Leben in Bayern

Training im Wohnzimmer: Jürgen Rinelli an seiner Pole-Stange. (Fotos: dpa)

30.12.2016

Zu Besuch bei Mister Pole Dance

Bei Pole-Dance denken viele an Nachtclubs und knapp bekleidete Frauen. Dass auch Männer den Hochleistungssport erfolgreich betreiben, zeigt Jürgen Rinelli - 2016 wurde der Schwabhausener konkurrenzlos Deutscher Meister

Kopfüber schwebt Jürgen Rinelli an der Stange. Seine Beine hat er ineinander geschlungen, die Hände auf seine Knie gelegt. Es sieht so aus, als würde der 46-Jährige meditieren. Alle Muskeln seines Körper aber sind angespannt. Rinelli lächelt. Nur wer ihn zwischen den Übungen in seinem Wohnzimmer atmen hört, bemerkt die körperliche Anstrengung. Seit Februar trainiert Rinelli an der Pole-Stange. Weil der IT-Angestellte aus Schwabhausen seine Lebensgefährtin überraschen wollte, fuhr er anfangs drei Mal pro Woche heimlich in ein Studio nach Dachau. "Ich wollte einfach mal was anderes machen", sagt er - keine Blumen, kein Schmuck. Auf YouTube wurde Rinelli schließlich fündig und dachte: "Das kann ich doch auch." Zur geplanten Vorführung in einem Nachtclub kam es bisher aber nicht. Stattdessen ging es für Rinelli zur Deutschen Meisterschaft nach Hamburg. Als einziger männlicher Teilnehmer wurde er dort im August zu Mister Pole Dance Germany gekürt. Drei Viertel aller möglichen Punkte musste er zuvor erreichen. "Das war natürlich auch witzig", meint Rinelli und grinst. Einen Tag später wurde er Vize-Weltmeister - als einer von zweien.

Er tritt als einziger Mann bei der Meisterschaft an

Eine Kür dauert zwischen zweieinhalb und dreieinhalb Minuten. Rinelli zeigt ein Video der Meisterschaften. Darauf turnt er an zwei Stangen, begleitet wird die Show von elektronischer Musik. Mit Tanz hat das aber erstmal wenig zu tun. Die Übungen gleichen Kraftakten, immer elegant ausgeführt. Die tänzerischen Aspekte kommen vor allem bei den Frauen hinzu. Pole-Dance vereine "Ästhetik, Rhythmik und Kraft", meint Rinelli. Einen Vorteil hat keines der beiden Geschlechter: Männer könnten sich die Figuren zwar schneller antrainieren und die Schmerzen besser ertragen - Frauen seien hingegen beweglicher und leichter, sagt er. "Es ist Hochleistungsport - für Frauen und für Männer." Bis jetzt sei der Pole-Sport sehr von Frauen dominiert, sagt Jeannine Wilkerling, Präsidentin des Deutschen Pole Sport Verbands. Nur eine Handvoll Männer findet sich unter ihren 200 Vereinsmitgliedern. Viel verbreiteter sei Pole in den Ländern des ehemaligen Ostblocks, so Wilkerling - gerade in Russland würden auch sehr viele Männer den Sport betreiben. In Deutschland gebe es seit 2011 männliche Meister und eine Kategorie für Kinder. Bei den internationalen Meisterschaften seien nur zehn bis 20 Prozent der Teilnehmer Männer.

In Indien trainierten Kampfsportler an der Stange

Ursprünglich kommt Pole aus Asien. Die Artisten im Chinesischen Staatszirkus hätten vor 1000 Jahren an den Zeltstangen geturnt, sagt Rinelli. In Indien habe es als Training für Kampfsport gedient. Weil Pole später im Rotlichtmilieu landete, sei es in Europa in Verruf geraten. Die Assoziation gefällt Rinelli nicht. "Es geht hier um Sport", betont er. Das habe nichts mit Erotik zu tun. "Es ist das beste Fitness-Training, das ich je hatte." Man trainiere Ausdauer und Kraft, Pole stärke zudem das Bindegewebe und "baut Stress ab". Erst dieses Jahr hat die International Pole Sports Federation beim Internationalen Olympischen Komitee beantragt, Pole offiziell als Sport anzuerkennen und zur olympischen Disziplin zu machen. Nicht immer geht das Training glimpflich aus. Rinellis Bilanz nach nicht mal einem Jahr: gebrochene Rippen, Prellungen und unzählige blaue Flecken. "Pole-Kisses" heißen sie unter Kennern. "Die Haut muss sich daran gewöhnen", sagt er. Rinelli hat sein Leben lang Sport gemacht, trieb Kraft-Ausdauer- und Wassersport, fuhr Ski, war Aerobic-Instructor und als Berufstaucher tätig. Besondere Voraussetzungen brauche es aber nicht für das Training an der Pole-Stange, meint er. Man müsse sich nur Zeit geben und offen bleiben. "Die Kraft kommt mit der Zeit." Den jüngeren Kollegen gegenüber habe er vielleicht sogar ein Vorteil, vermutet der 46-Jährige. "Ich habe Erfahrung, ich weiß, wie ich mich motivieren muss." Das sei Kopfsache. "Dann tun mir die jungen Kerle leid." Neben seinem Job in der IT eines Fernsehsenders ist Rinelli laut eigener Aussage Wellness- und Lifestyle-Coach, zudem hat er einen Ratgeber geschrieben - "Alles ist möglich - glaube an Dich".
(Antonia Hofmann, dpa)

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