Für Ministerpräsident Markus Söder ist die Sache klar: „Der Flughafen ist und bleibt das Aushängeschild Bayerns.“ Mit Missfallen dürfte er deshalb die kürzlichen Schlagzeilen gelesen haben. Eine kilometerlange Warteschlange am Tag der Deutschen Einheit sorgte am Airport dafür, dass Hunderte ihren Flug verpassten. Flughafenchef Jost Lammers rechtfertigte die Probleme unter anderem mit einem „sehr ungewöhnlichen Anreiseverhalten der Passagiere“.
Ein einmaliger Ausrutscher also? Fachleute sehen es anders. Lufthansachef Carsten Spohr soll den Airport jüngst als unpünktlichsten oder schlechtesten in Europa bezeichnet haben. Für Yvonne Götz von Verdi Bayern ist klar: „So etwas kann am Münchner Flughafen immer wieder passieren.“ Denn anders als es der Flughafen weismachen wolle, seien die zuletzt riesigen Schlangen nicht nur auf äußere Faktoren wie Wiesn-Touristen zurückzuführen. „Das Oktoberfest ist ja nicht vom Himmel gefallen. Auch, dass es bei der S-Bahn Probleme gab, war bekannt“, sagt die Gewerkschaftssekretärin der Staatszeitung. Der zweitwichtigste deutsche Airport habe „strukturelle Probleme“. Es gebe an allen Ecken und Enden zu wenig Personal, klagt Götz. Allein im Bereich Bodenabfertigung hätten im Sommer zur Haupturlaubszeit rund 600 bis 700 Beschäftigte gefehlt. Um den Betrieb in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, seien in verkehrsintensiven Zeiten längere und häufigere Schichten Pflicht. „Manche Kollegen arbeiten dann inklusive 45 Minuten Pause zehn Stunden pro Tag – und das sechsmal die Woche“, behauptet Götz. Und weil Schichten sehr dünn besetzt seien, müssten oft Überstunden gemacht werden.
Hoher Krankenstand
Götz: „Viele Mitarbeitende sind am Limit und können nicht mehr.“ Die Krankenquote liege bei bis zu 19 Prozent; in Spitzenzeiten wie den Sommerferien bei bis zu 23 Prozent. Demnach wäre phasenweise mehr als jeder fünfte Mitarbeitende arbeitsunfähig gewesen.
Ein Airportsprecher sagt dagegen: Die Krankenquote im Flughafenkonzern habe 2023 bei 9,5 Prozent gelegen, im aktuellen Jahr seien es 9 Prozent. „Bei der Tochtergesellschaft des Flughafens, die für Teile der Flugzeugabfertigung zuständig ist, lag der Wert 2023 bei 14,6 Prozent und ist in 2024 ebenfalls rückläufig bei derzeit rund 13 Prozent.“ Die relativ vielen Krankmeldungen seien "insbesondere auch durch die hohen körperlichen Anforderungen zu erklären", so der Sprecher.
Hoch ist der Wert in jedem Fall. Denn bundesweit lag der Krankenstand aller gesetzlich versicherten Arbeitnehmer*innen zuletzt bei rund 6 Prozent.
Die Misere bekommen die Fluggäste nicht nur beim Check-in zu spüren. Götz sagt: „Wir haben auch beim Gepäck weit größere Probleme als früher.“ Da müsse häufiger Gepäck nachgeschickt werden. „Oder es geht gleich ganz verloren.“ Mehrfach gab es Berichte über ein „Koffer-Chaos“. Am Airport gebe es einzelne Tage, an denen zehn oder mehr Flieger ohne Gepäck starten, räumte der Flughafen im Spätsommer ein. Götz sagt: „Viele Leute, die neu anfangen, hören bereits nach einem halben Jahr oder etwas mehr wieder auf.“ Zuletzt seien mitunter Beschäftigte angeheuert worden, denen die nötigen Sprachkenntnisse fehlten. „Man rekrutiert jeden.“ Ein Flughafensprecher sagt: „Trotz umfangreicher Maßnahmen ist es äußerst schwierig, geeignetes Personal zu finden.“ Er verweist auf die in Freising äußerst niedrige Arbeitslosenquote. Dennoch habe man im vergangenen Jahr in allen Bereichen rund 1500 neue Stellen besetzen können. „Im Bodenverkehrsdienst haben wir seit Jahresbeginn rund 560 neue Beschäftigte eingestellt.“ Man investiere viel Geld in gesundheitsfördernde Maßnahmen wie präventive Sportkurse sowie Weiterqualifizierungsmaßnahmen. „Rund zwei Drittel der Beschäftigten in den Bodenverkehrsdiensten kommen aus dem Ausland“, so der Sprecher. 2023 habe der Konzern rund 4 Millionen Euro für Sprachkurse ausgegeben. Zudem biete man Beschäftigten Wohnraum.
Klar ist: Der Unmut der Anteilseigner wächst. Die Stadt München hält 23 Prozent, der Bund 26 und der Freistaat 51 Prozent. Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Schrodi, kritisiert den Personalabbau in der Corona-Zeit. Die Staatsregierung müsse reagieren und „dringend für bessere Arbeitsbedingungen am Flughafen sorgen“. Tatsächlich hat Markus Söder die Probleme mittlerweile zur Chefsache gemacht. „Es wird einen eigenen Vorstand für das Basisgeschäft geben, der sich um diese elementaren Kerntätigkeiten kümmert“, sagte er und versprach die Einstellung 500 weiterer Beschäftigter. Verspätungen müssten verringert werden. Das Ziel bleibe, „dass es eine Freude ist, vom Flughafen München zu fliegen“.
(Tobias Lill)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!