Leben in Bayern

Antonia von Romatowski (als Angela Merkel) tritt beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg beim Singspiel auf. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

04.03.2023

Und dann kam Merkel

Nach vier Jahren hat am Freitagabend wieder ein Derblecken am Nockherberg stattgefunden. Die Fastenrede von Maxi Schafroth hat einen ganz besonderen Moment. Auch das Singspiel begeistert das Publikum – mit einem Überraschungsgast

Vier Jahre ist es her, dass zum letzten Mal ein richtiges Politiker-Derblecken am Nockherberg stattgefunden hat. Seitdem ist viel passiert: die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und die Inflation. Zum großen Verdruss konservativer Kreise kam dann auch noch im Bund die Ampel an die Macht, und auf einmal kamen überall überwiegend junge Menschen auf die Idee, sich aus Protest auf der Straße festzukleben. Stoff genug also für die neueste Auflage der Salvatorprobe, die an diesem Freitagabend stattfand und sehr unterhaltsam war.

Als satirisches Entree diente die Fastenrede von Maxi Schafroth (kleines Foto). Es war eine gelungene Rede. Richtig bissig, gleichzeitig witzig und zum Schluss bewegend. Nicht nur Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befand in der anschließenden Diskussionsrunde: „Das war der beste Schafroth, den wir je hatten.“

Die bayerische Präventivhaft für die Klimakleber*innen („Wenn wir unsere Klimaziele so schnell umsetzen würde, wie wir verhaften, dann müssten wir nicht mehr verhaften“) fand ebenso Erwähnung wie die Wohnungspolitik des Ministerpräsidenten: „Der Robert (der Grüne-Bundeswirtschaftsminister Habeck, Anm. d. Red.) baut in 90 Tagen ein LNG-Terminal. Du, Markus, in vier Jahren keine einzige Wohnung.“

Schafroth nahm auch Energie- und Verkehrspolitik der Staatsregierung auseinander. Er stellte dann aber fest, dass von der Opposition zu wenig für eine Wachablösung kommt. Lange beschäftigte sich Schafroth auch mit dem stellvertretenden Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler), dem "digitalen Rumpelstilzchen“. Er erwähnte Aiwangers Twitter-Tirade zur Freigabe von Insekten als Nahrungsmittel: „Ich glaube, wenn die EU den Verzehr der Hausgrille verboten hätte, dann wärst du der Erste, der getwittert hätte: Ich loss mir von der EU nicht verbieten, eine Hausgrille zu essen!“ Brüllen im Saal. 

Es wird ganz still im Saal

Zum Schluss wurde Schafroth dann ernst: Er erinnerte an die Menschen in der Ukraine und dass einem gar nicht bewusst sei, wie man hier leben dürfe. Er sei dankbar, dass er in einem System lebe, in dem es möglich ist, frei zu sprechen. Und wer das Glück dieser Freiheit nicht zu schätzen wisse, denen sage er: „Macht Platz für Leute, die zu uns wollen und an der Freiheit teilhaben möchten.“

Schafroth hatte den Satz, bei dem es ganz still im Saal war, gerade beendet, da stand eine Person nach der anderen auf, bis so gut wie alle standen und langanhaltend applaudierten. Ein außergewöhnlicher Moment — vor allem, da die Rede noch gar nicht zu Ende war.

Eine nicht ganz so einsame Insel

Mit großer Spannung war auch das von Stefan Betz und Richard Oehmann inszenierte Singspiel erwartet worden. Schließlich gab es etliche neue Darsteller*innen, mit Thomas Unger an der Spitze als neues Söder-Double. Er löste Stephan Zinner ab, der Söder 15 Jahre lang verkörpert hatte.

Das Szenario lautete: gestrandet auf einer einsamen Insel. Dort landeten nämlich Söder, sein extrem ergebener CSU-Generalsekretär Martin Huber (Roland Schreglmann) und Aiwanger (Stefan Murr). Ihr Versuch, bei einem Schurkenstaat Gas zu erbetteln, endete schon auf dem Weg dorthin. Das Flugzeug stürzte ab, weil kein Treibstoff mehr da war.

Mit im Flieger befanden sich Bundeskanzler Olaf Scholz (Nikola Norgauer), Vizekanzler Habeck (Thomas Limpinsel) und FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner (Christian Pfeil). Und natürlich lieferte sich die Männer-Runde fortan einen Wettstreit nach dem anderen. Ein Höhepunkt des abwechslungsreichen Singspiels: das Autotune-Rap-Battle zwischen Habeck und Lindner („Ich halte viel, viel mehr aus als wie du“), für das es frenetischen Applaus gab.

Aber natürlich drehten sich die meisten Konflikte um die Auseinandersetzung des freien Südens mit dem Ampelnorden. Das Endergebnis lautet 4:0 für Bayern, aus Söders wie immer selbstbewusster Sicht. Doch damit war die Zweckgemeinschaft natürlich noch längst nicht wieder runter von der Insel. Auch etwas zu essen konnte niemand organisieren.

Der einzige Fang entpuppte sich als Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze (Sina Reiß), die heimlich mitgereist war und prompt verspeist werden sollte. Schulze beschwerte sich: „Ihr wollt die Opposition aufessen!“ Daraufhin erwiderte Aiwanger: „Als Jäger will ich nix verkommen lassen.“ Nachdem sich Schulze vehement gewehrt und mit einem Lied über die männerdominierte „Pimmel-Politik“ die anderen beschämt hatte, änderte Aiwanger seinen Plan: „Ich gehe jetzt mal fischen, am rechten Rand.“ Dabei sollte er allerdings erst einen Arm und dann auch noch ein Bein verlieren.

Auch der Kanzler kam sehr gut an. In einem Medley kalauerte man sich an seinem Namen orientierend durch die Musikgeschichte und fand unter anderem: „All you need is Olaf“.

Alle raufen sich zusammen

Als plötzlich auch noch die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (Antonia von Romatowski) vorbeiruderte, war der Jubel im Publikum groß. Was sie den Gestrandeten mitteilte, gefiel diesen allerdings nicht: Sie waren alle schon ersetzt worden. „Karl Lauterbach ist jetzt Kanzler und alle tragen wieder Maske“, sagte Merkel. Ilse Aigner sei Ministerpräsidentin und Manfred Weber neuer CSU-Vorsitzender.

Kurz danach kam auch noch CDU-Chef Friedrich Merz (David Zimmerschied) ums Eck. Und am Ende raufen sich alle zusammen, als ihnen die Bedrohung in Form einer Reichsbürgerin (Gisela Schneeberger) gegenübersteht. So groß die Unterschiede sein mögen, irgendwie funktioniert es dann ja doch. „Ein Hoch dem Durcheinander“, singen sie. Von der Insel kommen sie schließlich, weil sich Münchens OB Dieter Reiter (SPD, Gerhard Wittmann) mal wieder verbuddelt hat.

Fazit: Ein sehr guter Neustart, der schon Lust auf das nächste Jahr macht. Das Singspiel-Team hat mit großer Freude die Inszenierung auf die Bühne gebracht, Die neuen Darsteller, allen voran Thomas Unger, haben auch gezündet. Nur etwas mehr bundespolitische Prominenz wäre im Publikum nicht schlecht gewesen. Außer Ricarda Lang (Grüne) und Dietmar Bartsch (Linke) war da nicht viel vorhanden. Man hätte schon gerne gesehen, wie die echten Politiker auf ihre Bühnenfiguren reagieren. (Thorsten Stark)

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