Kommunales

Bei den Kommunalwahlen sind die Wahlzettel mitunter riesig. (Foto: Armin Weigel dpa)

16.09.2019

Bayerns größte Wahl könnte viel verändern

Bayerns Wähler werden auch 2020 nicht aus der Übung kommen. Spannend wird die Kommunalwahl im März aber nicht nur, weil bei keiner Abstimmung im Freistaat mehr Mandate vergeben werden

Nach 2017, 2018 und 2019 stehen für die Bayern auch 2020 Wahlen an. Und es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass dem Freistaat bei der Kommunalwahl am 15. März 2020 wie schon bei den Abstimmungen zu Europaparlament, Bundestag und Landtag große Veränderungen ins Haus stehen. Indikatoren für die sich abzeichnende Entwicklung gibt es viele: Seit Jahren sind bundesweit in der Parteienlandschaft schwere Verschiebungen zu beobachten. Mit der AfD kämpft am rechten Rand eine neue politische Kraft um Stimmen, die Grünen sind so stark wie nie zuvor, und die auf kommunaler Ebene noch recht starke SPD steckt in einer existenziellen Krise.

Für einen Ausblick auf die Wahl gilt es aber noch mehr Unwägbarkeiten zu beachten: Verhilft der neue, auf Mitte und Klimaschutz bedachte Kurs von Parteichef Markus Söder der CSU zu einer Trendwende und Stimmgewinnen? Können die Freien Wähler auch in den Rathäusern von ihrer Regierungsbeteiligung im Land profitieren? Und was passiert in Städten wie Nürnberg und Augsburg, wo erfahrene und unbestrittene Rathauschefs auf eine Wiederwahl verzichten?

Wie viele Mandate 2020 genau vergeben werden, stand zuletzt noch nicht fest - 2014 waren es rund 39 000. Bei keiner anderen Wahl in Bayern wird über mehr Posten entschieden. Die Ausgangslage für die wichtigsten Parteien:

CSU:
Parteichef Söder hat den Christsozialen auf allen politischen Ebenen einen neuen Stil verordnet. Den neuen Klima-Kurs hat der Parteivorstand eben erst beschlossen. Söders Kurs der Mitte kommt bislang scheinbar gut bei den Menschen an - in Umfragen kletterte der Franke unlängst auf der Liste der sympathischen Politiker weit nach oben. Für die Kommunalwahl hat sich die CSU aber auch hohe Ziele gesetzt: In allen Städten will sie im kommenden Jahr stärkste Kraft werden. Eine mutige Ansage, denn gerade in den Ballungszentren hatte die Partei oft das Nachsehen. Söder ist dennoch optimistisch: "Wir wollen im ländlichen Raum unsere Stellung halten und zulegen. Aber wir nehmen auch die Großstädte ins Visier." In den Großstädten werde es überall spannend, da es dort keine sicheren Mehrheiten gebe. Aktuell haben die Christsozialen 12 300 kommunale Mandate, davon 25 Oberbürgermeister, 53 Landräte sowie 944 Bürgermeister.

SPD:
Den Sozialdemokraten droht im Falle einer weiteren Wahlpleite der endgültige Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Dabei treiben den Genossen nicht nur sinkende Umfragewerte die Sorgenfalten auf die Stirn - zuletzt lagen sie nur noch bei rund sieben Prozent. Auch einst sichere Hochburgen könnten verloren gehen. In München muss etwa Oberbürgermeister Dieter Reiter um seinen Posten bangen, nicht nur, weil die Grünen besonders stark sind, sondern auch, weil die CSU eine chancenreiche Kandidatin ins Rennen schickt. In Nürnberg hat zudem Ulrich Maly sein kommunalpolitisches Karriereende angekündigt. Ob der im Vergleich zu Maly kaum bekannte Thorsten Brehm die Stadt für die SPD halten kann, ist abzuwarten. Landeschefin Natascha Kohnen gibt sich optimistisch und rechnet fest mit der Trendwende.

