Hohe Austrittszahlen, Polarisierung zwischen Reformern und bewahrenden Kräften, der Missbrauchsskandal - es sind turbulente Zeiten für die katholische Kirche in Deutschland. Natürlich weiß das auch Herwig Gössl, der in wenigen Tagen ein Spitzenamt in dieser Institution antritt: Er wird Erzbischof von Bamberg. Nervös oder aufgeregt wirkt er nicht vor seiner Amtseinführung am Samstag (2. März). Eher nachdenklich, gelassen, abwägend.
So empfiehlt er etwa, auf die Ende 2023 vorgestellte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung "unaufgeregt" zu reagieren. Die Ergebnisse, dass Kirchenzugehörigkeit und Religiosität in Deutschland stark zurückgingen, hätten ihn nicht überrascht. Man müsse nun überlegen, welche Möglichkeiten es für die Kirche gebe. "Aber wenn ich sie jetzt aufzählen könnte und wenn ich sie auch kennen würde - dann könnte ich ein Buch schreiben und das wäre dann ein Bestseller", sagt Gössl lachend.
Positionen zu Frauenweihe und Zölibat sind bekannt
Der 57-Jährige ist bereits seit 2014 Weihbischof des Erzbistums. Als im November 2022 Erzbischof Ludwig Schick zurücktrat, übernahm er die Verwaltung der fränkischen Erzdiözese. Rund ein Jahr später ernannte ihn Papst Franziskus dann zum neuen Erzbischof. Offiziell tritt er sein Amt an diesem Samstag an, zum Gottesdienst im Dom werden der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sowie zahlreiche Bischöfe erwartet.
Gössls Positionen zu den heißen Eisen der Reformbemühungen in der katholischen Kirche sind bekannt: Die Weihe von Frauen könne er sich aktuell nicht vorstellen und ebenso wenig, dass an der zölibatären Lebensform für Priester gerüttelt werde. Die Ehelosigkeit für Kleriker verteidigt er, sieht sich und andere Priester gar unter "Rechtfertigungsdruck": "Nicht nur die Kirche als Institution, sondern der Priester muss sich rechtfertigen dafür, dass er so lebt. Aber wir sollten doch dafür einstehen, dass jeder die Lebensform leben kann, für die er sich entschieden hat!"
Und zum Thema Frauen in der Kirche rechnet er vor, dass schon etliche Leitungsposten in der Verwaltung seiner Erzdiözese mit Frauen besetzt seien. "Das ist nicht durch eine Quote entstanden, sondern weil man gesagt hat, wir vergeben die Posten an die Menschen, die die größte Kompetenz dafür haben. Und das ist sehr gut so. Es wird aufeinander gehört. Wenn jemand aus einer fachlichen Expertise heraus einen Rat gibt, wird dieser auch gehört. Ich muss schon gute Gründe haben, dagegen zu entscheiden. Das ist deutlich mehr als nur ein Feigenblatt, es ist schon einiges geleistet worden."
Gössl, 1967 in München geboren, wuchs in Nürnberg auf und trat 1986 in das Bamberger Priesterseminar ein - er ist also ein Bamberger Eigengewächs. Seine Ernennung ist sowohl im Erzbistum als auch darüber hinaus von großem Wohlwollen begleitet worden. "Er kann zuhören und gemeinsam Lösungen finden. Das wird auch für die Ökumene fruchtbar sein", kommentierte die Bayreuther evangelische Regionalbischöfin Dorothea Greiner die Personalie. Und der Chef der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, schrieb an Gössl: "Ich bin mir sicher, dass Du mit Deiner Art, Priester, Bischof und Mensch zu sein, viele Herzen erreichen wirst. Dein Wort wird gehört und Dein Engagement geschätzt."
"Auf die Position der Kirchen kann man sich verlassen"
Die Arbeit für die Führungskräfte der katholischen Kirche bedeutet dieser Tage vor allem, die Ressourcen anzuschauen - denn mit dem Rückgang der Mitglieder schwindet auch die Finanzkraft der Kirchen, zudem geht es mit der Zahl der Priester seit Jahren bergab. Einen Rückzug der Kirche will Gössl vermeiden, sieht ihn auch nicht: "Entscheidendes passiert in persönlichen Begegnungen. Das stelle ich immer wieder fest, bei vielen Besuchen, bei Gesprächen mit pastoralen Mitarbeitern. Und da erfahre ich immer wieder, wie viel positive Erfahrungen Menschen mit Kirche machen, wie hilfreich sie Kirche erleben in ihrer persönlichen Situation." Und auch bei großen Themen würden die Kirchen immer wieder angefragt, wenn es etwa aktuell darum gehe, Position gegen Rechtsextremismus zu beziehen. Man wisse: "Auf die Position der Kirchen kann man sich verlassen." (Kathrin Zeilmann, dpa)
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