Seit der neunten Klasse war für Frank Schmidpeter klar, was sein Traumberuf sein sollte. "Ich wollte schon immer Lehrer werden. Ich mag es einfach, in der Schule zu sein und mit jungen Leuten in Kontakt zu kommen", erzählt der 25-jährige Oberpfälzer mit den markanten Dreadlocks. Deswegen habe er angefangen, in Regensburg Mathematik und Sport auf Realschullehramt zu studieren. Zwei Fächer die ihm lagen, und von denen ihm zu Beginn des Studiums gesagt wurde, die Jobchancen seien trotz des Überschusses an Realschullehrern nicht all zu schlecht.
Doch statt mit komplizierten Formeln und Reckturnen beschäftigt sich Schmidpeter nun mit Sozialarbeit und Skateboard fahren. "Kurz vor dem ersten Staatsexamen in diesem März war klar, dass ich quasi keine Chance habe, nach dem Referendariat eingestellt zu werden", erzählt er. Deswegen habe er sich nach Alternativen umgesehen und im April prompt eine Stelle als Streetworker im Jugendtreff "Seven" in seinem Heimatdorf Postbauer-Heng bekommen.
Schmidpeter hat damit vermieden, was vielen bayerischen Junglehrern auch zu Beginn des kommenden Schuljahrs wieder droht: Die Perspektivlosigkeit nach dem Referendariat. Die Zahlen sind für viele Junglehrer nach sieben Jahren Ausbildung ernüchternd: Im September 2015 haben sich beispielsweise knapp 2400 Realschullehrer um eine Planstelle beworben. Lediglich 76 erhielten ein Einstellungsangebot - eine Quote von gerade einmal drei Prozent. Die Zahlen für das kommende Schuljahr stehen noch aus, doch es zeichnet sich keine grundlegende Trendwende ab.
Fast alle Grund-, Mittel- und Förderschullehrer werden nach ihrem Examen im September eingestellt
"Insbesondere an den Gymnasien und den Realschulen ist die Situation in diesem Jahr weiter prekär", sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Lehrerverbands (BLLV). Während bei den Grund-, Mittel- und Förderschulen im September quasi alle Bewerber nach dem zweiten Staatsexamen eingestellt würden, hätten viele junge Gymnasial- und Realschullehrer zunächst keine Aussichten auf eine der jeweils rund 250 Planstellen, die das Kultusministerium zum September schaffen will.
Auf eine solche wartet beispielsweise Christian Meßner seit Februar 2015. Der 29-Jährige hat Sport und Religion auf Gymnasiallehramt studiert und war nach eigenen Angaben bayernweit Jahrgangsbester in seiner Fächerkombination. "Zu Beginn meines Studiums hieß es noch, für diese Fächer brauche man sich keine Sorgen zu machen", erzählt er. Und trotzdem unterrichtet er seit eineinhalb Jahren nicht an einem Gymnasium, sondern mit Zeitverträgen an einer Mittelschule in Landshut.
"Die Einstellung richtet sich nach dem Bedarf. Wir haben schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass die Schülerzahlen zurückgehen und die Situation an Gymnasien und Realschulen schwieriger wird", sagt ein Sprecher des Kultusministeriums zur aktuellen Lage. Wer Lehrer werden wolle, solle sich daher unbedingt im Vorfeld genau über die jeweilige Einstellungssituation informieren. Das Ministerium veröffentlicht dafür jährliche Bedarfsprognosen für jede Schulart.
Die Grünen unterstützen die Forderung des BLLV
Simone Fleischmann geht das nicht weit genug: "Die Bedarfsprognosen reichen nicht. Während für die einen Schularten viel zu viele Nachwuchskräfte aus den Universitäten kommen, herrscht bei den anderen Lehrermangel". Um dem Problem beizukommen, fordert sie umfassendere Informationsmaßnahmen vor Beginn des Studiums, etwa Pflichtpraktika in unterschiedlichen Schularten und eine intensivere Studienberatung.
Und schlussendlich fordert der Lehrerverband, ähnlich wie die Bildungsgewerkschaft GEW, eine größere Flexibilität während des Studiums. So sollten Lehramtsstudenten aller Schularten die ersten Jahre gemeinsam studieren und sich erst später auf eine Schulart spezialisieren können.
Für das Kultusministerium ist das keine Lösung. "Wir haben ein differenziertes Schulsystem, welches auf die Begabung und Interessen der Schüler eingeht. Es ist ein großer Unterschied, ob man nun Klassenlehrer an einer Mittelschule ist oder Fachlehrer an einem Gymnasium", sagt der Sprecher. Dementsprechend müsse auch die Ausbildung schulartspezifisch gestaltet werden.
Stattdessen gibt es in Bayern seit vergangenem Sommer ein Programm für Gymnasial - und Realschullehrer, in dem diese sich innerhalb von zwei Jahren für den Dienst an Mittelschulen weiterqualifizieren können, wo aktuell Lehrer gesucht werden. "Da müssen auf einmal ausgebildete Gymnasiallehrer völlig fachfremd an Mittelschulen unterrichten und werden dafür auch noch schlechter bezahlt", kritisiert Bernhard Baudler von der GEW die Initiative. Die Maßnahme sei viel zu spät angesetzt und gehe vor allem zu Lasten der Schüler.
Wer keine Planstelle ergattert, nimmt oft ein weiteres Studium auf sich oder wechselt in ein anderes Berufsfeld
Wer keine Planstelle ergattert hat oder über die Umschulung den Weg in die Verbeamtung gehen kann, nimmt oft ein weiteres Studium auf oder wechselt, wie Frank Schmidpeter, in ein anderes Berufsfeld. Einige gehen in andere Bundesländer, unterrichten an Privatschulen oder auf Zeitverträgen an staatlichen Schulen.
Insbesondere Letzteres sorgt sowohl bei Verbänden als auch bei Junglehrern für weiteren Unmut. "Da fehlt für viele junge Kollegen jegliche Planungssicherheit", sagt GEW-Mann Baudler. Teilweise würden bei Zeitverträgen die Ferien nicht bezahlt oder Lehrer zu den Sommerferien regelmäßig ausgestellt - sie arbeiten damit keine vollen zwölf Monate, womit meist auch der Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt.
Die Landtagsgrünen haben derweil klargemacht, dass sie die Forderungen des BLLV unterstützen. „Wir müssen das Lehrerbildungsgesetz ändern – zugunsten unserer jungen Lehrkräfte“, betont der bildungspolitische Sprecher der Landtags-Grünen, thomas Gehring. „Wir müssen unseren Lehrerinnen und Lehrern eine Perspektive bieten: Eine trennscharfe Ausbildung nach Schularten ist überholt, vor allem, wenn die Lehrkräfte dann doch im Notfall an anderen Schularten eingesetzt werden.“ Der CSU wirft Gehring vor, nur den Fortbestand des dreigliedrigen Schulsystems im Blick zu haben, aber "nicht die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler und nicht die Nöte der jungen Lehrkräfte.“ (dpa/BSZ)
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