Politik

Für viele junge Menschen steht die Arbeit nicht im Mittelpunkt. (Foto: Bilderbox.com)

24.11.2023

Banklehre? Nein danke!

Immer mehr renommierte Unternehmen finden keinen Nachwuchs – ist die Generation Z faul und unwillig?

Faul, unmotiviert und nicht sonderlich frustrationstolerant: Die sogenannte Generation Z hat keinen guten Ruf. Wer zwischen 1997 und 2012 geboren wurde, gilt als verwöhnt und anspruchsvoll. In einer Studie des Instituts für Generationenforschung äußerten 70 Prozent der Befragten die Vermutung, die Generation Z sei in der Arbeitswelt weniger leistungsfähig als ältere Generationen. Arbeit, so das Klischee, ist für die jungen Leute ein Fremdwort. Ihnen kommt es angeblich vor allem auf eines an: eine ideale Work-Life-Balance.

Nur folgerichtig scheint da zu sein, dass es auf dem Ausbildungsmarkt im Freistaat gerade ausgesprochen mau aussieht. Anfang November waren in Bayern laut Bundesagentur für Arbeit noch über 20 000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Das Handwerk verzeichnet zwar ein Miniplus von 2 Prozent an Lehrverträgen, der Bayerische Industrie- und Handelskammertag eines von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Ein wirklicher Trost ist das allerdings nicht. Sogar Banken tun sich inzwischen schwer, Nachwuchs zu finden. Dabei galt eine Banklehre doch lange Zeit als Sechser im Lotto. Aber der Lack ist offenbar ab. Laut einer Umfrage des Handelsblatts können mehrere große Banken und Versicherer nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. Bei der Deutschen Bank blieben 20 Prozent der Ausbildungsplätze offen. Weil die klassische Banklehre nicht mehr zieht, bildet die Bayern LB seit diesem Jahr gar keine Bankkaufleute mehr aus. Da liegt die Vermutung nahe, die Generation Z sei sich nicht nur für eine Metzgerlehre, sondern auch für den Job als Banker zu schade.

Die eigentlichen Gründe für die Misere liegen allerdings woanders. Da wäre zuoberst der demografische Wandel. Anders als ihre Eltern kann sich die Generation Z auf dem Arbeitsmarkt aussuchen, was ihr gefällt – und eigene Ansprüche formulieren. Außerdem hat das Image der Banken in der Finanzkrise empfindlich gelitten. Zugleich ändert die Digitalisierung radikal das Jobprofil der Mitarbeitenden. Filialen sterben, Kundenkontakte gehen zurück.

Viele studieren heute und lehnen darum eine Lehre ab

Ihren Reiz hat die Banklehre aber vor allem deshalb verloren, weil sich die viel geschmähte Generation Z in einer Eigenschaft besonders stark von anderen Generationen unterscheidet: Sie ist so akademisiert wie keine vor ihr. 2021 gab es in Deutschland mehr als doppelt so viele Studierende wie Auszubildende. Abitur und Hochschulstudium sind in vielen Berufen längst eine Selbstverständlichkeit. Nicht nur der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken will sich darum künftig in der Personalgewinnung stärker auf Quereinsteiger und Hochschulabsolvent*innen konzentrieren. Die Bankausbildung soll digitaler, transparenter, kunden- und praxisorientierter werden. Nicht die Lehre, sondern das duale Studium ist häufig der Königsweg zum Job.

Schwieriger sieht es für die Zukunft weniger prestigeträchtiger Ausbildungsberufe aus. Sinnvolle Vorschläge zur Abhilfe des Problems gibt es einige: Die berufliche Orientierung an den Schulen muss ausgebaut, der Zugang zur Ausbildung flexibler werden. Die Betriebe könnten Beschäftigte, wie Ralf Holtzwart von der Regionaldirektion Bayern der Arbeitsagentur empfiehlt, vom Helfer zur Fachkraft weiterqualifizieren. Mit etwas mehr Mut integrieren Betriebe auch junge Leute, die nicht so leicht eine Ausbildung finden. Sie lassen sich dabei vom Programm „Fit for Work – Chance Ausbildung“ vom Freistaat unterstützen.

Anna Gmeiner von der DGB-Jugend Bayern wiederum sieht eine Lösung darin, die Ausbildungssituation für die Azubis zu verbessern, etwa durch eine lebendige Mitbestimmungskultur, gut ausgestattete Berufsschulen, bezahlbaren Wohnraum und kostengünstigen öffentlichen Nahverkehr.

Alle wollen Viertagewoche

Ohnehin ist es eine gute Idee, die Wünsche der Generation Z ernst zu nehmen, statt sich moralisch über sie zu erheben. Zumal sich die Generationen in ihren Vorlieben eigentlich gar nicht unterscheiden: Die Viertagewoche steht in allen Altersgruppen auf dem Wunschzettel. Laut einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung wünschen sich 80 Prozent der Beschäftigten in Vollzeit eine Viertagewoche – um mehr Zeit für sich selbst, für die Familie, für Hobbys, Sport, Ehrenamt zu haben.

Dass der größte Teil der Befürwortenden einer Viertagewoche dazu nur bei gleichem Lohn bereit ist – geschenkt. Denn das zitierte Papier kommt zu dem Schluss, dass durch Arbeitszeitverkürzungen nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die betriebliche Produktivität gesteigert werden kann. Auch der Trend zur Kündigung werde gestoppt, ja sogar ins Gegenteil verkehrt. Der Grundgedanke: Weil die Viertagewoche erlaubt, Beruf und Privatleben zu vereinbaren und Burn-out vermeiden hilft, steigen die Beschäftigungszahlen, die Fehlzeiten dagegen sinken.

Arbeitszeitreduktion wäre damit das ideale Instrument, den Fachkräftemangel zu beheben und die Sozialkassen zu stabilisieren. Bei einer Viertagewoche seien Beschäftigte produktiver, wodurch ein Lohnausgleich kompensiert werden könne, bilanziert die Stiftung.
Ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich. Eines jedoch zeigt die Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen deutlich: Die Ansprüche der Generation Z sind nicht extravagant, sie liegen voll im gesellschaftlichen Trend. (Monika Goetsch)
 

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