Wenn alles nach Plan läuft, sollen im September in Reichling, südlich von Landsberg am Lech, Probebohrungen zur Erdgasförderung starten. Das Bergamt Südbayern hat die entsprechende Genehmigung erteilt. Genexco Gas GmbH aus Berlin – ein Tochterunternehmen der kanadischen MCF Energy aus Vancouver – wird das bis zu 5 Millionen Euro teure Vorhaben finanzieren. Damit soll die 1983 vom damaligen US-amerikanischen Energiekonzern Mobil (heute ExxonMobil) vorgenommene Bohrung wieder aufgenommen werden.
Der Konzern war auf der Suche nach Erdöl, fand aber Erdgas. Weil zum damaligen Zeitpunkt die Gaspreise niedrig waren, lohnte sich eine weitere Exploration nicht.
Erdgasvorkommen gibt es im gesamten Alpenvorland zwischen Memmingen im Westen und Traunstein im Osten. Seit den 1950er-Jahren wurden in dieser Region 60 Gasfelder entdeckt. Mittlerweile sind viele Vorkommen jedoch ausgebeutet. Bayern konnte in den 1970er-Jahren circa 30 Prozent seines Gasbedarfs aus heimischen Erdgaslagerstätten decken.
Wie viel Erdgas heute noch im Alpenvorland lagert, ist unklar. „Verlässliche Zahlen liegen hierzu nicht vor. Man schätzt die Restvorkommen aber bis zu 3 Milliarden Kubikmeter“, erklärt eine Sprecherin des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Im Boden unter Reichling sollen laut Greenpeace zwischen 300 und 500 Millionen Kubikmeter Erdgas lagern.
Sehr weit kommt man mit dieser Menge aber nicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Deutschland allein 2021 rund 101,63 Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht hat. Darum hält Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, nichts von der Bohrung bei Reichling. „Es reicht gerade einmal, um den Erdgasverbrauch Bayerns für zwei Wochen zu decken“, sagt er der Staatszeitung.
Die Grünen und Greenpeace laufen Sturm gegen die bayerische Erdgasförderung
Dennoch setzt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf das Erdgas: „Es ist eine Brückentechnologie, die bis zur Erreichung der Klimaneutralität noch gebraucht wird.“ Neben der Deckung des Bedarfs für die Wärme- und Stromerzeugung ist Erdgas auch für industrielle Prozesse, zum Beispiel in der chemischen Industrie, auf lange Sicht unentbehrlich. Zudem ist es laut Aiwanger umweltfreundlicher, die heimischen Quellen zu nutzen, als klimaschädliches Fracking-Gas aus Übersee zu importieren.
Grünen-Politiker Stümpfig betont: „Natürlich ist Erdgas eine Brückentechnologie. Wir können nicht von heute auf morgen aussteigen. Aber in Reichling geht es nicht um Brückentechnologie, sondern um ein neues Investment in eine neue Erdgasbohrung. Das Projekt in Reichling ist daher politisch ein vollkommen falsches Signal. Es bestätigt nur nochmals, dass Hubert Aiwanger das Ziel der Klimaneutralität Bayerns vollkommen egal ist, obwohl er es mit beschlossen hat.“
Stümpfig findet das Projekt auch aus wirtschaftlicher Sicht fragwürdig. „2040 wollen wir in Bayern klimaneutral sein. In Reichling müssen aber erst mal Erkundungsbohrungen durchgeführt werden. Bis die Förderung startet, sind wir schon auf der Zielgeraden Richtung Klimaneutralität.“
Eine relativ kleine Menge
Mit diesem Ziel würde das Projekt in Reichling nicht in Kollision geraten, sagt Eckhard Oehms, Geschäftsführer der Genexco Gas GmbH. Erst müsse die Erkundungsbohrung die Wirtschaftlichkeit der Gasförderung ergeben. Danach würde entschieden, ob gefördert wird oder nicht. „Klar ist das eine relativ kleine Menge an Gas, aber Industrieunternehmen in der Nähe würden es abnehmen.“ Und es sei allemal umweltfreundlicher als die von der Bundesregierung befeuerte Kohleverstromung in großem Stil.
„Außerdem kann man die Bohrlöcher, wenn das Gas gefördert ist, für Wärmeprojekte nachnutzen“, betont Oehms, der auch Geologe ist. Dort unten herrschten bis zu 120 Grad Celsius, die die Gemeinden gut für Nahwärmenetze gebrauchen könnten. Das Planen und Bauen dieser Netze könnte jetzt schon beginnen. „In Reichling gibt es jetzt schon eine Bohrung, die kein Gas hat. Die könnte man sofort für ein Wärmeprojekt nutzen“, betont Oehms.
Widerstand formiert sich
Gegen die geplante Bohrung in Reichling formiert sich aber Widerstand. Greenpeace hat auf seiner Webseite eine EU-Petition gegen das Projekt gestartet. Unter der Devise „Kein neues Gas“ ist Greenpeace Bayern seit Mai 2024 gegen Gasbohrungen im Freistaat aktiv. Gemeinsam mit der „Bürgerinitiative Reichling Ludenhausen – gegen die Ausbeutung unserer Heimat“ versucht die Umweltschutzorganisation Bohrungen in Reichling, aber auch in anderen Gemeinden in Bayern zu verhindern, etwa am Ammersee oder im Landkreis Miesbach.
In Reichling haben die Anwohnenden Angst um ihr Grundwasser. „Bei uns steht Sicherheit an erster Stelle. Und ich hatte in den über 30 Jahren, in denen ich in diesem Geschäft bin, keinen einzigen Unfall“, beruhigt Oehms. Allein das Gestein bei Reichling, in das gebohrt werde, sei so hart, dass nichts passieren könne. Bleibt zu hoffen, dass er recht behält.
(Ralph Schweinfurth)
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