Durchweg positiv sind die Stimmen zum zweijährigen Geburtstag des Bundesfreiwilligendienstes (BFD). Am 1. Juli 2011 löste er den Zivildienst ab, der damals mit der Wehrpflicht verschwand. „Der Bundesfreiwilligendienst ist ein echtes Erfolgsmodell geworden“, heißt es zum Beispiel bei der bayerischen Caritas, und: „unsere Erwartungen wurden übertroffen“. Die Arbeiterwohlfahrt in Bayern meldet, „wir sind sehr zufrieden“. Ähnliches lässt die bayerische Diakonie verlauten.
Tatsächlich ist die Zahl beeindruckend, die das Bundesfamilienministerium gerade präsentiert hat: Mehr als 93 000 Menschen haben in den vergangenen zwei Jahren als Bundesfreiwillige, so genannte Bufdis, gearbeitet. Vor zwei Jahren klagten die bayerischen Sozialverbände noch, der Verlust der Zivis sei eine Tragödie. Niemals könne der Freiwilligendienst den Zivildienst ersetzen. Kaum jemand würde sich freiwillig für einen sozialen Dienst melden, das passe nicht in unsere Zeit. Was ist seit dem 1. Juli 2011 passiert?
Eigentlich nicht viel. Die Bedenken, die die Verbände vor zwei Jahren äußerten, haben sich sogar bestätigt. Nur etwa ein Drittel der Zivildienststellen wurden als BFD-Stellen anerkannt. In ganz Deutschland gibt es heute 35 000 BFD-Plätze. Im Jahr 2009 waren rund 100 000 Zivildienststellen gemeldet. 65 000 Stellen sind also einfach weggefallen. Dass bisher schon 93 000 Menschen als Bufdis gearbeitet haben, liegt allein daran, dass rund ein Viertel den Dienst frühzeitig abbricht – und die Stelle dann neu besetzt wird.
Die Lage in Bayern ist ähnlich wie in Deutschland. Im Jahr 2010 arbeiteten knapp 6000 Zivis in sozialen Einrichtungen, im vergangenen Jahr waren dort rund 3000 Bufdis beschäftigt. Fast die Hälfte der bayerischen Freiwilligen sind übrigens Frauen, etwa 15 Prozent über 27 Jahre alt. Dass die Bilanz bei Caritas, Diakonie und Co heute trotzdem so positiv ausfällt, liegt einfach daran, dass die Verbände sich damit abgefunden haben, dass der Zivi nicht ersetzt werden kann.
Kaum ein Freiwilliger will Dienst im Altenheim machen
Michael Kroll, bei der bayerischen Caritas zuständig für die Freiwilligendienste, macht im Gespräch als erstes klar, „die Zivis sind weg und die Bufdis sind jetzt da. Man kann die beiden nicht vergleichen“. Dann erklärt er, die Caritas habe den Verlust der Zivildienstleistenden gut verkraftet. Zivis seien schließlich schon lange „arbeitsmarktneutral“ eingesetzt worden. Er meint: Sie verrichteten nur Hilfsleistungen, auf die auch verzichtet werden konnte.
„Die Arbeitsmarktneutralität der Zivis war doch immer ein Widerspruch in sich“, sagt hingegen Harald Keiser von der Diakonie in Bayern. „Die Arbeit der Zivis sollte neutral, aber wichtig sein. Wie passt denn das zusammen?“ Der Wegfall des Zivildienstes habe eine Lücke hinterlassen, sagt Keiser. Das räumen dann auch die Verantwortlichen der anderen Verbände ein. „Die jungen Menschen, die sich heute für den Bundesfreiwilligendienst entscheiden, wollen ausprobieren, ob ihnen soziale Berufe Spaß machen. Sie wählen also Bereiche, die sie interessant finden.“ Und das seien nicht unbedingt jene, wo der größte Bedarf ist. Kinder- und Jugendarbeit etwa ist beliebt, das bestätigen alle Verbände, auch die Arbeit in der Drogenberatung und in Obdachlosenheimen. Mit alten Menschen oder mit erwachsenen behinderten Menschen hingegen will kaum jemand arbeiten. Auch für Fahrdienste melden sich Bufdis nicht. Diese früheren Zivildienststellen bleiben unbesetzt.
Die Einrichtungen haben drei Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen: Entweder übernehmen Arbeitnehmer in prekären Arbeitsverhältnissen, zum Beispiel Mini-Jobber, die Leistungen, für die sich keine Freiwilligen melden. Oder hauptamtliche Mitarbeiter hängen ein paar Überstunden dran. Oder aber die Leistungen werden gestrichen.
„Es ist erschreckend, wie schnell sich Menschen an schlechtere Lebensbedingungen gewöhnen“, sagt Harald Keiser zu dieser Entwicklung. Den Zivildienst zurück wünscht er sich jedoch nicht. „Es hat eine Umverteilung stattgefunden: Die Lebensqualität von älteren und behinderten Menschen ist gesunken. Dafür ist die von jungen Menschen gestiegen.“ Brigitte Tiator, bei der Arbeiterwohlfahrt zuständig für Freiwilligendienste, sagt, es sei positiv, dass junge Menschen nicht mehr zu sozialen Diensten gezwungen werden – auch wenn es für andere negative Folgen habe. Nur einen Wunsch haben die bayerischen Sozialverbände zum zweijährigen Geburtstag des BFD: Das Familienministerium soll mehr in die Werbung für den BFD investieren. „Die Bundeswehr geht in die Schulen, um Nachwuchs zu rekrutieren, überall hängen Plakate“, sagt Michael Kroll von der Caritas. „Daran sollte sich das Ministerium ein Beispiel nehmen.“
Tatsächlich hat die Bundeswehr ihren Werbeetat seit Ende der Wehrpflicht fast verdoppelt. 2011 wurden noch 16 Millionen Euro in Werbemaßnahmen gesteckt, dieses Jahr sind es schon 30 Millionen. Doch die hohen Werbeausgaben der Bundeswehr tragen nur wenig Früchte. Insgesamt 20 000 freiwillige Wehrdienstleistende haben sich in den vergangenen zwei Jahren gemeldet. Im Sommer 2011 hatte ein Bundeswehrsprecher noch erklärt, jedes Jahr wolle man 16 000 Freiwillige rekrutieren. Zum Vergleich: 2009 wurden noch 68 000 Grundwehrdienstleistende eingezogen. Positiv für die Bundeswehr ist allerdings, dass die Freiwilligen mehr als doppelt so lange bleiben wie die früheren Wehrdienstleistenden, sie verpflichten sich im Durchschnitt zu 14 Monaten. (Veronica Frenzel)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!