Schon am Wahlabend mischte sich bei der CSU in die Freude über den Wahlsieg der Union und die eigenen Zugewinne gehöriger Ärger. Und zwar über den bayerischen Koalitionspartner, die Freien Wähler. Nach Lesart der CSU hat die Truppe von Hubert Aiwanger mit ihrer krachend gescheiterten Kandidatur der Union entscheidende Stimmen geklaut und Mandate gekostet. „Die vier Prozent für die Freien Wähler in Bayern fehlen der CSU, und das schwächt das bürgerliche Lager im Bundestag“, grantelte der Oberpfälzer CSU-Bezirkschef Albert Füracker. Die Freien Wähler müssten endlich klären, ob sie das auf Dauer für sinnvoll hielten. Tags darauf legte CSU-Chef Markus Söder nach. Er bescheinigte den Freien Wählern ein „absolutes Desaster“ und das „Abrutschen auf das Niveau einer Splittergruppe“. Seine Empfehlung: „Die Freien Wähler müssen jetzt wieder kleinere Brötchen backen, anstatt Weltsprüche zu machen.“
Die Replik der Freien Wähler ließ nicht lange auf sich warten. Fraktionschef Florian Streibl konstatierte bei der CSU eine eigenwillige Wahrnehmung. Mit dem gleichen Recht könne man behaupten, die CSU stünde besser da, wenn AfD und BSW nicht angetreten wären. Demokratie aber lebe vom Wettbewerb. Und Generalsekretärin Susann Endres sah sich zu der Feststellung genötigt: „Wir sind keine Unterorganisation der CSU!“ Die Gründe für das schlechte Abschneiden der Freien Wähler fasste Hubert Aiwanger zusammen. Aufgrund der Polarisierung zwischen links und rechts, der Zuspitzung auf die Spitzenkandidaten und des kurzen Wahlkampfes sei „nicht mehr zu holen gewesen“. Selbstkritik? Fehlanzeige.
Während es zwischen den Koalitionspartnern in Bayern knirschte, schmeichelte sich Söder an den potenziellen Bündnispartner im Bund, die SPD, heran. Er lobte deren oft bewiesene staatspolitische Verantwortung und zeigte sich zuversichtlich, dass eine nach dem Ampel-Scheitern geläuterte SPD für den „grundlegenden Richtungswechsel“, den er in der Migrations-, Sicherheits- und Teilen der Sozialpolitik für erforderlich hält, bereit sei. „Ich glaube, dass das mit der SPD organisierbar ist“, meinte er. Die ersten Signale aus der SPD nannte Söder „positiv und ermutigend“.
Herbe Wahlschlappe
Die bayerischen Sozis kann Söder damit nicht gemeint haben. Unter dem Eindruck der herben Wahlschlappe ist der traditionell eher links gestrickte Landesverband erst einmal auf die Koalitionsbremse getreten. Klar will dort niemand, dass es in Berlin zur rechnerisch einzig anderen Alternative kommt, nämlich einem Bündnis aus Union und der erstarkten AfD, aber ein Selbstläufer sollen Koalitionsgespräche nicht werden. Die Begeisterung darüber, CDU-Chef Friedrich Merz zum Kanzler wählen zu müssen, hält sich nach dem konfrontativen Wahlkampf und der gemeinsamen Bundestagsabstimmung von Union und AfD zur Migration in Grenzen. „Merz muss uns ein sehr gutes Angebot machen“, stellte Landeschefin Ronja Endres klar und verwies auf die Mitgliederbefragung über den möglichen Koalitionsvertrag.
Die AfD ist euphorisch und wertet das Wahlergebnis als Zwischenschritt für 2029
Bei der AfD ist die Stimmung fast schon euphorisch. Die Verengung des Wahlkampfes auf das Migrationsthema hat der Partei auch in Bayern genutzt, wo sie ihren Stimmenanteil mehr als verdoppelt hat. „Wir schreiben Geschichte“, jubelte Landeschef Stephan Protschka schon am Wahlabend. Einziger Wermutstropfen aus Sicht der AfD: Mangels willigen Partnern wird es mit einer Regierungsbeteiligung nichts werden. Aber viele in der Partei haben diese Wahl ohnehin nur als Zwischenschritt zum großen Angriff auf die Macht 2029 gesehen. Man setzt darauf, dass die Koalition aus Union und SPD den Laden wieder nicht in den Griff bekommt. Und dann, so Protschkas Überzeugung, schlägt die Stunde der AfD.
Personeller Neuanfang
Die FDP steht nach dem Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde vor einem kompletten personellen Neuanfang, auch in Bayern. Die bei der Wahl gescheiterten Landeschefs und Spitzenkandidaten Martin Hagen und Katja Hessel haben ihren Rückzug angekündigt. Nach dem fatalen „D-Day“-Papier vor dem Ampel-Aus, dem Anwanzen an die Libertären Elon Musk und Javier Milei sowie der teilweisen Stimmenpartnerschaft mit der AfD in Sachen Migration herrscht Klärungsbedarf in der Partei. „In den vergangenen Monaten offenbarte sich eine fatale Orientierungslosigkeit mit strategischen Fehlentscheidungen und teils unseriösem Verhalten der Parteiführung“, urteilte der Freisinger FDP-Bundestagskandidat Tobias Weiskopf.
Bei den Grünen herrscht dagegen lediglich Katerstimmung, die Verluste hielten sich in Grenzen. Und die jüngst noch abgeschriebene Linke? Die verdoppelte in Bayern ihr Ergebnis dank vieler Stimmen aus der Jungwählerschaft mit sozialen Themen und klarer Kante gegen die AfD und gegen eine scharfe Migrationspolitik.
(Jürgen Umlauft)
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