Politik

07.01.2022

Corona-Demos: ein Grundrecht, das für alle gilt

Ein Kommentar von Tobias Lill

Es ist eines der höchsten Güter einer Demokratie: die Demonstrationsfreiheit. Jeder Mensch darf seine Meinung mit Gleichgesinnten kundtun. Es steht den Behörden und politisch Verantwortlichen nicht zu, darüber zu urteilen, ob für einen vermeintlich guten oder schlechten Zweck demonstriert wird. Zwar finden sich unter den Zehntausenden, die zuletzt gegen die deutsche Corona-Politik demonstrierten, auch viele, die Verschwörungstheorien anhängen. Manche glauben, Bill Gates wolle mithilfe von Corona die Weltherrschaft erlangen, andere faseln, das Virus sei halb so wild. Und ein Teil der Protestierenden ist rechtsextrem. Doch auch für sie gilt Artikel 8 des Grundgesetzes.

Es darf deshalb nicht sein, dass, wie zuletzt mehrfach geschehen, Proteste gegen die Corona-Politik strenger behandelt werden als andere Demos. So wollte etwa die Stadt München die Größe einer angemeldeten Kundgebung auf 2000 Leute begrenzen, was das Verwaltungsgericht zu Recht kippte. Mehrere bayerische Kommunen verbieten „Spaziergänge“ per Allgemeinverfügung sogar pauschal. Noch einen Schritt weiter geht Reutlingen. Dort sind „wöchentlich angemeldete Versammlungen“ von Gegner*innen der Corona-Politik über drei Wochen hinweg verboten. Begründet werden derlei Verbote etwa mit massiven Verstößen gegen das Versammlungsrecht bei früheren Corona-Protesten.

Mit den jetzt benutzten Argumenten hätte man auch viele Anti-Atomkraft-Demos verbieten können

Mit der Argumentation, was bei einer Kundgebung vielleicht alles geschehen könnte, hätten auch Anti-Atomkraft- oder Anti-Rassismus-Demos vorab untersagt werden können. Denn auch dort verstieß in der Vergangenheit mitunter eine kleine Minderheit gegen Gesetze. Schwammige Allgemeinverfügungen sollten nicht der Weg sein, wie unsere Gesellschaft Corona-Kritik begegnet. Wenn Menschen wie in vielen Kleinstädten friedlich „spazieren gehen“, sollte man sie gewähren lassen.
Pauschale Verbote nach dem Kristallkugel-Prinzip oder gar der Einsatz von Schlagstöcken sind häufig nicht nur unverhältnismäßig – sie könnten Protestierende, die zwar gegen die Corona-Politik sind, aber nach wie vor auf dem Boden der Verfassung stehen, erst zum Extremismus animieren. Auch der Infektionsschutz rechtfertigt Verbote nicht. Aerosolforschende halten die Übertragungsgefahren im Freien für äußerst gering.

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