Leben in Bayern

Eine Woche lang konnten Jugendliche bei der U18-Wahl in Bayern ihre Stimme abgeben. (Foto: Stark)

14.02.2025

Wo Jugendliche ihr Kreuz machen

Im Umfeld fast jeder Wahl veranstaltet der Bayerische Jugendring eine U18-Wahl – bei der Landtagswahl lagen bei den jungen Leuten CSU und AfD vorn

Hannah Mader (kleines Foto) hatte sich schon gefreut: Im August wird die Münchnerin 18, zur Bundestagswahl im September hätte sie dementsprechend wählen dürfen. „Ja, hätte“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. Denn nach dem Scheitern der Ampel-Koalition gibt es vorgezogene Wahlen – und bei denen darf Hannah Mader noch nicht wählen. Sie ist ja noch nicht volljährig.

Es ist Mittwochabend, eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl. Die Schülerin ist ins Münchner Haus der Schüler*innen gekommen. Der Name des von einem Verein getragenen Jugendtreffs an der Brienner Straße lässt schon erahnen, welche politische Richtung hier mehrheitlich vertreten ist: links. 

Hannah wird hier heute zwei Kreuze machen, eins bei der Erststimme, eins bei der Zweitstimme. Der Jugendtreff ist nämlich eines von 560 Wahllokalen der U18-Wahl vom 10. bis zum 14. Februar. In ganz Bayern haben sich Jugendzentren und Schulen dafür angemeldet. Veranstalter ist der Bayerische Jugendring (BJR). Die U18-Wahl gibt Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich über die Positionen der einzelnen Parteien zu informieren und sich in der Praxis mit dem Ablauf einer Wahl vertraut zu machen.

Eine Beeinflussung soll vermieden werden

Ben Fischer ist einer der Helferinnen und Helfer aus dem Vereinsvorstand, die den Jugendlichen in dem Jugendtreff an der Brienner Straße helfend zur Seite stehen. Dabei, so versichert Fischer, gebe es aber einen strikten Grundsatz: Sie geben ihnen Informationen zur Wahlordnung, sagen aber nicht, wofür die Parteien jeweils stehen – um eine Beeinflussung zu vermeiden. „Wir erklären den Leuten, wie sie sich selbst informieren können.“ Ihm ist wichtig, dass die Jugendlichen die U18-Wahl ernst nehmen. 

Das Ergebnis der U18-Wahl hat zwar anders als die Bundestagswahl keine direkten politischen Auswirkungen. Es gibt aber immerhin einen Fingerzeig, wie die Jugendlichen denken, was ihnen wichtig ist. Und durch die mediale Verbreitung verschafft es den Themen der jungen Menschen auch Aufmerksamkeit, die sie sonst nicht bekämen. „Es ist keine Elitenveranstaltung“, betont Ellen Daniel vom BJR. Mittelschulen seien genauso vertreten wie Realschulen, Gymnasien und Berufsschulen. Entsprechend könne man auch nicht von verzerrten Stimmungsbildern sprechen, sagt Daniel. Das war zumindest bei früheren U18-Wahlen der Vorwurf, gerade aus dem konservativen politischen Lager. Denn in der Gunst der jungen Menschen lagen eigentlich immer linke Parteien deutlich vorne.

Bei der jüngsten U18-Wahl zur bayerischen Landtagswahl 2023 erhielt die CSU klar die meisten Stimmen, wie bei der richtigen Wahl. Dahinter folgte die AfD, dicht gefolgt von der SPD und den Grünen. Eine Rolle spielte dabei sicher die Unzufriedenheit mit der dauerstreitenden Ampel, genau wie die Themen Krieg in der Ukraine, Migration und Wirtschaftskrise. Da trauten viele junge Menschen offenbar der CSU und der AfD mehr zu, das zu bewältigen. Der Trend setzte sich bei der Europawahl im vergangenen Jahr fort. Da durfte erstmals auch in Deutschland ab 16 Jahren gewählt werden, entsprechend gab es auch keine U18-Wahl.

Das Wahlergebnis bei den 16- bis 24-Jährigen: 17 Prozentpunkte für die Union, 16 für die AfD und 11 für die Grünen, die damit einen beispiellosen Absturz um 23 Prozentpunkte hinlegten. 
Dass sich die Stimmung bei den jungen Menschen gedreht hat, hat auch Hannah Mader bemerkt. In der Schule und auf Social Media werde teilweise ungeniert gegen andere Hautfarben, die Herkunft von Menschen oder ihre Sexualität gehetzt, sagt die Gymnasiastin. Sogar von Menschen, die aus ähnlich privilegierten Verhältnissen kommen wie sie. „Ich finde das schockierend“, sagt sie. Ihre größte Angst wäre, dass die AfD an die Macht kommt. „Ich habe gute Freunde, die keinen deutschen Pass haben.“ Sie befürchte, dass diese Freunde dann systematisch ausgegrenzt würden. Furchtbar findet sie aber auch die härteren Abschieberegeln, die jetzt die Union fordert, die dabei auch eine große Zahl an Befürwortern hinter sich weiß.

Auch hier gilt das Wahlgeheimnis

Hannah Mader will dagegen eine menschlichere Migrationspolitik. Wichtig sind ihr auch die Bildung und die Umwelt – und dass die Partei ihrer Wahl die Fünf-Prozent-Hürde erreicht. Das minimiert die Auswahl natürlich enorm. Schließlich zittern nicht nur FDP und BSW um ihren Einzug, sondern auch die Linke. Die Schülerin füllt ihren Stimmzettel nach kurzem Überlegen aus, sie hat sich im Vorfeld schon lange Gedanken gemacht. Was sie letztlich gewählt hat, verrät sie nicht. U18-Wahlgeheimnis.

Lewin Schinseck (kleines Foto) sagt auch nur, dass für ihn drei Parteien infrage kommen. Dass es sich dabei eher um linke Parteien handelt, da kann man sich sicher sein. Am wichtigsten ist für ihn der Klima-und Umweltschutz. „Viel zu wenig Menschen ist bewusst, wie groß das Problem ist“, sagt der 16-jährige Gymnasiast. Das beeinflusse übrigens auch die Fluchtbewegungen: Wenn Wüsten immer größer werden und immer mehr Flüsse austrocknen, nehme auch die Migration weiter zu. Lewin Schinsecks Mutter arbeite als Erzieherin mit Flüchtlingskindern und berichte immer wieder von den Schicksalen der Menschen, erklärt er. Der immer wieder verwendete Begriff der illegalen Migration ist für ihn ein Reizwort. „Wenn man auf der Flucht ist, gibt es wenig Möglichkeiten für eine sogenannte legale Migration.“

Wie viele Jugendliche ähnlicher Meinung sind und wie viele eher glauben, dass eine Begrenzung der Migration nötig ist, wird sich zeigen. Bei Redaktionsschluss stand das Ergebnis der U18-Wahl noch nicht fest. Auch zur Wahlbeteiligung gibt es keinen Zwischenstand.

Beim BJR rechnet man aber trotz der kürzeren Vorlaufzeit damit, dass wie vor der Landtagswahl knapp 60 000 junge Leute an der Wahl teilnehmen. Mehr als in allen anderen Bundesländern.

Eine aktuelle Forsa-Umfrage unter tatsächlich Wahlberechtigten zeigt eine erstaunliche Tendenz: Grüne und Linke sind bei den 18- bis 29-Jährigen mit jeweils 19 Prozentpunkten Spitzenreiter, erst dahinter kommen AfD (17) und Union (16). Weit abgeschlagen: SPD (7), FDP (6) und BSW (4). (Thorsten Stark)
 

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