AFD:
Nach ihrem Einzug in den bayerischen Landtag will die AfD nun auch auf kommunaler Ebene richtig durchstarten. 2014 war sie nur in fünf Kommunen angetreten, wo ihr aber auch überall der Einzug in die Kommunalparlamente gelang. In München erzielte sie aus dem Stand 2,5 Prozent. Nachdem sich die Partei lange Zeit trotz vieler interner Querelen in Umfragen stetig verbessern konnte, scheint sie inzwischen ein heftiger interner Macht- und Richtungskampf zu lähmen. Auf allen Ebenen liefern sich Vertreter des "Flügels" wie die umstrittene Chefin der Landtagsfraktion Katrin Ebner-Steiner Auseinandersetzungen mit gemäßigten Kräften. Ob und in welcher Form dies aber auch noch bei der Wahl im März eine Rolle spielt, bleibt abzuwarten.

GRÜNE:
Selbst in der CSU gehen sie nicht mehr davon aus, dass die seit Jahren steigenden Umfragewerte der Grünen nur ein zwischenzeitliches Hoch sind. Seit der Landtagswahl sind die Grünen die stärkste Oppositionskraft im Landtag, und sie wollen nun auch auf kommunaler Ebene weiter vorankommen. Spannend ist dabei insbesondere, ob es den Grünen nach den Erfolgen bei der Landtagswahl etwa in München gelingen könnte, erstmals auch einen Oberbürgermeister zu stellen. Auch bei den Landratsposten will die Partei zulegen. Ein Problem der Grünen ist dabei, dass die Parteistruktur nicht dem aktuellen Erfolg gewachsen ist - gerade außerhalb der städtischen Zentren fehlen oft Ortsvereine und damit mögliche Kandidaten, weshalb auch Nicht-Parteimitglieder für die Grünen antreten können.

FREIE WÄHLER:
Traditionell werden bei den Kommunalwahlen auch die inzwischen mit der CSU in der Landesregierung sitzenden Freien Wähler eine besondere Rolle spielen. 2014 hatten die Freien Wähler zwölf Landratswahlen gewonnen. Nachdem sich die Partei von Hubert Aiwanger traditionell gerne bei jeder Gelegenheit auf ihre kommunalen Wurzeln beruft, ist nun die spannende Frage, ob sie auf kommunaler Ebene von ihrer Regierungsbeteiligung profitiert oder ob dies Stimmen kostet.
(Marco Hadem)

Kumulieren und panaschieren
Bei Kommunalwahlen haben die Bürger im Wortsinne die Qual der Wahl: Wer in einer Landgemeinde wohnt, darf gleich vier Stimmzettel ausfüllen: Gemeinderat, Kreistag, Bürgermeister und Landrat. Tatsache ist: Bei keiner anderen Wahl bewerben sich mehr Kandidaten um mehr Mandate. Wie viele dies genau sein werden, steht erst im kommenden Februar fest.

Die größten Stimmzettel hat traditionsgemäß die größte Stadt: In München kandidierten 2014 sage und schreibe 932 Kandidaten auf 14 Listen für den Stadtrat. Allein die Entfaltung des riesigen Stimmzettels in der Wahlkabine stellt den einen oder anderen Münchner Bürger vor Probleme. Es dürfen auch mehr Menschen wählen als bei Landtags- oder Bundestagswahlen: EU-Bürger sind stimmberechtigt. 2020 dürfen erstmals auch bislang von der Stimmabgabe ausgeschlossene psychisch kranke Menschen wählen.

Grundregel bei der Wahl von Gemeinderäten und Kreistagen: Jeder Wähler hat so viele Stimmen, wie es Sitze in den örtlichen Parlamenten gibt. In kleineren Gemeinden mit weniger als 3000 Einwohnern können unter Umständen auch mehr Stimmen vergeben werden, als der Gemeinderat Sitze hat. Der einfachste Weg ist, eine einzige Liste anzukreuzen, ohne bestimmte Kandidaten auszuwählen. Dann fallen alle Stimmen automatisch an die angekreuzte Partei oder Wählergruppe.

Man kann aber auch einem einzelnen Kandidaten bis zu drei Stimmen geben ("häufeln" oder "kumulieren"). Außerdem können die Wähler ihre Stimmen beliebig an Bewerber verschiedener Listen verteilen ("panaschieren"). Dabei ist aber Vorsicht geboten: Wer den Überblick verliert und zu viele Stimmen abgibt, macht seinen Stimmzettel ungültig. (dpa)

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