Die Bahn in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren den zweifelhaften Ruf erarbeitet, in der Horizontalen nicht die pünktlichste zu sein, sprich dass es öfter Verspätungen der Züge gibt. Doch Probleme gibt es auch in der Vertikalen. Gemeint sind damit die Rolltreppen und Aufzüge, mit denen die Bahnkunden überhaupt erst zu den Zügen gelangen. Streiken diese Höhenfördertechnik-Anlagen, wie es im Fachjargon heißt, dann haben vor allem Menschen mit Behinderungen, aber auch Reisende mit schweren Koffern ein Problem.
Ein Samstagnachmittag am Münchner Hauptbahnhof. Wer mit der S-Bahn hier ankommt, und das sind viele, gelangt zunächst mit der Rolltreppe in das Sperrengeschoss mit seinen Läden, das oberhalb der S-Bahn-Gleise liegt. Wer von hier aus zu den Fernzügen im Bahnhof gelangen will, muss erneut ein Geschoss überwinden. Die Situation an der Haupttreppe zum Bahnhof stellt sich an diesem Tag wie folgt dar: Links hat sich vor der Rolltreppe, die nach oben führt, eine kleine Schlange gebildet. Auf der Treppe in der Mitte herrscht reger Verkehr, Menschen steigen auf und ab. Etliche haben sichtbar Mühe, ihre Koffer und sonstigen Gepäckstücke nach unten zu transportieren, manche lassen die Koffer von Stufe zu Stufe nach unten plumpsen.
„Sakrament“ schimpft ein älterer Herr
Gleiches gilt für Kinderwagen. „Sakrament“, schimpft ein älterer Herr, der sich am Geländer festhaltend mühsam nach unten angelt. Der Grund für diesen Ärger ist auf der rechten Seite der Szenerie zu sehen: Ein weißes Tuch verdeckt den Zugang zur Rolltreppe, die nach unten führen könnte. Ein Blick hinter das Tuch macht deutlich, was Sache ist: Die Treppenstufen der Rolltreppe sind verschwunden, diese Höhenfördertechnik-Anlage wird offensichtlich repariert. Und das schon so lange, dass daraus „ein überregional bekannter Problemfall“ geworden ist, wie die Presse schreibt. Denn schon vor Monaten hat die Rolltreppe ihren Geist aufgegeben und steht seitdem still.
Das alles liegt daran, dass wegen Verschleiß die Stufenkette erneuert werden müsse, so die Deutsche Bahn (DB). Wer wissen will, was so eine Stufenkette genau ist, kann sich im Internet die entsprechenden Informationen suchen. „Rolltreppen-Stufenketten sind aus mehreren Gliedern bestehende Kettensysteme, die auf Rolltreppen montiert werden. Sie dienen der Verbindung und dem Antrieb der Stufen und ermöglichen den Fahrgästen den Auf- und Abstieg entlang der Rolltreppenschienen“, ist da auf einschlägigen Webseiten zu lesen. Klar ist: Diese Ketten sind entscheidende Komponenten für den sicheren und reibungslosen Betrieb von Rolltreppen, ohne sie geht gar nichts.
Nachfrage bei der DB zum Thema kaputte Rolltreppe. „Die Stufenkette ist leider nicht vorrätig und musste über einen Hersteller – es handelt sich um einen deutschen Hersteller, der Stufenketten fertigt – bestellt werden“, so eine Sprecherin. Man hätte für diese Art Fahrtreppen bereits ein Ersatzteillager aufgebaut – mit den gängigen Ersatzteilen, die öfter getauscht werden müssen. Inzwischen liege die Stufenkette vor. Einige Ersatzteile dazu mussten aus dem Ausland besorgt werden, eines auch aus China. Wie geht es nun weiter im Bahnhofuntergeschoss? „Sobald die Einbauarbeiten abgeschlossen sind, läuft die Rolltreppe wieder“, so die Auskunft der Bahnsprecherin. Wann das genau sein wird, darauf aber wolle sie sich nicht festlegen. Man hat aber aus dem Fall gelernt: „Aufgrund der derzeitigen Erfahrungen mit Lieferzeiten stocken wir unser Ersatzteillager für die Anlage noch weiter auf. Wir bedauern, dass die Rolltreppe den Fahrgästen so lange nicht zur Verfügung stand.“
Aufzug ist schon länger außer Betrieb
Szenenwechsel zum Problemfall Bahnhof Laim. Eine Szene am Montagmorgen: Ein Mann mit Koffer hastet zum Aufzug, um zu den S-Bahn-Gleisen zu gelangen. Doch Fehlanzeige, der Aufzug ist außer Betrieb, seit Längerem schon. In den S-Bahnen wird darauf hingewiesen, dass es am Bahnhof Laim keinen barrierefreien Zugang gebe. Der Grund ist der Um- und Neubau des Bahnhofs wegen der zweiten Stammstrecke der S-Bahn. Auch hierzu nachgefragt bei der Bahn: „Der Rohbau für den Aufzug in Laim ist bereits fertiggestellt und am Bahnsteig A sichtbar. Wir nehmen ihn Ende des Jahres in Betrieb“, so die Sprecherin. Mobilitätseingeschränkten Reisenden empfiehlt die DB, für einen barrierefreien Zugang zur S-Bahn auf die Stationen Pasing und Hirschgarten auszuweichen, die mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. So würden die Buslinien 130 und 157 die Stationen Laim und Pasing direkt miteinander verbinden und auch mit dem Bus 57 und der Tram 19 gelangten Fahrgäste aus dem Bereich Laim von und zum Pasinger Bahnhof. Der Hirschgarten sei mit der Buslinie 62 angebunden, die beispielsweise am Rotkreuzplatz und an der Westendstraße Umsteigemöglichkeiten zur U-Bahn biete.
Insgesamt betreibt die Bahn im S-Bahn-Bereich München 132 Höhenfördertechnik-Anlagen. Vergangenes Jahr habe die Verfügbarkeit dieser Aufzüge und Rolltreppen bei 96,3 Prozent gelegen, so die Auskunft der DB. Bedauert wird der Ausfall von Aufzügen und Rolltreppen vor allem von Menschen mit Behinderungen. So waren fehlende vertikale Transportmöglichkeiten bei der Bahn (und dem MVV) auch jüngst Thema im Behindertenbeirat der Stadt. Kritisiert wurde dabei vor allem die nach Sicht des Beirats ungenügende Information über kaputte Anlagen. (Rudolf Stumberger)
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