Leben in Bayern

Was tun mit dem Brief vom Amt? Wenn ältere Menschen ihrer Post nicht mehr Herr werden, können sie Hilfe von sogenannten Postpaten und Postpatinnen in Anspruch nehmen. In München gibt es ein flächendeckendes Angebot der Sozialverbände. (Foto: dpa/Christin Klose)

17.04.2025

Wenn jeder Brief zum großen Problem wird

Für alte Menschen, die Schwierigkeiten mit der Erledigung ihrer Korrespondenz haben, können ehrenamtliche Postpaten einspringen – auch in München

Wenn der Postmann zweimal klingelt war ein amerikanischer Spielfilm von Anfang der 1980er-Jahre. Darin ging es um eine heiße, verhängnisvolle Liebesgeschichte. Wenn die Postpatin bei ihren Klienten zweimal klingelt, geht es um meist trockene Verwaltungsaufgaben, mit denen Verhängnisse eher abgewehrt werden.

Wo ist der Unterschied zwischen einer Postbotin und einer Postpatin? Aufklärung bringt ein Treffen mit Elisabeth Träder, die 73-Jährige ist ehrenamtlich als Postpatin tätig. Warum macht sie das? „Weil ich gerne helfe“, so die Antwort.

Ein Haus mit Sozialwohnungen im Münchner Stadtteil Neuhausen. Elisabeth Träder hat einen Doktortitel in Sprachwissenschaften, hat eine zeitlang an der Universität gearbeitet und war dann lange Jahre in der Verwaltung von großen Organisationen tätig. In der linken Hand trägt sie einen Stoffbeutel mit einem Aktenordner darin und mit der rechten Hand klingelt sie bei einem Namensschild. Oben, im ersten Stock, öffnet Jasenka M. die Tür und freut sich sichtlich, dass sie Besuch bekommt.

Alle zwei Wochen die Post sortieren

„Wir treffen uns alle zwei Wochen, jeweils am Mittwoch“, erklärt Elisabeth Träder, und sie ist hier, weil sie als Postpatin helfen will. Das macht sie nun schon seit sechs Jahren und hat so bisher elf Menschen betreut und ihnen geholfen, ihre Post zu sortieren und anstehenden Briefverkehr oder Anrufe etwa bei Behörden zu machen. Jetzt sitzt sie auf dem Sofa von Jasenka und öffnet einen der Briefe. Es ist eine gute Nachricht, das beantragte Wohngeld wurde bewilligt. „Das ist schön“, sagt Jasenka, „jetzt kann ich mir ein bisschen mehr leisten“.

Dass die 75-Jährige mit einer kleinen Rente auskommen muss, macht ein Blick in die zwei Zimmer der Sozialwohnung deutlich. In dem einen Raum ist die Küche, in dem anderen stehen Bett und Sofa. Dabei hat Jasenka ihr Leben lang gearbeitet. Vor 50 Jahren ist sie aus Kroatien ausgewandert, der Arbeit wegen. Zuerst ging sie in die Schweiz, arbeitete dort als Hilfskraft bei einem Schokoladenhersteller. Wegen der Sprachbarriere fand sie keinen Job in ihrem eigentlichen Beruf, sie hatte Stenotypistin gelernt. Mit 29 Jahren kam sie dann nach München, arbeitete als ungelernte Arbeiterin bei Siemens in der Spätschicht.

Seit sieben Jahren wohnt sie nun schon hier in Neuhausen, die frühere Wohnung lag in Sendling, dort war immer der Lift kaputt. Sie tut sich schwer mit dem Gehen, geht nur langsam.

Auf dem Nachttisch steht ein Foto von ihrem Lebensgefährten, er ist verstorben. Das Problem: Sie lebte mit ihm zusammen in dieser Sozialwohnung, stand aber nicht im Mietvertrag. Das war eines der Probleme, um die sich Elisabeth Träder kümmerte. Ein Rechtsanwalt wurde eingeschaltet, der Zeugen dafür brachte, dass Jasenka all die Jahre hier auch gelebt hatte. Schließlich mündete alles in einer „Sonderrechtsnachfolge“, wie der juristische Fachbegriff heißt, sie konnte wohnen bleiben.

Steckten früher die Briefe und amtlichen Schreiben bei Jasenka in zwei Plastiktüten, hat sie die Postpatin jetzt auf mehrere Aktenordner aufgeteilt und thematisch eingeordnet: nach Themen wie Wohnung, Rente, Miete. Das ist die Hauptaufgabe der Patin: Ordnung schaffen.

Sozialverbände bieten Patenschaft seit 2018 an

Das hat Elisabeth Träder lange Jahre beruflich gemacht und setzt ihr Können nun für Senioren ein: „Ich hatte früher keine Zeit für ein soziales Engagement und möchte das nun nachholen.“ So hat die Postpatin ihren Klientinnen und Klienten geholfen, Ordnung zu schaffen. Der ehemaligen Montessori-Lehrerin hat sie Ordner für Steuer, Wohnung, Vermögen angelegt, dem 87-Jährigen, dessen Frau gestorben war, die Ablage der vergangenen zehn Jahre erledigt. Wie es für sie selbstverständlich ist, hat sie ihre bisherigen Klienten schön übersichtlich in einer Excel-Tabelle aufgeführt.

Die ehemalige Verwaltungsfachfrau übt ihr Ehrenamt natürlich nicht auf eigene Faust aus, im Hintergrund steht die „Beratungsstelle für ältere Menschen und Angehörige“ des Roten Kreuzes in München. Dort arbeitet Markus Brucker, und er erzählt, was es mit den Postpaten auf sich hat. Er betreut 18 dieser Patinnen und Paten, die sich wiederum um 35 ältere Menschen kümmern. Diese Patenschaften gibt es seit 2018.

Und das Rote Kreuz ist nur einer von mehreren Trägern. Auch bei der Caritas, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband oder der Diakonie gibt es die Postpatenschaft, die Organisationen haben die Stadt nach Vierteln unter sich aufgeteilt.

Und ja, es gibt genügend Menschen, die helfen wollen: „Wir hatten noch nie Schwierigkeiten gehabt, Ehrenamtliche zu finden“, sagt Markus Brucker. Für diejenigen, die sich als Postpate berufen fühlen, gibt es eine Fortbildung. An fünf Abenden werden die Teilnehmer in Sachen Sozialsystem, Altenhilfe, Umgang mit älteren Menschen oder Sachfragen wie Wohngeld geschult.

„Man lernt dabei auch, was man nicht tun soll“, erinnert sich Elisabeth Träder. Zum Beispiel Einkaufen gehen oder den Müll für die Klienten runtertragen. Und die Patenschaft soll auch nicht unbedingt in eine Freundschaft münden, was natürlich möglich ist. „Es besteht die Gefahr, dass es ein zu enges Verhältnis wird“, so ihre Erfahrung.

Müll runterbringen gehört nicht zu den Aufgaben

Zurück zu Jasenka. Hier will Elisabeth Träder noch einen Brief nach Kroatien schreiben, an eine Bank. Denn ihre Klientin hatte dort als junge Frau ein Sparbuch, jetzt will sie wissen, ob es das noch gibt. Und noch etwas haben die beiden vor: Sie wollen ein Fotoalbum mit den Bildern aus dem Leben von Jasenka anlegen. (Rudolf Stumberger)
 

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