Leben in Bayern

Die zehnjährige Daya ist auf dem kleinen Monitor eines LKWs zu sehen, der den toten Winkel des Wagens überwachen soll. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

04.07.2018

Toter Winkel: Schulhof-Übungen sollen schwere Unfälle verhindern

Mit dem Rad, zu Fuß, alleine oder in der Gruppe: Jeder Schulweg ist anders. Vielfältig sind auch die Gefahren, die im Straßenverkehr lauern. Eine davon: der tote Winkel. Immer wieder gibt es Tote

Montagmorgen, Anfang Mai, eine neunjährige Radfahrerin wartet auf dem Weg zur Schule an einer Kreuzung in München auf Grün. Als sie losfährt, biegt ein Lastwagen ab. Der Fahrer erkennt das Mädchen im toten Winkel rechts hinter dem Fahrzeug nicht, überfährt es. Das Kind stirbt. Von diesem Fall erzählt Polizist Michael Reisch und blickt auf den Schulhof der Regina-Ullmann-Grundschule in München. Hinter ihm steht ein weiß-grüner Laster der Verkehrspolizei München. Der ist einer von 13, mit denen die Beamten in der Landeshauptstadt von Schulhof zu Schulhof fahren, um auf die Gefahren im Straßenverkehr aufmerksam zu machen.

Auf dem Schulhof der Grundschule im Münchner Nordosten ist durchgehend das Rauschen des dichten Verkehrs zu hören, der jenseits der Hecke vorbeifließt. Jedes Auto und jeder Lastwagen kann für die Schüler gefährlich werden. Viertklässler Raphael hat die Gefahren des toten Winkels schon selbst erlebt: Beinahe wäre er mal mit seiner Oma und seinem Cousin unter dem Anhänger eines rechtsabbiegenden Lastwagens geraten.

Polizist Reisch hat nur einen Tag zuvor einen ähnlichen Unfall aufgenommen: Das Fahrrad einer älteren Frau geriet unter den Auflieger eines abbiegenden Lastwagens. Die Radfahrerin wurde dabei leicht verletzt. Zu oft aber endet genau diese Situation tödlich: Jeder dritte tödliche Radunfall geht darauf zurück. Drei solcher Fälle gab es im vergangenen Jahr allein in München, wie Reisch berichtet.

Jeder dieser Unfälle ist traumatisch - für Angehörige, Zeugen, Ersthelfer und Einsatzkräfte. Das weiß auch Carsten Reinkemeyer, Ingenieur bei der Allianz. Die Versicherung katalogisiert die Unfälle. Der Fall der toten Neunjährigen ist für sie ein klassischer Unfalltyp 243: Lkw-Fahrer können nicht dauerhaft alle Spiegel checken - und einzelne Bereiche rund um das Gefährt bleiben uneinsehbar. Die Allianz sieht Handlungsbedarf - und produzierte mit der Polizei einen Erklärfilm für Kinder zum Thema toter Winkel mit Verhaltenstipps im Straßenverkehr.

Die Kinder dürfen auf den Fahrersitz eines LKWs

Die Beamten haben schließlich Erfahrung in der Verkehrserziehung der Schüler. Und die Aufmerksamkeit der Kinder ist ihnen dabei sicher - nicht nur wegen der Uniformen und des Blaulichts. Sondern auch wegen der Aussicht darauf, auf dem Fahrersitz eines mächtigen Lastwagens Platz zu nehmen. Die Kinder könnten viel lernen, wenn sie einmal die Perspektive des Lastwagenfahrers einnehmen, erklärt Karin Habermann, Lehrerin der vierten Klasse der Grundschule. Ihre Klasse durfte eine solche Schulung mitmachen. Viele Kinder hätten mit dem Begriff toter Winkel zuvor nichts anfangen können, das sei für Neun- oder Zehnjährige zu abstrakt. Wenn die Schüler dann aber Platz nehmen im Führerhaus und im Spiegel plötzlich eine ganze Schulklasse nicht zu sehen ist, obwohl die nur zwei Meter entfernt steht, habe das große Lerneffekte.

So auch bei Viktoria. Die Zehnjährige kann dank des Fahrsicherheitstrainings und des Präventionsfilms genau aufsagen, worauf sie als Fußgängerin und Radfahrerin achten muss: "Schulterblick, Blickkontakt mit dem Fahrer, auf ein deutliches Handzeichen warten - sonst lieber stehen bleiben", fasst sie zusammen. Ihre Klassenkameradin Daya führt es vor. Energisch schließt sie den Gurt ihres Fahrradhelms und fährt auf den Laster der Polizei auf dem Verkehrsübungsplatz zu, in dessen Führerhaus mittlerweile ein Polizist Platz genommen hat. Der Motor brummt, das Mädchen nähert sich dem Lastwagen auf der rechten Seite. Genau so, wie sie es draußen jenseits der Hecke auf einem Fahrradweg auch tun würde.

Der rechte Blinker des Lasters springt an. Daya bremst ab, bleibt auf Höhe des Führerhauses stehen. Sie sieht über die Schulter, trifft den Blick des Polizisten im Außenspiegel. Auch wenn das Szenario nur zur Übung dient: Die Gefahr, die von dem massiven, tonnenschweren Gefährt für die zierliche Zehnjährige ausgeht, ist real. Dann tritt Daya wieder in die Pedale. Der Lkw bleibt natürlich stehen, das Mädchen fährt unbehelligt davon. Alle Zuschauer am Rande des Verkehrsübungsplatzes hoffen, dass das draußen auf der Straße auch so sein wird.
(dpa)

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