Eine Million E-Autos auf Deutschlands Straßen bis zum Jahr 2020. Ein Jahr vor diesem Zeitpunkt ist klar: Dieses vor zehn Jahren von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgegebene Ziel ist nicht einzuhalten. Tatsächlich fuhren Anfang 2018 lediglich 98 280 reine Stromer und Autos mit Plug-in-Hybridmotor auf deutschen Straßen. Bis Ende August zählte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in diesem Jahr noch einmal 45 422 entsprechende Neuzulassungen.
Brisanz hat das auch wegen des Klimagipfels, der vor wenigen Wochen im polnischen Kattowitz stattfand. Dort haben sich mehr als 190 Staaten auf Beschlüsse geeinigt, welche die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 voranbringen sollen. So soll es künftig für alle Staaten einheitliche Transparenzregeln und Standards zur CO2-Erfassung geben. Das wird auch den Verkehrssektor treffen.
Dummerweise wird Merkels ambitioniertes E-Auto-Ziel selbst von ihren eigenen Ministerien und Behörden konterkariert. So haben diese im laufenden Jahr 8386 Pkw mit konventionellem Motor angeschafft. Demgegenüber stehen nur 253 E-Autos.
In Bayern sieht es nicht viel besser aus. Kaum ein Dienstwagen der bayerischen Staatsregierung, des Landtags oder des Obersten Rechnungshofs hat einen Elektromotor. Nur 47 von 1914 neu angeschafften Fahrzeugen waren im Jahr 2017 reine E-Autos. 42 hatten einen Hybridantrieb. Das geht aus einer Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der Landtags-Grünen vom Juli dieses Jahres hervor.
Das Problem: Es gibt kaum E-Nutzfahrzeuge
Auch bei den bayerischen Kommunen kommt der E-Antrieb eher schleppend voran. Prima läuft es derzeit dagegen beim Kommunalunternehmen N-Ergie AG aus Nürnberg. Der mittelfränkische Regionalversorger hat 107 reine Elektroautos im Einsatz. Das sind aber alles Pkw.
Bei leichten Nutzfahrzeugen wird es schwieriger, da es kaum E-Autos für diesen Bereich gibt. „Wir testen in unserem Fuhrpark verschiedene elektrische Transporter. Aktuell haben wir einen VW e-Crafter, einen NISSAN NV200 sowie zwei Streetscooter im Einsatz“, erklärt N-Ergie-Fuhrparkleiterin Claudia Heinrich. Die Fahrzeuge seien innerstädtisch und im direkten Umland von Nürnberg unterwegs. Dabei erweisen sie sich laut Heinrich durchgängig als zuverlässig und kostengünstig im Betrieb.
Geringe Kraftstoffkosten und niedriger Wartungsbedarf relativierten zunehmend den höheren Anschaffungspreis. Die Fuhrparkleiterin hofft, dass es im Jahr 2019 mehr verfügbare Modelle, steigende Reichweiten und sinkende Preise bei Transportern geben wird. „Deshalb planen wir unseren Fuhrpark in diesem Bereich perspektivisch aufzustocken. Bis zu 200 Transporter könnten bis 2026 durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden“, sagt Heinrich.
Einen ähnlich großen E-Fuhrpark hat im Freistaat niemand. Nur in Dresden und Hannover engagieren sich die dortigen Regionalversorger vergleichbar stark für E-Autos in ihren Fuhrparks.
Selbst die Stadt Nürnberg kann mit dem Elan ihres Kommunalunternehmens nicht Schritt halten. So sind nur 26 der 1176 städtischen Fahrzeuge elektrisch betrieben. Bei der Landeshauptstadt München sind von den über 2300 Fahrzeugen nur 78 rein elektrisch unterwegs. Hinzu kommen noch 9 Plug-In Hybride. Bei der Stadt Würzburg beträgt das Verhältnis aktuell 22 (19 Elektro- und 3 Hybridfahrzeuge) zu rund 140 Fahrzeugen. Der Fuhrpark der Stadt Fürth umfasst 87 Pkw, davon 14 reine Elektrofahrzeuge. Die Stadt Regensburg hat 19 Elektro-Pkw, zwei kleine E-Lkw (Goupil) und 22 Hybrid-Pkw – von insgesamt 222 Fahrzeugen, die zum städtischen Fuhrpark gehören.
Die Kommunen haben gewaltigen Nachholbedarf. Viele bemühen sich zumindest. So hat zum Beispiel die Verwaltungsgemeinschaft Uttenreuth (Landkreis Erlangen-Höchstadt) mit den vier Gemeinden Buckenhof, Spardorf, Marloffstein und Uttenreuth seit 2015 drei E-Autos im Einsatz, die sie auch den Bürgern via Carsharing zur Verfügung stellt. Das ausgedehnteste E-Carsharing in Bayern betreibt der Landkreis Bamberg. Seit 1. Mai 2017 können dort 14 BMW i3 ausgeliehen werden.
Damit sich die E-Autoquote in den Fuhrparks der Gemeinden erhöht, fordert der Bayerische Gemeindetag bessere Förderrichtlinien. Denn derzeit fließt staatliches Geld erst ab 3 E-Autos. Der Gemeindetag wünscht sich Fördergelder bereits ab dem ersten zu beschaffenden E-Auto.
Um der E-Mobilität im Freistaat mehr Schwung zu verleihen, hat jetzt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das Ziel ausgegeben, dass 70 Prozent der neu zugelassenen Autos bis 2030 in Bayern elektrisch fahren. Dabei betonte er, dass der Freistaat bereits jetzt Elektroautoland sei: „In keinem anderen Land fahren mehr Elektroautos als in Bayern.“
Das hat zumindest den Bund Naturschutz in Bayern erstaunt. Dessen Landesvorsitzender, Richard Mergner, bezweifelt jedenfalls, dass Söders Ziel mit der gegenwärtigen Politik in Berlin erreicht werden kann. So wären ambitionierte CO2-Grenzwerte für neue Pkw in den Jahren 2025 und 2030 in der EU eine gute Möglichkeit gewesen, die Weichen in Richtung lokal emissionsfreie Automobilität zu stellen.
„Diese Chance wurde auf Betreiben der Unionsminister Scheuer und Altmaier vertan“, klagt Mergner. Der geringe Anteil von E-Autos bei der Neuzulassung von Ministerien und Behörden sei Ausdruck dieser halbherzigen Politik.
Die Bundesregierung rechtfertigt sich damit, dass die Hersteller keine geeigneten Modelle anbieten. Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, prognostiziert: „In den nächsten Jahren kommen voll alltagstaugliche Elektroautos auf den Markt. Und wer keine gescheiten Elektroautos liefern kann, wird untergehen – wie die deutschen Hersteller von Schreibmaschinen.“
(Ralph Schweinfurth)
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