischer Haushalt nicht an den Baum hängt: So bietet Bronners Katalog auch Kettensägen, Golftaschen, Budweiser-Bierdosen, Büffel oder den Sattel von John Wayne an. Ebenfalls nicht wegzudenken: grüne Gurke („bringt Glück“, Kuckucksuhr oder Bierhumpen. Man kann es aber auch in komprimierter Form haben: einen bayerischen „Santa Claus“ mit dem Humpen in der rechten und der Kuckucksuhr in der linken Hand.
Gegenüber dieser bunten und glitzernden Warenwelt ist die nahe Stille-Nacht-Kapelle geradezu ein ruhender Pol der Besinnung. In der amerikanischen Gemeinde steht der einzige Nachbau der Kapelle aus dem österreichischen Oberndorf an der Salzach, wo das Lied Stille Nacht, heilige Nacht zum ersten Mal erklungen sein soll. Erbaut in den 1930-er Jahren an der Stelle der ehemaligen Pfarrkirche, erinnert sie an das berühmte Weihnachtslied, das dort 1818 zum ersten Male aufgeführt wurde. Erdacht wurde es von Pfarrer Joseph Mohr und dem Komponisten Franz Xaver Gruber.
Der Nachbau der Oberndorfer Kapelle in Originalgröße in Frankenmuth ist detailgetreu mit achteckigem Grundriss und Glockentürmchen. Davor steht die Heilige Familie als Figurengruppe. Gusseiserne Laternen umgeben die Kapelle, an ihnen sind rote Schleifen angebracht. Anfang der 1990er Jahre hatte sich „Wally“ Bronner mit der Kapellen-Kopie einen Traum erfüllt – mit Erlaubnis der Oberndorfer.
Wer sich auf den Weg zum Inneren der Kapelle macht, begegnet Tafeln mit 300 Übersetzungen des Weihnachtsliedes. Und natürlich ertönt Stille Nacht, heilige Nacht – und schallt bis hinüber zum angrenzenden großräumigen Parkplatz. Dort grüßt ein überlebensgroßer Weihnachtsmann und Rentiere ziehen einen Schlitten. Das Lied selbst erklingt übrigens nicht nur in der Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über, auch im Hochsommer. „Manche finden das ein bisschen kitschig“, gibt die Gunzenhauserin Renate Herrmann zu – ähnliches gelte für die fränkisch-oberbayerischen Schindeln, Dirndl und Lederhosen. „Aber die Menschen begegnen einem dort mit Herzlichkeit und ich fühle mich wohl!“, betont sie.
Und immerhin: Betritt man den kleinen Raum der nachgebauten Still-Nacht-Kapelle, scheint tatsächlich etwas von dem Frieden des Originalortes auf den Besucher überzugehen. Denn hier ist es wirklich still.
(
Rudolf Stumberger)
Foto (Stumberger): Wayne Bronner sorgt in Frankenmuth für die Weihnachtsstimmung
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