In den Tiefen des Münchner Staatsarchivs schlummert ein eigenartiges Dokument: die Entnazifizierungsakte Adolf Hitlers. Im Herbst 1948 durchlief der tote Führer das Spruchkammer-Verfahren, dem sich ehemalige NS-Funktionäre unterziehen mussten. "Der Betroffene ist am 29.4.1945 in Berlin durch Selbstmord verstorben", hielt die Kammer am 15. Oktober 1948 fest - verhandelt wurde dennoch.
Die Kammer irrte: Hitlers tatsächlicher Todestag war der 30. April. Es ging aber ohnehin weniger um Hitlers Schuld als vielmehr um Hitlers Geld. Das Verfahren war notwendig für den Einzug des Vermögens. Hitler wäre "bei seinen Lebzeiten als Hauptschuldiger einzustufen gewesen", heißt es in der einer breiteren Öffentlichkeit bisher unbekannten Akte. "Bei der Einziehung des gesamten Vermögens ließ sich die Kammer davon leiten, dass die Hinterbliebenen nicht in Not sind."
Die US-Militärregierung hatte angeordnet, dass der Freistaat das NS-Vermögen übernehmen und so weit wie möglich den ursprünglichen Besitzern zurückgeben sollte. "Die Führer und Repräsentanten der NSDAPbesaßen am 30. Januar 1933 im wesentlichen kein nennenswertes Vermögen. Zum größten Teil waren sie sogar erheblich verschuldet", notierte ein Finanzbeamte 1951.
Nicht nur den Juden wurden viele Immobilien abgepresst
Bis 1945 waren die Schuldenmacher dann zu schwerreichen Millionären geworden. Die NSDAP hatte während ihres zwölfjährigen Regimes nicht nur Juden eine Vielzahl von Immobilien abgepresst. Hitler
und seine Helfershelfer schanzten sich aber auch persönlich wertvolle Häuser und Grundstücke zu. So wurde Hitlers Privathaus am Münchner Prinzregentenplatz 16 nach der Währungsreform 1948 auf einen Wert von 150 000 D-Mark taxiert - damals eine fürstliche Summe.
In den Besitz des Freistaats kamen so viele tausend Gebäude und Grundstücke in ganz Bayern. In Franken zählte Görings Burg Veldenstein in Neuhaus an der Pegnitz dazu, in Schwaben die Ordensburg Sonthofen, in Niederbayern das Kloster Niederaltaich.
Bis heute residieren viele Münchner Behörden und Staatsfirmen in NS-Immobilien: Agrarminister Helmut Brunner im Zentralministerium, Wirtschaftsministerin Ilse Aigner im einstigen Luftgaukommando Süd, die Landesbank auf dem Gestapo-Grundstück, die Polizeiinspektion 22 im Hitler-Haus am Prinzregentenplatz.
Dessen ursprünglicher Eigentümer Hugo Schuehlke forderte den Jugendstilbau Ende der 40er Jahre zurück, gab aber schnell auf. Die Akte enthält skurrile Details: So stellte sich vor der Übertragung in Staatsbesitz heraus, dass der Führer Steuern hinterzogen hatte. Die fällige Grundsteuer in Höhe von jährlich 3919,77 Reichsmark war seit 1943 nicht mehr bezahlt worden.
Großer Eifer bei der Verstaatlichung des NS-Besitzes
Sehr viele andere Häuser und Grundstücke aber wurden wieder verkauft. Die Erlöse waren für die Wiedergutmachung gedacht. Nicht nur das Beispiel des Hitler-Anwesens legt die Vermutung nahe, dass die Behörden die Verstaatlichung des NS-Besitzes mit sehr viel größerem Eifer betrieben als die Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer. Der Freistaat war in der Nachkriegszeit so knapp bei Kasse, dass das Schreckgespenst der Zahlungsunfähigkeit vor der Tür stand.
In einem Akt möglicherweise unfreiwilligen schwarzen Humors wurde im Hitler-Haus 1947 die Wiedergutmachungs-Behörde untergebracht. Von dort instruierte das Landesamt seine Mitarbeiter: Parteivermögen müsse rückübertragen werden, "und zwar im Zweifel auf den Freistaat", wie Vizepräsident Dr. Endres schrieb. Der Formbrief hat sich im Staatsarchiv in x-facher Ausfertigung erhalten.
Bei sehr vielen Immobilien findet sich der Hinweis "liegt ein Antrag auf Rückerstattung nicht vor". Nicht klein beigeben wollte 1948 die evangelisch-lutherische Landeskirche. Der Landeskirchenrat forderte sein zerstörtes Domizil in der Münchner Arcisstraße 11 zurück -erfolglos. Denn der Treuhänder verlangte offenbar einen hohen Preis für die Ruine. Erst 1978 konnte der Landeskirchenrat in das restaurierte Gebäude zurückkehren - musste dafür aber dem Freistaat zwei andere wertvolle Bürogebäude im Tausch überlassen.
Wie penibel die Behörden die Verwertung des NS-Vermögens betrieben, zeigt der Fall von Hitlers Geliebter, die in mehreren Akten als "Eva Anna Paula Hitler, geb. Braun", firmiert. 1945 beschlagnahmten US-Truppen ihre Möbel und lagerten sie in einer Kaserne ein. 13 Jahre später machte der Freistaat das Mobiliar zu Geld. So brachte auch Eva Brauns Polsterstuhl Geld in die Staatskasse. "Verwertungserlös fünf Mark", dokumentiert der Kassenbeleg vom 1. Oktober 1958. (
Carsten Hoefer, dpa)
Foto: Hitlers Wohnhaus am Prinzregentenplatz 16 im Münchner Stadtteil Bogenhausen: Nach der Währungsreform 1948 wurde es auf einen Wert von 150 000 D-Mark taxiert - damals eine fürstliche Summe; dpa
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