Dädalus und Ikarus waren die ersten Menschen, die den Traum vom Fliegen wahr werden ließen. So heißt es jedenfalls in der griechischen Mythologie. Seit den 1960er-Jahren versuchten Enthusiasten das Problem mithilfe von Technik zu lösen und entwickelten Fluganzüge, mit denen ein Mann in die Luft gehen konnte. Seit ein paar Jahren ist auch der Münchner Ingenieur Konstantin Landuris mit dabei. Er setzt auf acht sogenannte Impeller, die elektrisch betrieben werden und ihm zum Flug verhelfen sollen.
Ein Spätnachmittag in der ehemaligen Eissporthalle im Münchner Olympiapark. Das Gebäude steht derzeit leer, seit der Eissport in die neue Halle am anderen Ende des Parks umgezogen ist.
Und dort, wo früher der Puck geschoben wurde und die Schlittschuhe flitzten, tun sich heute seltsame Dinge. Da ist zunächst ein sehr futuristisch aussehendes Auto, das in die Arena fährt und schließlich mit hochgeklappten Flügeltüren geparkt wird. Und da ist ein schlanker Mann, der gerade in einen silberfarbenen Anzug schlüpft – beziehungsweise steigt. Um ihn herum befinden sich einige Helferinnen und Helfer, die Kisten mit Ausrüstung auspacken. Auch Schaulustige sind gekommen.
Das Auto aus dem Film „Zurück in die Zukunft“ ist immer dabei
Und in der Mitte der Halle steht eine seltsam aussehende Apparatur: Auf einem Gestell sind acht große, schwarze Antriebsmodule angebracht – sogenannte Impeller, eigentlich so etwas wie ummantelte Propeller.
Das ist das Gerät, in das Konstantin Landuris seine Hoffnung setzt. „Ich könnte mir vorstellen, dass ein derartiges Fluggerät später von der Feuerwehr oder bei technischen Prüfungen eingesetzt wird“, sagt der 45-jährige Diplom-Ingenieur.
Ach ja, und was hat es mit dem Auto auf sich? „Das ist ein DeLorean DMC-12, das berühmte Auto aus dem Kinofilm Zurück in die Zukunft“, erklärt Landuris. Er hat das Gefährt preisgünstig in den USA im Internet erstanden und nach Europa gebracht. Jetzt ist es wie ein Maskottchen bei seinen Testflügen immer dabei.
Und wie kommt der Ingenieur auf den Gedanken, mit einem Fluganzug in die Luft zu gehen? Um diese Frage zu klären, besucht man den Münchner am besten in seinem Büro am Ende der Leopoldstraße im Norden der Landeshauptstadt. Dort tüftelt Landuris an seinen kreativen Ideen, zwischen Werkzeugen, Computer, Nähmaschine, Lötkolben und Ersatzteilen für seinen Fluganzug.
Konstantin Landuris hat schon ein paar berufliche Stationen in seinem Leben hinter sich gebracht. Da war die Ausbildung zum Außenhandelskaufmann, dann das Studium der Innenarchitektur an der Münchner Kunstakademie. Auch beim Film war er tätig und arbeitete ein Jahr als Produktionsassistent in New York. Zusammen mit Kollegen unternahm er künstlerische Aktionen wie das Projekt Riesenballon. Dieser wurde in der Nähe des Pariser Eiffelturms als Kunstobjekt aufgeblasen und sah wie ein riesiges Segel am Himmel aus.
Der Elektroantrieb ist das eigentlich Neue an dem Modell
Heute produziert Landuris neben anderen Aktivitäten auch Animationsfilme – etwa für eine Crashtest-Anlage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Oder für das Projekt eines „Spaceliners“: Die Passagierrakete soll ab den 2050er-Jahren im erdnahen Raum Transporte ermöglichen.
Und da ist natürlich noch das Projekt Fluganzug, das vom bayerischen Wirtschaftsministerium immerhin mit 550 000 Euro gefördert wird. Das Neue an Landuris’ Idee ist die Nutzung von Elektroenergie als Antrieb.
Das unterscheidet seinen Fluganzug von dem in den 1960er-Jahren konstruierten Jetpack (übersetzt: Raketenrucksack), der in den USA für das Militär entwickelt wurde. Er funktionierte nach dem Rückstoßprinzip, wobei überhitzter Dampf über zwei Düsen geleitet wird. Der Popstar Michael Jackson flog Anfang der 1990er-Jahre bei den Konzerten seiner Dangerous World Tour damit davon – oder besser gesagt, der dafür engagierte Stuntman.
Seit 2016 hebt auch der britische Erfinder Richard Browning mit seinem Jet-Anzug ab. Die Turbinen werden mit Kerosin angetrieben.
„Ein Elektroantrieb ist aber viel leiser“, sagt dazu Tüftler Konstantin Landuris, „so könnte man auch in der Stadt damit arbeiten.“ Jeder der dafür notwendigen Impeller wiegt 2 Kilogramm, sie stammen aus der Welt des Modellbaus. Momentan arbeitet Landuris in seiner Werkstatt an der Entwicklung eines Exoskeletts für seinen Fluganzug, eine Stützstruktur.
Doch zurück in die alte Eissporthalle. Dort legt Landuris in seinem feuerfesten Anzug jetzt die Batteriestangen in einen Gürtel, den er dann umschnallen wird. Wer weiß, wie gefährlich es ist, wenn sich Batterien entzünden, versteht auch, warum der Anzug feuerfest sein muss. So mit etlichen Kilogramm zusätzlich angetan, geht der Ingenieur jetzt hinüber zum Gestell mit den Motoren und nimmt diese auf seine Schulter.
Einige Helfer sind um ihn herum und verkabeln jetzt die Impeller mit den Batterien, in den Händen hält Landuris die Steuerungselemente.
Zwei der Helfer machen sich an einem Stahlseil zu schaffen, das von der Decke hängt, Landuris wird damit angegurtet. Für den Fall der Fälle, dass die Motoren in der Luft plötzlich aussetzen und er zu Boden stürzt.
Und dann geht es wirklich los. Der Ingenieur drückt seine Regler und die Umstehenden spüren den gewaltigen Auftrieb, den die Motoren erzeugen. Unter einem hohen Summen schwebt Landuris dann tatsächlich nach oben in die Luft, schwankt ein paar Mal hin und her, landet schließlich wieder sicher auf dem Boden. Das Ganze wiederholt er dreimal.
Ein Einsatz für Rettungskräfte wäre denkbar
Die Versuche zeigen: Es ist möglich, mit den elektrisch betriebenen Impellern einen Auftrieb von mehr als 130 Kilogramm zu erzeugen. Momentan funktioniert das nur einige Sekunden lang, aber mit verbesserten Batterien und einem leichteren Gestell soll die Flugzeit künftig länger werden. So wäre auch ein serienmäßiger Einsatz denkbar, etwa fürs Technische Hilfswerk. Zum Beispiel in Gefahrensituationen, in denen normale Fahrzeuge an ihre Grenzen kommen.
Jetzt aber ist Konstantin Landuris wieder sicher auf dem Boden gelandet, nimmt seinen Schutzhelm ab und ist erleichtert, dass er nicht wie Ikarus abgestürzt ist. (Rudolf Stumberger)
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