Bei BMW geht die Angst um. Genau verfolgen die Beschäftigten die sich häufenden Horrornachrichten von Konkurrenzunternehmen und Zulieferern. Bislang blieben zwar die Festangestellten an den großen Standorten von einem Jobkahlschlag oder Lohnkürzungen, wie sie bei Volkswagen drohen, verschont. Hart hat es nach Recherchen der Staatszeitung jedoch viele Leiharbeiter beim größten bayerischen Fahrzeugbauer getroffen.
So hat BMW die Zahl der Zeitarbeitskräfte in seinem größten Werk in Dingolfing massiv reduziert. Das bestätigen mehrere Arbeitnehmervertreter. BMW hatte am Standort Dingolfing laut Arbeitnehmervertretern noch Anfang dieses Jahres rund 4500 Leiharbeitskräfte beschäftigt. Seither hat die Firma, wie die BSZ aus dem Betriebsrat erfuhr, über 2000 Zeitarbeiterstellen abgebaut.
Mittlerweile arbeiten in Dingolfing den Angaben zufolge nur mehr gut halb so viele Zeitarbeitskräfte wie noch zu Beginn des Jahres. BMW äußerte sich auf Anfrage nicht zu den Zahlen. Ein Sprecher sagte: "Zeitarbeit ist für uns ein wichtiges Instrument der Flexibilisierung. Es ermöglicht die Reaktion auf Kapazitäts- und Konjunkturschwankungen ohne Eingriff in die Beschäftigungsbedingungen der Kern-Mitarbeitenden."
Klar ist: Zumindest ein Teil der in dem niederbayerischen Werk hergestellten Fahrzeuge verkaufte sich zuletzt nicht gut. Aktuell werden dort die Modelle der 4er, 5er, 7er und 8er Reihe sowie der vollelektrische BMW iX produziert. Insgesamt zählt der Standort laut BMW mehr als 18.500 Beschäftigte.
Es geht ans Eingemachte
Lange war BMW das Synonym für deutsche Wertarbeit und gute Arbeitsbedingungen. Und noch immer sind die Bedingungen der dort Beschäftigten vergleichsweise paradiesisch. Doch auch bei BMW wurden jüngst Kürzungen beschlossen – beim Jubiläumsgeld und Weihnachtsgeld für Festangestellte.
Anderswo geht es längst ans Eingemachte: Zahlreiche bayerische Zulieferer wollen die Zahl ihrer Festangestellten massiv reduzieren; Tausende Stellen könnten wegfallen. Der Autozulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach baut bundesweit 2800 Stellen ab. Der fränkische Autozulieferer Brose will bis Ende nächsten Jahres 950 Stellen streichen – über 200 laut IG Metall allein in Bamberg. Der Teilehersteller Hirschvogel plant laut Medienberichten wegen der Entwicklung des globalen Automobilmarktes, der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes und des schwächelnden E-Auto-Marktes so viele Stellen abzubauen wie noch nie in seiner Firmengeschichte: Über 400 Jobs sollen allein in Oberbayern wegfallen.
Auch der Zulieferer Valeo will in seinen fränkischen Werken Arbeitnehmervertretern zufolge mehrere Hundert Stellen abbauen. Beim Automobilzulieferer Preh im Landkreis Rhön-Grabfeld werden nach Angaben der IG Metall über 400 Jobs gestrichen. Auch beim Reifenhersteller Continental brechen laut BR bis Ende 2025 fast 600 Stellen in Regensburg und Ingolstadt weg.
Bei Audi soll ebenfalls gespart werden. Anders als bei VW soll ein möglicher Stellenabbau jedoch ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Der Betriebsgewinn stürzte im dritten Quartal um 91 Prozent auf 106 Millionen Euro ab. Bei BMW war der Konzernüberschuss im dritten Quartal um 84 Prozent auf 476 Millionen Euro geschrumpft.
Die SPD setzt aufs E-Auto
In der Staatskanzlei sieht man die Entwicklung mit Sorge. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte deshalb diese Woche zum Autogipfel geladen. Teilnehmer äußerten den Wunsch nach einer neuen Förderung der Elektromobilität, steuerlichen Anreizen und Investitionsprogrammen – auch für Zulieferer. Söder sprach sich zudem für eine Senkung der Lkw-Maut, Technologieoffenheit und ein Aussetzen der Strafzahlungen beim Reißen der CO2-Flottengrenzwerte aus. Der Freistaat will mit einem Transformationsfonds mindestens 100 Millionen Euro in die Autoindustrie investieren.
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) sagt der BSZ: „Wir brauchen mehr Auto-Patriotismus!“. Die Finanzierungsbedingungen müssten gerade für die Zulieferindustrie verbessert werden. „Außerdem müssen Entlastungen beim Strompreis her und die Stromnetze fit für die Ladeinfrastruktur gemacht werden.“ Der Landeschef der IG Metall, Horst Ott, begrüßt das vom Gipfel ausgehende Signal. Er fordert allerdings, mögliche Fördergelder „an Zusagen zur Sicherung von Standorten und Arbeitsplätzen zu knüpfen“.
Holger Grießhammer, Chef der SPD-Landtagsfraktion kritisiert das „krampfhafte Festhalten am Verbrennungsmotor, wie es CSU und Freie Wähler betreiben“. Die Systementscheidung fürs Elektroauto sei längst gefallen. Um die Umstellung auf E-Mobilität zu unterstützen, will die SPD den angekündigten Transformationsfonds „deutlich aufstocken“. Bayerns Grünen-Chefin Eva Lettenbauer sagt: „Das Auto der Zukunft ist elektrisch und wird in Bayern gebaut.“ Söder und Aiwanger seien jedoch „nur damit beschäftigt, sich an den Verbrenner von vorgestern und den viel zu teuren Wasserstoff zu klammern“.
(Tobias Lill)
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