Leben in Bayern

Matthias Kreß ist Koordinator des Projektes "Bürgertelefon Asyl" im Rathaus von Schweinfurt. Rund 20 Anrufer nutzen täglich den Informationsservice. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand /dpa)

26.10.2015

Telefonieren für den sozialen Frieden

"Wissen ist bestes Mittel gegen Rassismus": Schweinfurt hat deshalb ein Bürgertelefon Asyl eingerichtet

"Wo kann ich Kleiderspenden abgeben?", "Wie viel Geld bekommen Asylbewerber eigentlich?", "Stimmt es, dass es immer mehr Diebstähle gibt, seit die Asylbewerber hier wohnen?" Solche und ähnliche Fragen hört Matthias Kreß seit mehr als einem Monat beinahe jeden Tag. Er koordiniert das von der Region Schweinfurt neu geschaffene "Bürgertelefon Asyl" und nimmt selbst viele der täglich bis zu 20 Anrufe entgegen.

"Die Anrufer bilden schon das Gesamtbild der aktuellen Meinung ab, die gerade in der Gesellschaft vorherrscht", sagt der 32-Jährige. Die meisten Anrufer aber wollen helfen. Sie bieten ihre Dienste als Hausmeister in Flüchtlingsunterkünften, wollen Kindern Deutschunterricht geben, haben Wohnraum zur Verfügung oder wollen den Flüchtlingen Selbstgenähtes vorbeibringen. 

Es gibt aber auch Momente, da sind andere Kompetenzen am Telefon gefragt. "Natürlich rufen auch viele Menschen mit kritischen Fragen, Sorgen, Ängsten und Vorurteilen an." Viele davon könnten er und seine Kollegen jedoch "durch fundierte Faktenlage entkräften".

Viele Sorgen und Ängste lassen sich mit Fakten entkräften

Dafür arbeitet die Stabsstelle "gerne daheim" eng mit der Polizei, dem Sozialamt und Hilfsorganisationen zusammen. "Wenn man sie argumentativ überzeugen und beruhigen konnte, gibt einem das schon das Gefühl, etwas Gutes getan und geholfen zu haben", sagte Kreß, der mit zwei Teilzeitkräften und Ehrenamtlichen das Bürgertelefon Asyl aufrecht erhält. Hin und wieder beschweren sich Anrufer auch einfach über die politische Lage oder Ausländer im Allgemeinen.  "Es gibt dann durchaus Situationen, da beenden wir das Gespräch mit dem Hinweis, dass wir zu dem Thema unterschiedliche Meinungen haben."

Auch gezielt in sozialen Netzwerken wie Facebook gestreute Gerüchte sind immer wieder Grund für Anrufe. Am häufigsten seien dann die Fragen nach Straftaten von Flüchtlingen. "Da gibt es Gerüchte, die immer wieder aufpoppen." Zum Beispiel, dass Diebstähle von Flüchtlingen nicht angezeigt würden und die Stadt für den Schaden aufkomme. "Das können wir einfach als Gerücht entlarven." Zuletzt wurde zudem im Internet hartnäckig behauptet, eine Gruppe Syrer soll eine 17-Jährige in Schweinfurt vergewaltigt haben. Alles erfunden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung.

Das Bürgertelefon Asyl ist für Stadt und Landkreis ein wichtiges Stimmungsbarometer. "Es zeigt, wo Aufklärungsbedarf besteht", sagte Stadtsprecher Nicolas Lahovnik. So veröffentliche die Stadt bei vermehrten Nachfragen noch einmal alle Sammelstellen für Altkleider oder gebe noch einmal bekannt, dass die Asylbewerber von den Behörden nicht mit Markenklamotten, Handys oder 500 Euro ausgestattet werden. Das Bürgertelefon sei zudem ein wichtiger Baustein bei der Aufklärung der Öffentlichkeit zum Thema Asyl. "Wissen und Erkenntnis sind die besten Mittel gegen das Kippen einer Stimmung und gegen Rassismus." (dpa)

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