Politik

Corona-Demo: Die Pandemie hat auch einige Verschwörungstheorien befeuert. (Foto: dpa/Stefan Puchner)

19.04.2021

Corona-Krise befeuert Extremismus

Während sich die politische Landschaft auffächert, gibt es auch immer mehr extremistische Gruppen. Zu Neonazis und Linksextremisten haben sich längst Islamisten, sogenannte Reichsbürger und nun auch noch Corona-Leugner gesellt. Viel Arbeit für die Verfassungsschützer.

Verschwörungstheoretiker, Antisemiten und Linksextremisten - sie alle haben in der Corona-Pandemie Auftrieb bekommen. Diese Entwicklung kann nach Ansicht von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mittelfristig zu einer ernsten Gefahr für unsere Demokratie werden. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes sei daher in dieser Zeit wichtiger als jemals zuvor, sagte er am Montag bei der Vorstellung des bayerischen Verfassungsschutzberichtes 2020. Beispiele zu den Erkenntnissen des Nachrichtendienstes in einzelnen Bereichen:

RECHTSEXTREMISMUS:
Herrmann betonte, dass die Gefahr auf beiden Seiten des Spektrums größer werde. "2020 hat die Zahl rechtsextremer und die Zahl linksextremer Gewalttaten gleichermaßen zugenommen. Das ist ein Alarmzeichen für unsere Demokratie", sagte er. Laut Herrmann waren unter den 2455 registrierten rechtsextremistischen Straftaten 81 Gewalttaten. Dies seien etwa ein Drittel mehr Gewalttaten als im Vorjahr. Auch die Zahl der Extremisten auf der rechten Seite sei gewachsen: "Aktuell gehen wir von 2770 Personen aus. Das ist ein Plus von 7,7 Prozent."

REICHSBÜRGER:
Der sogenannten Reichsbürgerszene, die die Bundesrepublik als Staat ablehnt und die in Teilen ebenfalls dem Rechtsextremismus zugeordnet wird, werden im Freistaat rund 4130 Menschen zugerechnet. Von etlichen der "Reichsbürger" geht nach Ansicht der Behörden auch deswegen eine Gefahr aus, weil sie über legale Waffen verfügen.
Im vergangenen Jahr wurden weitere Anhänger der Ideologie identifiziert, die waffenrechtliche Genehmigungen hatten - dies seien somit insgesamt 372 Personen in Bayern. In allen Fällen hätten die Behörden ein Widerrufsverfahren eingeleitet, in 227 Fällen gebe es bereits einen Bescheid dazu. Die Betroffenen hätten 840 Waffen an die Behörden oder andere Waffenberechtigte abgegeben.

LINKSEXTREMISMUS:
Die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten stieg nach Beobachtung der Verfassungsschützer von 47 auf 62. Rund 800 Männer und Frauen werden als "gewaltorientiert" eingestuft, etwas mehr als im Vorjahr. Die von Linksextremisten ausgeübte Gewalt richte sich dabei besonders gegen Polizeibeamte als die sichtbarsten Vertreter des Staates, sagte Herrmann.

ISLAMISMUS:
Die Sicherheitsbehörden rechnen unverändert in Bayern 4185 Personen dem Islamismus zu, davon entfallen allein 2900 auf die islamische Gemeinschaft Milli Görüs. Nach Ansicht der Behörden zeigen Attentate in Frankreich, Österreich und Sachsen, wie gefährlich islamischer Terrorismus weiterhin sei. In Dresden hatte beispielsweise ein Anhänger des Islamischen Staates (IS) zwei Touristen aus Nordrhein-Westfalen mit einem Messer angegriffen. Ein 55-Jähriger starb, ein 53-Jähriger wurde lebensgefährlich verletzt.

CORONA-LEUGNER:
Die Pandemie hat verschiedenste Verschwörungstheorien befeuert, sei es, dass Menschen bei der Impfung ein Chip eingepflanzt werden soll oder dass Computer-Unternehmer Bill Gates hinter allem stecke. Dabei bedienen sich Extremisten verschiedenster Seiten solcher Verschwörungsmythen - dazu kommen Theorien, die nicht unmittelbar immer gleich einer Seite zuzuordnen sind.

"In den digitalen Empörungsstürmen des Internets ist eine sprachliche Entgleisungsdynamik zu verzeichnen, die das gesellschaftliche Kommunikationsklima vergiftet, Hass und Hetze befeuert und extremistischen Botschaften Vorschub leistet", sagt Bayerns Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner zu populären Verschwörungstheorien. Lautstärke übertöne dann die Vernunft.

Die SPD im Landtag fordert, dass Anhänger eines solchen Denkens frühzeitig observiert werden. "In Sachen Demokratiefeindlichkeit stehen Verschwörungserzähler Reichsbürgern in nichts nach", sagte der innenpolitische Sprecher Stefan Schuster. Auch die sogenannte Querdenker-Szene müsse intensiver beobachtet werden. Dies verlangte auch der Grünen-Abgeordnete Cemal Bozoglu.

Innenminister Herrmann sagte, dass "Regierungskritik, Proteste gegen politische Vorhaben oder sogar radikale Ansichten" ausgehalten werden müssten. Auch an "abstruse Verschwörungstheorien" dürfe man glauben und "unsinnige Meinungen" verbreiten. "Eine Grenze ist jedoch dann klar überschritten, wenn vom Systemsturz fantasiert wird, wenn Antisemitismus und Rassismus verbreitet werden oder wenn zu schwersten Gewalttaten gegen staatliche Repräsentanten aufgerufen oder angestiftet wird."

Auch die 2019 gegründete Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS Bayern) hatte bereits darauf hingewiesen, dass mitunter die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen auch zu Antisemitismus genutzt würden. Für Empörung hatte beispielsweise gesorgt, dass Teilnehmer solcher Demos gelbe Judensterne mit der Aufschrift "ungeimpft" trugen.
(dpa)

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