Eigentlich ist Günter Beermann kein Mensch, der leicht ins Schwärmen gerät. Doch, wenn der sonst eher nüchterne Diplom Ingenieur in diesen Tagen von Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) spricht, ist er voll des Lobes: „Vorbildlich“ sei die Arbeit des Ministers im Bereich der Windenergie in den vergangenen Monaten gewesen. „Söder ist der Musterschüler. Er hat als erster Minister seine Hausaufgaben gemacht – und das besonders gründlich“, sagt der langjährige Landesvorsitzende des Bundesverbands Windenergie (BWE). Grund für die Euphorie des Lobbyisten: Söders Plan, aus der bisherigen Windrad-Diaspora zwischen Kempten und Coburg in nur wenigen Jahren ein Ökostrom-Mekka zu machen.
Gerade erst gab der Christsoziale Details seiner bereits kurz nach Fukushima angekündigten Windkraft-Offensive bekannt: Er wolle große Teile des Freistaats prinzipiell für den Bau von Windkraftanlagen freigeben und Genehmigungsverfahren radikal vereinfachen, erklärte Söder vergangene Woche.
Windbranche, Grüne und Umweltschützer jubeln
Deutlich transparenter und kürzer sollten die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen künftig werden, ließ er die versammelten Journalisten wissen. Die bisherigen Prüfverfahren seien „sehr aufwändig gewesen“, so der Minister. Folglich hätten sie „eher zur Verhinderung von Windkraftanlagen beigetragen“.
Anders als die meisten seiner Vorgänger sieht Söder – protegiert durch Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) – in den Luftströmen, die über das südlichste Bundesland hinwegziehen, eine Chance und keine Gefahr. „Der Wind, der durch den Freistaat weht, ist eine bayerische Energiequelle. Für Strom, der aus dem Ausland kommt, müssen wir dagegen teuer bezahlen“, betont der Franke.
Söder will deshalb, dass 2 Prozent der Landesfläche in Zukunft generell als für die Windkraft-Anlagen wünschenswerte Gegenden definiert werden. Die Fläche der absoluten „Tabu-Zonen“, die derzeit noch 37 Prozent des Staatsgebietes beträgt – dort dürfen sich prinzipiell keine Räder drehen – soll auf 10 Prozent verringert werden. „Das ist ein kompletter Paradigmenwechsel“, jubelt Beermann. Besonders freut den Unternehmer, dass Firmen künftig auch in Naturparks und vielen Landschaftsschutzgebieten Windparks aus dem Boden stampfen können.
Zudem sollen nach dem Willen Söders Lärmgutachten nur dann noch nötig sein, wenn die Räder näher als 800 Meter an einem Wohnhaus stehen. Auch die Prüfungen in Sachen Vogel- und Fledermausschutz will der neue Herr der Winde beschleunigen. Das Ziel der Reform: Genehmigungsverfahren, die derzeit rund zehn Monate dauern, sollen so auf drei Monate verkürzt werden.
Das Vorbild für den neuen Kurs hat der Minister in Schleswig-Holstein gefunden: Mit einem sogenannten Winderlass hat die dortige Landesregierung – genau wie Rot-Grün in NRW – den Kommunen schon vor einiger Zeit klare Richtlinien bei der Auswahl von Winkraftstandorten vorgegeben. Im Herbst will auch das bayerische Kabinett einen solchen Erlass verabschieden.
Laut Staatsregierung sollen bis zum Jahr 2021 insgesamt 10 Prozent der Energie in Bayern mithilfe des Windes erzeugt werden. Dafür sind nach Angaben des Umweltministeriums bis zu 1500 neue Windräder nötig. Diese Zahl hält auch der Bund Naturschutz für realistisch.
Ende 2010 drehten sich im Freistaat nur 412 Windräder
Derzeit trägt die Windkraft lediglich 1 Prozent zur bayerischen Stromerzeugung bei. Zum Vergleich: Die weit teurere Solarenergie hat bereits einen Anteil von 6 Prozent erreicht. Wie gigantisch das Potenzial der Naturgewalten im Freistsaat ist, zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag des BWE: Bayern wäre den Forschern zufolge in der Lage, bis zu 80 Terawattstunden mithilfe des Windes zu produzieren – das wäre ein Großteil des gesamten Stromverbrauchs.
Der Weg zum grünen Freistaat ist weit. „Die Staatsregierung ist seit Fukushima aber auf einem sehr guten Weg“, findet Beermann. Das klang im vergangenen Jahr noch ganz anders: Damals klagte der BWE-Mann, Bayern sei dabei, den Windkraftboom zu verschlafen. Kein Wunder: Ende 2010 drehten sich im Freistaat nur 412 Windräder – so wenige wie in keinem anderen deutschen Flächenstaat außer dem Saarland und Baden-Württemberg.
Umweltschützer schimpften deshalb lange über die Regierung Seehofer. Heute ist die Kritik verstummt. „Wir freuen uns, dass nun auch in der bayerischen Politik ein frischer Wind weht“, sagt etwa Karsten Smid, Energiexperte bei Greenpeace. Lob kommt auch von den kommunalen Spitzenverbänden und den Grünen im Landtag. „Was Söder macht, geht in weiten Teilen in die richtige Richtung“, sagt deren energiepolitischer Sprecher Ludwig Hartmann. Jetzt müsse der Minister lediglich noch dafür sorgen, dass die Gewinne nicht nur bei den großen Stromanbietern, sondern auch bei den Gemeinden vor Ort ankämen, fordert der Grüne. (Tobias Lill)
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