Leben in Bayern

Bürgermeister Adalbert Martin (r.) und Jochen Damm, Geschäftsführer der Elektrizitätswerke Hindelang im Hintersteiner Tal bei Bad Hindelang. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

20.07.2015

Streit um geplantes Wasserkraftwerk im Allgäu

Bad Hindelang will ein Wasserkraftwerk in einem mehrfach geschützten Bereich errichten. Naturschützer laufen Sturm

Die Allgäuer Gemeinde Bad Hindelang verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: In nächster Zukunft will sie bei der Versorgung mit regenerativer Energie autark sein. Um das zu erreichen, setzt sie unter anderem auf die Kraft des Wassers und beabsichtigt, mit einer Planungsgesellschaft und unter Beteiligung der Bürger ein Wasserkraftwerk zu errichten. Doch das Projekt, das der Landrat bereits genehmigt hat, ist umstritten. Der Grund: Es liegt in einem mehrfach geschützten Bereich. Der Bund Naturschutz (BN) und der Landesbund für Vogelschutz haben deshalb Klage eingereicht.

"Energiegewinnung aus Wasser und Naturschutz sind für uns kein Widerspruch. Unsere naturverträgliche Planung wird dem Ökosystem absolut gerecht und gefährdet keine Schutzgüter", sagt Bad Hindelangs Bürgermeister Adalbert Martin. Auch das"Naturjuwel" Eisenbreche -eine tiefe Schlucht, um die sich die Naturschützer besonders sorgen -werde baulich nicht berührt.

"Unser oberstes Ziel ist, die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich zu halten. Wir würden uns doch sonst nur selbst schaden", sagt Martin, dem das Projekt am Herzen liegt. Bad Hindelang wolle damit seinen Beitrag zur Energiewende, zum Klimaschutz und Naturschutz leisten. Schließlich könne die Gemeinde durch die zusätzliche Wasserkraft pro Jahr etwa 4,5 Millionen Kilogramm CO2 einsparen.

Befürworter: "Die ganze Anlage ist wunderbar integriert in die Landschaft"

Das Wasserkraftwerk "Älpele" an der Ostrach im Hintersteiner Tal soll jährlich neun Millionen Kilowattstunden Strom produzieren. "Damit können 2700 Durchschnittshaushalte versorgt werden", sagt Jochen Damm, Geschäftsführer des Elektrizitätswerks Hindelang, das mit der Gemeinde und zwei Genossenschaften das Projekt verwirklichen will. Stromerzeugung aus Wasser hat in Bad Hindelang eine lange Tradition. 17 Wasserkraftanlagen gibt es in der 5000-Einwohner-Gemeinde bereits, teilweise in dem bestehenden Naturschutzgebiet. Eine wird von einem 1813 Meter hoch gelegenen Bergsee gespeist und versorgt mehrere Hütten und Alpen mit Strom.

Das Kraftwerk "Älpele" soll die bislang größte Anlage werden. Eine rund 1,5 Kilometer lange Rohrleitung, die einen Höhenunterschied von 100 Meter überwindet, soll dafür im Ostrachtal unterirdisch und durch einen Stollen verlegt werden. Oberhalb der Eisenbreche ist eine fünf Meter hohe Staumauer geplant, die den Wildbach etwa 100 Meter weit zurückstaut. Hinzu kommt ein Gebäude für drei Turbinen. "Die ganze Anlage ist wunderbar integriert in die Landschaft. Wer nicht bewusst danach sucht, wird von ihr nichts sehen und nichts hören", sagt Damm.

Gegner: "Massiver Eingriff in die Natur"

Den Naturschützern ist das Projekt dennoch ein Dorn im Auge. "Wir sind nicht grundsätzlich gegen die Wasserkraftnutzung. Aber es kann nicht sein, dass die Energiewirtschaft Vorrang hat vor dem Schutz unverbauter, wildfließender Gewässer", sagt Julia Wehnert, Geschäftsführerin der BN-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu. Das geplante Kraftwerk liege im Naturschutzgebiet, im Fauna-Flora-Habitat-Gebiet, im Vogelschutzgebiet und im Landschaftsschutzgebiet Allgäuer Hochalpen. Die Eisenbreche sei zudem ein ausgewiesenes Naturdenkmal. "Es gibt wohl kein Gebiet, das einen höheren Schutz hat - und ausgerechnet hier soll massiv in die Natur eingegriffen werden."

Durch den Bau des Kraftwerks würde der Ostrach und damit auch der Eisenbreche viel Wasser entzogen. Der Fluss verliere dadurch seine natürliche Dynamik, sagt Wehnert. Außerdem müssten am Wehr regelmäßig Schlammspülungen durchgeführt werden - auch dadurch büße die Ostrach Lebensraum für die wassergebundenen Arten ein. "Mit diesen ökologischen Auswirkungen können wir nicht leben."

Die Bedenken der Naturschützer, dass dem Bach zu viel Wasser entnommen wird, weist Damm zurück. "Die Restwassermenge ist so hoch bemessen, dass keine ökologischen Schäden entstehen. Das haben umfangreiche Gutachten bestätigt. Wenn die Ostrach nicht genug Wasser führt, läuft die Anlage nicht." Dies werde an etwa 140 Tagen im Jahr der Fall sein.

Der Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) hat den Antrag für das Wasserkraftwerk genehmigt. Die Naturschutzbehörde sah sich "aufgrund der aktuell geltenden Gesetzeslage" dazu nicht in der Lage, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Für Klotz hatte bei der Abwägung das öffentliche Interesse vor dem Hintergrund des Klimawandels höheres Gewicht. So würden die Ziele von Klimaschutz und Energiewende in diesem konkreten Einzelfall schwerer wiegen als der Schutz der Natur vor jeglichen Eingriffen in dem betroffenen Gebiet.

Ob das Kraftwerk gebaut wird, muss nun das Verwaltungsgericht Augsburg entscheiden. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest. ( Birgit Ellinger, dpa)

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