Politik

Vor allem bei Lehrkräften im Bildungs-, Kunst- und Sportbereich sind die Grenzen zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit oft fließend. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

24.01.2025

Der lange Kampf um die Scheinselbstständigkeit

Ein Gerichtsurteil von 2022 versetzte freiberuflich Tätige in Angst – jetzt ist endlich eine Lösung in Sicht

Viele Freiberufler leben in ständiger Angst, in Wirklichkeit gar nicht selbstständig zu sein. Denn darüber entscheidet bei einem Verdacht die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Doch die Kriterien dafür sind sehr schwammig. Grundsätzlich gilt zwar, dass Freiberufler bei Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit nicht weisungsgebunden sind. Gleichzeitig erwartet jedoch etwa eine Volkshochschule, dass freischaffende Lehrkräfte sich an den Stundenplan halten und in den vorgegebenen Kursräumen unterrichten.

Vor allem bei Lehrkräften im Bildungs-, Kunst- und Sportbereich sind die Grenzen zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit oft fließend. Durch das sogenannte Herrenberg-Urteil von 2022 sind die Kriterien noch strenger geworden. Das Gericht entschied, dass Selbstständigkeit an Musikhochschulen kaum möglich sei. Martin Behm, Leiter einer Musikschule in Potsdam, sieht das anders. Mit einer Petition an den Bundestag wollte er erreichen, dass Selbstständige weiterhin rechtssicher freiberufliche Tätigkeiten im Auftrag Dritter ausführen können.

Denn wenn die DRV Scheinselbstständigkeit feststellt, müssen Sozialversicherungsbeiträge nachgezahlt werden: der Auftragnehmer rückwirkend für bis zu drei Monate, der Auftraggeber für bis zu 30 Jahre. „Das sind horrende Nachzahlungen“, klagt Behm, der auch Vizepräsident des Deutschen Tonkünstlerverbands ist, im Gespräch mit der Staatszeitung. Solche finanziellen Belastungen könne keine Einrichtung tragen, die Zahlungen würden zwangsläufig zu massiven Einschnitten bei Kultur- und Bildungsangeboten führen.

Bei Scheinselbstständigkeit werden horrende Nachzahlungen fällig

Doch nicht alle befürworten Behms Petition. „Freiberuflichkeit unter prekären Bedingungen gefährdet ebenso das Berufsbild Musikschullehrkraft und damit die in der Petition angesprochene Vielfalt innerhalb der Musikschulen“, sagt Holger Denckmann vom Verband deutscher Musikschulen. Ähnlich argumentiert auch die Gewerkschaft Verdi. Statt günstiger Honorarkräfte fordert sie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Musikschullehrkräften und anderen bisher Selbstständigen.

Um seine Petition im Ausschuss persönlich begründen zu dürfen, hätte Behm 30 000 Unterschriften benötigt. Die hat er bis zum heutigen Freitag nicht erreicht. Er ist dennoch zufrieden: Auch durch seinen Druck habe neben der SPD nun endlich die Union im Bundestag die Notwendigkeit einer Reform erkannt. Noch vor der Wahl soll ein Gesetz verabschiedet werden. Es sieht vor, dass es nicht zu Nachzahlungen aus dem Herrenberg-Urteil kommt, dass selbstständige Lehrtätigkeiten auf beiderseitigen Wunsch weiterhin möglich bleiben und dass sich künftig vorab prüfen lässt, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Von dieser Regelung würden alle Selbstständigen profitieren. (David Lohmann)

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