Politik

12.09.2024

Braucht es eine Widerspruchslösung bei Organspenden?

Deutschland liegt bei der Zahl der Organspenden international auf einem der hinteren Plätze. Um das zu ändern, hat der Bundesrat sich für eine Neuregelung ausgesprochen. Damit würden künftig alle als Organspender*innen gelten, die dem nicht zu Lebzeiten widersprochen haben. Der Gesetzentwurf soll in den Bundestag eingebracht werden. Bernhard Seidenath, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, spricht sich für diese Widerspruchslösung aus. Andrew Ullmann, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Gesundheit, ist dagegen

JA

Bernhard Seidenath, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag

Aktuell warten in Deutschland rund 8400 Menschen auf ein Spenderorgan, in Bayern sind es um die 1200. Nach einer Transplantation könnten sie wieder ein Leben in weitgehender Normalität führen. Leider gibt es aber zu wenig Spenderorgane, sodass viele auf der Warteliste sterben.

In den letzten Jahrzehnten wurde vieles unternommen, um Organspende zu fördern: In den Kliniken wurden Transplantationsbeauftragte eingeführt und organisatorische Hürden für Organentnahmen abgebaut. Die Forschung an der Xenotransplantation wurde ebenso vorangetrieben wie die an „non-heart-beating donors“.

Alles bisher ohne durchschlagenden Erfolg: Weiterhin sterben Menschen, die nicht sterben müssten. Daher müssen wir nun einfach den nächsten Schritt gehen: von der Erweiterten Zustimmungs- zur Erweiterten Widerspruchslösung.

Im Grunde ist dies nur ein kleiner Schritt, da die Gespräche mit den Angehörigen genau so wie bisher geführt werden. Ebenfalls wie bisher entscheiden die Angehörigen weiter über ob oder ob nicht. Bisher dürfen Organe nicht entnommen werden, es sei denn, die Angehörigen stimmen zu.

Im Falle einer Erweiterten Widerspruchslösung dürfen Organe entnommen werden, es sei denn, die Angehörigen widersprechen. Die Entscheidung, die getroffen werden muss, bleibt also dieselbe.

Nur die Herangehensweise ist für die Organspende positiver. Mit einer Erweiterten Widerspruchslösung würde der Gesetzgeber nämlich zeigen, dass er Organspende für eine gute Sache hält, was in dieser emotionalen Ausnahmesituation, die sich niemand wünscht, ein psychologisch wichtiger Hinweis ist.

Auch andere europäische Länder wie Österreich oder Spanien zeigen, dass es funktioniert. Deutschland und Bayern sind seit Jahren „Organimportländer“. Das klingt nicht nur furchtbar, es ist auch unethisch! Und das muss sich ändern! Nur mit einer Erweiterten Widerspruchslösung haben wir eine echte Chance hierzu.

NEIN

Andrew Ullmann, Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion für Gesundheit

Jedesmal, wenn wieder in Deutschland über die Widerspruchslösung debattiert wird, dann wird suggeriert, dass sie eben die Lösung des Problems der mangelnden Organspenden wäre. Dem ist nicht so. Richtig ist, dass die Widerspruchsregelung in einigen europäischen Ländern angewendet wird, die höhere Organspenderzahlen als Deutschland aufweisen.

Trotz dieser Korrelation fehlt aber eine klare Evidenz für eine direkte kausale Wirkung des Widerspruchsmodells auf die Spenderrate, was durch niedrige Fallzahlen in Ländern wie Griechenland, Polen oder Luxemburg – trotz geltender Widerspruchsregelungen – unterstrichen wird.

Erfahrungen aus Spanien und Wales zeigen, dass die Einführung der Widerspruchslösung allein nicht zu einem unmittelbaren Anstieg der Spendenzahlen führt, sondern erst in Kombination mit weiteren umfangreichen strukturellen Reformen wirksam wird. Die Widerspruchslösung ist also keine Lösung des Problems.

Die Lösung muss anders aussehen: Wir haben nämlich noch mehr Möglichkeiten, um die Anzahl der Spender zu erhöhen. Die Gefahr besteht, dass diese Möglichkeiten in der Debatte um die Widerspruchslösung untergehen.

Da wäre die Möglichkeit, fachlich und gesamtgesellschaftlich über den Hirntod als Spendekriterium zu debattieren. Wenn wir vom Hirntod zum Herztod übergehen, könnten wir die Spenderzahlen erhöhen. Es ist bedauerlich, dass dies in der Debatte zu selten erwähnt wird.

Alle positiven Beispiele aus dem europäischen Ausland haben das Kriterium des Herztods als Voraussetzung für eine Organspende gemein. Hier liegt demnach eine Kausalbeziehung nahe.

Deshalb werde ich im parlamentarischen Bereich zu einer Diskussion und gegebenenfalls auch zu einer Abstimmung drängen. Denn es gilt alles zu tun, was möglich und ethisch richtig ist, um mit Transplantationen Leben zu retten.
 

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