Politik

Die Pandemie machte auch den Kitas schwer zu schaffen – Elternvertreter wollen mehr Mitsprache. (Fotos: dpa/Jörg Carstensen)

09.07.2021

"Das Sozialministerium ist zu passiv"

Uwe Kriebel und Daniel Gromotka vom neu gegründeten Kita-Netzwerk Bayern über die Erfordernisse der Kinderbetreuung in Pandemiezeiten und danach

Ein Landeselternbeirat für den Kitabereich, der auch gesetzlich verankert ist – das ist eine der Hauptforderungen eines neuen Netzwerks, das sich kürzlich in Bayern gegründet hat. Warum das wichtig ist, erklären Uwe Kriebel (43), Vorsitzender des Gesamtelternbeirats der Kindertagesstätten in Nürnberg, und Daniel Gromotka (43), Vorsitzender des Gemeinsamen Elternbeirats der städtischen Horte und Tagesheime in München.

BSZ: Herr Gromotka, Herr Kriebel – sechs kommunale Kita-Gesamtelternbeiräte aus München, Nürnberg, Ingolstadt und Olching haben sich kürzlich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen. Warum?
Daniel Gromotka: In Bayern gibt es bisher auf Landesebene noch keine demokratisch legitimierte Elternvertretung, die die Belange von betreuten Kindern und ihren Familien vertritt, etwa gegenüber der bayerischen Landespolitik und der Staatsregierung.

BSZ: Und das wollen Sie jetzt ändern?
Uwe Kriebel: Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die direkte Zusammenarbeit auf Landesebene ist, denn von der Staatsregierung werden Entscheidungen getroffen, welche auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Aus diesem Grund ist hier die Staatsregierung unser erster Ansprechpartner, um im Sinne unserer Kinder zu handeln. Falls es übrigens noch weitere Gesamtelternbeiräte gibt, die uns unterstützen möchten – wir freuen uns über jeden neuen Mitstreiter.
Gromotka: Wir von den Gemeinsamen Elternbeiräten in München waren vor zwei Jahren bei der Bundeselternvertretung in Berlin. Dort haben wir gemerkt, dass fast jedes andere Bundesland offiziell gewählte Elternvertreter für den Krippen-, Kindergarten- und Hortbereich hat. Sie haben nicht nur einen direkten Draht zu ihrer Landesregierung, sondern sie können die ganze Elternarbeit gut vernetzen. Da laufen auch Meinungsbildungsprozesse besser ab und man hat bessere Möglichkeiten für Elternbildung und Medienarbeit.

BSZ: Beim Sozialministerium gibt es doch ein Bündnis für frühkindliche Bildung, wo Fragen wie die Kita der Zukunft diskutiert werden.
Gromotka: Darin sind die Eltern bisher aber nicht vertreten. Obwohl das Sozialministerium in seinem eigenen Sachstandsbericht dazu schreibt, dass bei diesem Bündnis alle relevanten Stakeholder mitmachen sollen. Jetzt fordern wir von der Staatsregierung ein, dass da bitte auch Elternvertreter hinzuzuziehen sind.

BSZ: Bisher haben nur Bayern und Sachsen keinen offiziellen Landeselternbeirat für den Kita-, Krippen- und Hortbereich. Welche Argumente werden denn gegen ein solches Gremium vorgebracht?
Kriebel: Was wir immer wieder hören: Es ist zu teuer. Wir können das nicht nachvollziehen, schließlich ist das ein Amt, das wir wie auf kommunaler Ebene ehrenamtlich betreiben. Und außerdem kann man die Kosten erst beziffern, wenn man weiß, welches Konzept einer Landeselternvertretung man haben möchte. Zum anderen wird die Heterogenität der Kindertagesstätten und der Eltern als Argument dafür genommen, dass man diese Bandbreite in einem solchen Gremium gar nicht abbilden könne. Aber genau das ist ja der Grund, warum wir das tun – um mit einer Stimme sprechen zu können. Wir sehen das auch als Möglichkeit, um Ressourcen zu bündeln und zu nutzen. Denn Eltern sind engagiert, gerade wenn es um ihre Kinder geht.
Gromotka: Bisher wird noch immer sehr stark in Trägerstrukturen gedacht. Da heißt es dann, „wir reden mit den Trägern, dann wissen wir ja, was die Eltern wollen“. Aber die Träger der Einrichtungen sind nicht die Eltern, auch wenn sie vielleicht mit deren Interessen vertraut sind. Das ist eine ganz andere Stakeholder-Gruppe. Landeselternbeiräte fallen nicht wie Manna vom Himmel, sondern das ist ein demokratischer Prozess. Vielleicht kann man hier auch die Digitalisierung gut nutzen, dafür sind wir durchaus offen.

BSZ: Was planen Sie als Nächstes?
Gromotka: Ein Schritt wird sein, dass es im Sozialausschuss ein Experten-Hearing zum Thema Landeselternvertretung geben wird. Wir hoffen natürlich, dass wir als Experten dazu gehört werden. Dann sind wir in engem Kontakt mit Landtagsabgeordneten aus allen Landtagsfraktionen – wobei wir immer versuchen, das Thema aus dem parteipolitischen Geplänkel herauszuhalten. Für uns ist das keine Frage von links oder rechts, sondern eine Frage der Notwendigkeit. Außerdem haben wir einen regelmäßigen Austausch mit der Abteilung Kindertagesbetreuung im Sozialministerium. Ein Treffen mit Sozialministerin Carolina Trautner ist aber leider noch nicht zustande gekommen. Überhaupt haben wir nicht den Eindruck, dass das Thema auf der Prioritätsliste der Staatsregierung besonders weit oben steht. Bisher wird eher reagiert als proaktiv agiert.

BSZ: Woran könnte das liegen?
Kriebel: Gewohnheit? Eltern sind unbequem. Da kommen andere Meinungen auf, bei denen man vielleicht ins Nachdenken kommen muss. Man muss unter Umständen gewohnte Strukturen aufgeben und den Mut haben, neue Wege zu gehen.
Gromotka: Und man muss vielleicht auch ein paar Ressourcen aufbauen, muss mit den Kommunen reden. Das ist schon ein etwas umfangreicherer Prozess, und vielleicht war die Bereitschaft dafür einfach noch nicht da. Obwohl wir darin wirklich einen Mehrwert sehen. Wir fordern konkret einen Runden Tisch, gemeinsam mit Landtagsabgeordneten, Trägervertretern und Fachleuten, um zu diskutieren, wie eine Landeselternvertretung Kita in Bayern aussehen sollte – und dann muss das Gesetz entsprechend geändert werden und die Arbeit kann losgehen! Übrigens: Auf Bundesebene wird derzeit ja das Sozialgesetzbuch VIII reformiert. Da wird ein neuer Artikel eingeführt. Demnach sind bei wichtigen Entscheidungen, die die Kindertagesbetreuung betreffen, künftig auch die Eltern miteinzubinden. Da ist der Bund schon weiter als das Bundesland Bayern.
(Interview: Brigitte Degelmann)

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