Politik

Hubert Aiwanger (rechts, Freie Wähler), stellvertretender Ministerpräsident und bayerischer Wirtschaftsminister, nimmt an einer Kundgebung der Landwirte auf dem Augsburger Plärrer teil. Als Reaktion auf die Sparpläne der Bundesregierung hat der Bauernverband zu einer Aktionswoche mit Kundgebungen aufgerufen. Sie soll am 15. Januar in einer Großdemonstration in der Hauptstadt gipfeln. (Foto: dpa/Kneffel)

10.01.2024

Auf der Protestwelle: Hubert Aiwanger und die FW

Bayerns Wirtschaftsminister kennt zu Jahresbeginn nur ein Thema: die Landwirtschaft. Wie eng sich Hubert Aiwanger und die Freien Wähler an die Seite der Bauern stellen, hat – auch – einen einfachen Grund

Aus Sicht von Hubert Aiwanger und den Freien Wählern könnte der Jahresauftakt kaum besser laufen, rein parteipolitisch betrachtet. Wie kein anderer Politiker versucht der Freie-Wähler-Chef in diesen Tagen, sich quasi als oberster Bauernführer und -versteher zu präsentieren. Er eilt von einer Protestkundgebung der Landwirte zur nächsten, oft als Redner und begleitet von viel Zuspruch. Und hat es schon Anfang Januar wieder als Gast in eine bundesweite Talkshow geschafft, zu "Maischberger".

Kritik lässt Aiwanger abperlen. Etwa von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze, die den Freien Wählern wie der CSU vorwirft, "politische Propaganda" auf dem Rücken der Bauern zu betreiben und die Proteste für sich und ihren Stimmenfang zu instrumentalisieren.

Die Freien Wähler quasi als Bauernpartei, als Partei des ländlichen Raumes, als Partei der Handwerker und der "kleinen Leute" - so sieht es Aiwanger gerne, so hätte er es gerne. "Wir sind bei den Themen, die momentan die Nation bewegen, an der Seite der Bürger klar und richtig positioniert und werden wahrgenommen", freut er sich am Mittwoch kurz vor Beginn der Winterklausur der bayerischen Landtagsfraktion in Lindau am Bodensee.

"Ich bin ganz zufrieden, wie es für die Freien Wähler aktuell läuft", sagt der bayerische Wirtschaftsminister der Deutschen Presse-Agentur, betont aber: "Ich bin nicht zufrieden, wie es in der Republik politisch läuft."

Für dieselbe Sache, aber jeder für sich

Die beiden Koalitionspartner Freie Wähler und CSU eint die Kritik an den Subventionskürzungsplänen der Berliner Ampel-Regierung im Agrarbereich, gegen die seit Tagen bundesweit Landwirte auf die Straße gehen. Insofern kämpfen beide Parteien für dieselbe Sache - aber es kämpft auch jeder für sich: darum, wer bei den Bauern - Kernwählerschaft beider Parteien - besser ankommt. Denn auch wenn der Landtagswahlkampf vorbei sein mag: Die Europawahl steht vor der Tür. Und da sind die beiden Koalitionspartner auch scharfe Kontrahenten.

"Wir regieren zusammen mit der CSU, stehen aber auch in einem ganz normalen politischen Wettbewerb", sagt Aiwanger dazu. Und fügt durchaus selbstbewusst hinzu: "Am Ende entscheidet der Wähler."

So selbstbewusst sich Aiwanger gibt, so erkennbar ist eine gewisse Nervosität bei der CSU. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder ließ sich zuletzt in Seeon zu der Bemerkung hinreißen, man solle zu dem Thema doch Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) fragen und den Wirtschaftsminister zu Wirtschaftsthemen.

Und Fraktionschef Klaus Holetschek sagt in Richtung Aiwanger: "Es wäre gut, wenn sich der Wirtschaftsminister mit gleicher Energie für die bayerische Wirtschaft einsetzen würde wie für die Landwirtschaft."

Dass sich Aiwanger, selbst aufgewachsen auf einem Bauernhof, immer gerne zu Agrarthemen geäußert hat, stößt Kaniber schon lange auf. Vor allem, weil Aiwanger in seinen Reden - auch wenn ihm dies schon oft Populismus-Vorwürfe eingebracht hat - lauter, pointierter und nicht selten ganz hart an der Grenze auftritt.

Und weil er gerade deshalb vielerorts kräftig gefeiert wird. "Jeder hat eine andere Arbeitsweise", sagte Kaniber am Dienstag nach einer Kabinettssitzung. "Demo-Hopping war jetzt nicht ganz so meine Welt." Sie sei auch stundenlang bei den Bauern gewesen - aber ganz entscheidend sei für sie, stets im Land unterwegs zu sein, nicht nur in diesen Tagen.

Der Traum vom Bundestag

Die Freien Wähler spekulieren jedenfalls darauf, von den Protesten der Landwirte, der Stimmung im Land, zu profitieren. Aiwanger träumt schon lange vom Einzug in den Bundestag.

Und seit seinem umstrittenen Auftritt auf einer Kundgebung gegen das Berliner Heizungsgesetz, vor allem aber seit dem Wirbel um die sogenannte Flugblatt-Affäre, hat Aiwanger auch bundesweit an Bekanntheit deutlich zugelegt. Könnte es nun noch weiter nach oben gehen - wenn sein Plan aufgeht, sich quasi als oberster Bauernversteher zu profilieren?

Nicht verwunderlich ist jedenfalls, dass die Freien Wähler die Proteste der Bauern auch zu einem Topthema ihrer Winterklausur in Lindau machen. Man lehne "die überzogenen Kürzungen der Bundesregierung für die Landwirtschaft entschieden ab", heißt es in einem Resolutionsentwurf.

Proteste seien ein legitimes Mittel, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Fraktionschef Florian Streibl betont allerdings: "Es gibt aber auch Grenzen. Wenn die Ampel auf Plakaten am Galgen aufgehängt wird - das geht nicht. Auch der Protest, so berechtigt er sein mag, muss sich an Recht und Ordnung halten." Und auch Aiwanger sagt: "Ein Galgen ist in meinen Augen geschmacklos, das lehne ich ab." Damit mache man sich auch angreifbar, warnt er.

Die Abschluss-Pressekonferenz am Freitag soll im Übrigen eine halbe Stunde früher beginnen als ursprünglich geplant. Aiwanger muss weiter - zu einer Demo. Diesmal nicht von Landwirten, sondern von Spediteuren. (Christoph Trost und Marco Hadem, dpa)

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