Politik

14.12.2023

Ist die Krankschreibung per Telefon sinnvoll?

Seit dem 7. Dezember können sich Patient*innen bei Krankheiten ohne schwere Symptome per Telefon krankschreiben lassen – bis zu fünf Tage und nur, wenn sie auch in der Praxis bekannt sind. Die Bundesregierung hat aus einer Corona-Ausnahmeregelung eine dauerhafte gemacht. Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB in Bayern, begrüßt das. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, lehnt das dagegen ab

JA

Bernhard Stiedl, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bayern

Natürlich ist das sinnvoll. Wer will denn in überfüllten Wartezimmern warten, in denen man anderen den Platz wegnimmt und sich im Zweifel sogar noch ansteckt? Wer nur leicht an einer klassischen Erkältung erkrankt ist, sollte dafür nicht zum Hausarzt gehen müssen, wenn die Erkrankung auch am Telefon diagnostiziert werden kann.

Um es noch einmal klarzustellen: Die jetzt getroffene Regelung war zunächst eine Ausnahmeregelung während der Corona-Pandemie, hat sich damals bewährt und wird jetzt dauerhaft eingeführt. Sie gilt nur für Patient*innen, die in ihrer Hausarztpraxis bereits bekannt sind. Deshalb, weil die Hausärztin oder der Hausarzt den Patienten bereits kennt, kann sie auch am Telefon einschätzen, wie schwer die Erkrankung ist.

Beim leisesten Zweifel, oder falls doch eine schwerwiegendere Erkrankung vorliegt, muss eine Vor-Ort-Untersuchung selbstverständlich weiterhin die logische Folge sein. Ein Abtelefonieren, bis eine Praxis gefunden ist, die die gewünschte Krankschreibung ausstellt, ist somit ausgeschlossen. So etwas zu unterstellen, stellt die Beschäftigten auch in ein falsches Licht. Ich würde mir von den Arbeitgebern wünschen, dass sie nicht immer nur das Schlechteste von ihren Beschäftigten denken.

Das größere Problem ist nämlich, dass viel zu viele Beschäftigte sich aus Pflichtbewusstsein krank in die Arbeit schleppen, obwohl sie lieber das Bett hüten sollten. Damit schaden sie sich selbst und stecken schlimmstenfalls auch noch Kolleg*innen an.

Wir begrüßen daher die neue Regelung: Sie vertraut Hausärzt*innen und erkrankten Beschäftigten, sie beschränkt sich auf leichtere Erkrankungen und sie entlastet vor allem die Warte- und Behandlungszimmer in den Arztpraxen. Gerade in der Erkältungs- und Virenzeit und der immer noch vorhandenen Corona-Welle sollten wir darauf achten. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass das von den Beschäftigten in irgendeiner Weise ausgenutzt wird. 

NEIN

Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft

Für den Arbeitgeber ist sie es sicher nicht. Auch wenn die Überlastung der Hausarztpraxen unbestritten ist, darf das Problem nicht an die Unternehmen weitergereicht werden. 

Die Möglichkeit zur Krankschreibung nach telefonischer Anamnese war zu Corona-Zeiten aus Gründen des Infektionsschutzes richtig und wichtig. Für eine Verstetigung der ursprünglichen Sonderregelung gibt es aber keinen Grund.

Die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung ist nun nicht mehr auf Atemwegserkrankungen beschränkt, sondern gilt für alle Krankheitsbilder, die erwartbar keinen schweren Verlauf nehmen. Hier kann naturgemäß eine Vielzahl von Erkrankungen infrage kommen. Die beschlossene Ausweitung führt zu Spielräumen für eine missbräuchliche Nutzung, auch wenn die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in der Breite hier großes Vertrauen entgegenbringen. 

Das Entgeltfortzahlungsgesetz sieht ohnehin vor, dass der Arbeitnehmer normalerweise für die ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit keine Bescheinigung benötigt. Darüber hinaus muss die Regel bleiben, dass eine ordnungsgemäß festgestellte Arbeitsunfähigkeit auf Grundlage einer persönlichen ärztlichen Untersuchung erfolgt. 

Gerade in Zeiten eines sich verschärfenden Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels mit zusätzlich saisonbedingten Ausfällen kann das Fernbleiben von Mitarbeitern insbesondere für kleine und mittlere Betriebe ein Risiko für den ganzen Betriebsablauf bedeuten. Die Unternehmen brauchen daher hier die bestmögliche Planbarkeit, was durch die Möglichkeit der elektronischen Krankschreibung unterminiert wird. Wir sind gerade in konjunkturell unsicheren Zeiten auf jeden verfügbaren, gesunden Mitarbeiter dringend angewiesen. 

Auch in Anbetracht der steigenden Lohnzusatzkosten stellen zusätzliche Krankheitstage eine erhöhte Belastung dar. Die bayerischen Unternehmen beschäftigen sich deshalb intensiv mit dem Thema betriebliche Gesundheitsförderung. Denn Investitionen in die Gesundheit sind die beste Prävention vor Krankheit.
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die Schuldenbremse gelockert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.