Politik

Bischöfe ziehen beim Eröffnungsgottesdienst in den Hohen Dom in Augsburg ein. Seit 100 Jahren gilt im Freistaat das bayerische Konkordat. (Foto: dpa/Hildenbrand)

11.06.2024

Bayern feiert 100 Jahre Konkordat

Seit 100 Jahren regelt das bayerische Konkordat die Beziehung zwischen der Katholischen Kirche und dem Freistaat. Ist das noch zeitgemäß?

Als der Vertrag geschlossen wurde, der noch heute die Beziehung zwischen der Katholischen Kirche und dem Freistaat Bayern regelt, hieß der Papst noch Pius XI. - und der bayerische Ministerpräsident, Eugen von Knilling, gehörte nicht etwa der CSU an, sondern der Bayerischen Zentrumspartei. Vor 100 Jahren war das. 

Seither gilt im Freistaat das bayerische Konkordat, geschlossen zwischen Bayern und dem Heiligen Stuhl in Rom. Dieses regelt etwa, dass der Freistaat ein Vetorecht hat bei der Ernennung der katholischen bayerischen Bischöfe, wie theologische Professuren an den Hochschulen besetzt werden oder dass katholische Religionslehrer nur dann an staatlichen Schulen eingesetzt werden dürfen, wenn die Kirche nichts dagegen hat. 

An diesem Dienstag feiern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der Vorsitzende der Freisinger Bischofskonferenz, der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, das hundertjährige Bestehen dieses Konkordats, das eigentlich schon am 29. März diesen runden Geburtstag hatte, mit einem Festakt in München. 

Viele Austritte

"Wir bewerten das Konkordat als eine wichtige und ausgesprochen positive Grundlage des Verhältnisses von Staat und Kirche in Bayern", sagt Matthias Belafi, Leiter des Katholischen Büros in Bayern, der zentralen Kontaktstelle der Kirche für die Zusammenarbeit mit der Politik in Bayern. "Bayern steht zur Institution Kirche. Sie leistet einen wichtigen Beitrag für eine starke Gesellschaft und soll auch künftig einen festen Platz in unserem Staat behalten", heißt es aus der Staatskanzlei. 

Dabei ist die gesellschaftliche Rolle der Kirche selbst im katholisch geprägten Freistaat heute eine völlig andere als vor einem Jahrhundert. 153.586 Menschen traten allein 2022 aus der katholischen Kirche aus. Das waren so viele wie noch nie. Rund 5,8 Millionen Menschen gehörten 2022 im Freistaat noch der katholischen Kirche an - bei einer Einwohnerzahl von rund 13 Millionen.

Und trotzdem (auch finanzielle Aspekte sind im Konkordat geregelt) zahlt der Freistaat jedes Jahr eine Millionensumme an die katholischen Bistümer. Für das Jahr 2023 waren im bayerischen Staatshaushalt für die Staatsleistungen an die römisch-katholische Kirche rund 77 Millionen Euro veranschlagt, für die evangelisch-lutherische Kirche in Bayern rund 26 Millionen Euro. Dazu kommen noch (nicht nach Konfessionen getrennt) 27 Millionen für kirchliche Gebäude. 

"Das Bayernkonkordat hat sich durchaus bewährt", sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller. "Regelungsbedarf sehe ich bei den Staatsleistungen, wobei hierfür aber der Deutsche Bundestag erstmal ein Grundsätzeablösegesetz verabschieden müsste. Bayern und Baden-Württemberg zahlen die höchsten Staatsleistungen an beide Kirchen."

Die Kirchen bekommen die Staatsleistungen für die Enteignung deutscher Kirchen und Klöster Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Säkularisierung. Außer Hamburg und Bremen zahlen deshalb alle Bundesländer eine jährliche Summe an die katholische und die evangelische Kirche. Zuletzt waren es bundesweit insgesamt rund 550 Millionen Euro pro Jahr. Durch diese Staatsleistungen zahlen auch diejenigen Steuerzahler für Glaubensgemeinschaften, die damit gar nichts zu tun haben. 

Der religionskritische "Bund für Geistesfreiheit" (bfg) München fordert die bayerische Staatsregierung unter anderem deshalb auf, das Konkordat zu kündigen. "Wie soll man Menschen, darunter immer mehr Konfessionsfreie, heutzutage erklären, dass die katholische Kirche in Bayern die staatlichen Gelder zum Beispiel für das Personal der Erzdiözesen, einschließlich der Gehälter und "standesgemäßen" Wohnungen der Erzbischöfe und Bischöfe, verwendet?", fragt Assunta Tammelleo, Vorsitzende des bfg München und spricht von einer "Ehe von "Thron und Altar", die seit 100 Jahren der katholischen Kirche Privilegien gewährt und sichert, die weltweit einmalig sind".

Kritik an Verquickung von Kirche und Staat

Auch Grüne und SPD im bayerischen Landtag sehen die Verquickung von Kirche und Staat kritisch. "Man kann doch niemandem in einer Gesellschaft, die nicht mehr mehrheitlich christlich ist, vermitteln, dass der Staat das Gehalt der Bischöfe zahlt", sagt Toni Schuber, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. "Ich als Atheist zahl' das Gehalt vom Bischof - das sehe ich nicht ein." Die religionspolitische Sprecherin der Landtags-SPD, Katja Weitzel, sagt ebenfalls: "Es kann heute in der modernen Zeit nicht sein, dass der Staat da immer noch zahlt."

Dafür ist allerdings erst einmal der Bund zuständig, der eben diese entsprechende Gesetzesgrundlage schaffen müsste, um die jährlichen Entschädigungszahlungen des Staates an die beiden großen christlichen Kirchen und auch an jüdische Kultusgemeinden neu zu regeln - oder eben abzuschaffen.

Dazu hat das Bundesinnenministerium 2022 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nach Angaben eines Ministeriumssprechers bis Januar 2023 regelmäßig tagte - also schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr. "Die zentralen Fragen der Ablösung, unter anderem die Frage der Höhe des Ablösebetrags, werden weiterhin auf politischer Ebene erörtert", teilte der Sprecher mit. 

"Als Kirche stehen wir bereit, uns an Gesprächen zur Ablösung der Staatsleistungen zu beteiligen, so wie wir uns auch bisher konstruktiv eingebracht haben", sagt der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp. "Für uns bleibt entscheidend, dass die Ablösung die Kirchen in die Lage versetzen soll, die bisher mit Hilfe der Staatsleistungen finanzierten Aufgaben dauerhaft finanziell decken zu können. Dabei ist es auch unser Interesse, dass die Länder im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit handeln können." 

Auf die Länder nämlich, die alle ähnliche Vereinbarungen mit den Kirchen getroffen haben, würden die Ablösungszahlungen dann wohl zukommen, von einer Milliardensumme ist insgesamt die Rede. 
Wie Bayerns Ministerpräsident Söder dazu steht, hatte er schon im vergangenen Jahr kundgetan: Beim Evangelischen Kirchentag betonte er, eine Ablösung der Staatsleistungen für die Kirchen in Deutschland abzulehnen. (Britta Schultejans, dpa)

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