Politik

Gerade für Geschäfte in den Innenstädten bringt „Click & Collect“ nur wenig Umsatz. (Foto: dpa/Marijan Murat)

22.01.2021

Die große Ernüchterung

Online bestellen, Ware abholen: Nicht allen Einzelhändlern in Bayern hilft „Click & Collect“ durch den Lockdown

Ulrike Dietl, Chefin einer Buchhandlung in Landshut, ist vom ersten Tag an dabei. Sich nicht mehr wegen jedes Zehn-Euro-Buches aufs Radl schwingen zu müssen, um es auszuliefern, sei eine große Erleichterung, erzählt sie. Mit „Click & Collect“ dürfen Kund*innen seit dem 11. Januar bestellte Ware auch direkt am Geschäft abholen. „Bei uns funktioniert das hervorragend“, sagt Dietl Anfang letzter Woche.

Viele Geschäfte des Einzelhandels, darunter auch Dietls Buchhandlung, sind seit dem 16. Dezember geschlossen. Das Weihnachtsgeschäft sei noch in Ordnung gewesen, erzählt die Buchhändlerin, auch dank des Online-Auftritts ihres Geschäfts. „Aber nach Weihnachten war tote Hose.“ In der ersten Januar-Woche sei sie gerade mal auf 25 Prozent ihres normalen Umsatzes gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war Click & Collect in Bayern – anders als in anderen Bundesländern – noch nicht erlaubt.

Der Abholservice selbst ist keine Erfindung aus Corona-Zeiten. Firmen wie Ikea oder Saturn bieten ihn schon länger an. Jetzt aber ist genau vorgeschrieben, wie Click & Collect oder auch „Call & Collect“ ablaufen muss, die Bestimmungen sind streng: Der Kunde muss die Ware zwingend vorab bestellen, sei es über das Online-Angebot des Geschäfts, per E-Mail oder Telefon. Manche Geschäfte, die über keinen Online-Shop verfügen, haben ihr Schaufenster entsprechend umgestaltet – mit Telefonnummer im Fenster und Bestellnummern an der ausgestellten Ware. Andere bieten Video-Sprechstunden an. Geht eine Bestellung ein, vereinbart der Händler mit dem Kunden ein Zeitfenster zur Abholung. Kunden müssen dann eine FFP2-Maske tragen.

„Wir sind froh, dass wir für unsere Kunden überhaupt wieder da sein können“, sagt Thomas Deseive, Marktleiter eines Baumarkts in Ebersberg. Sein Fazit nach den ersten Tagen: „Das Angebot wird gut angenommen.“ Gefragt sind bisher vor allem Streusalz und Brennmaterial, das die Kunden im 15-Minuten-Takt abholen.

Von seinen rund 40 Mitarbeiter*innen arbeiten zehn zurzeit im Markt, um für die Abwicklung zu sorgen, E-Mails zu beantworten, die Ware zu packen und dem Kunden auszuhändigen. „Wir packen dem Kunden seine Waren auf einem Wagen zusammen, den er am Eingang zum vereinbarten Zeitpunkt entgegennehmen kann, nachdem er bezahlt hat“, sagt Deseive. Von dem Versuch eines Spontankaufs rät er ab. Die Mitarbeiter würden Zeit brauchen, um die Ware zusammenzusuchen, und es müsste auch noch zeitnah ein Zeitfenster zur Abholung frei sein. „Das kann dann schon mal eine Stunde dauern.“ Ob sich Click & Collect finanziell lohnt? „Es ist kein Vergleich zu einem geöffneten Markt“, sagt Deseive. Er rechnet mit weniger als zehn Prozent des normalen Umsatzes.

Etwa 60 Prozent der Einzelhändler machen mit

Etwa 50 bis 60 Prozent der bayerischen Einzelhändler machen bei Click & Collect mit, sagt Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern. Einige hätten diesen Service schon vor Corona angeboten, viele seien neu dazugekommen. „Ausschlaggebend ist hier nicht die Unternehmensgröße, sondern eher die Branche“, sagt Ohlmann. Für Buchhändler, Baumärkte oder Möbel- oder Haushaltsgeschäfte könne der Service eine Chance sein, zumindest etwas Geld zu verdienen. „In der beratungsintensiven Textilbranche dagegen ist das eher schwierig.“

In der Münchner Innenstadt haben sich dennoch einige große Modehäuser für den Service entschieden, darunter Konen, Lodenfrey und der Herrenausstatter Hirmer. Das Kaufhaus Ludwig Beck hingegen beteiligt sich nicht an Click & Collect, ebenso wenig wie das Traditionsunternehmen Schuh Tretter. Der Abholservice wäre in der Umsetzung zu kompliziert und würde dem Kunden keinen Nutzen bringen, heißt es auf Nachfrage. Deshalb setze man weiterhin auf den firmeneigenen Online-Shop.

„Wir begrüßen, dass Click & Collect jetzt auch in Bayern möglich ist“, sagt Wolfgang Fischer, Chef des Verbands der Innenstadthändler CityPartner. „Aber für den Handel ist das nur ein sehr kleiner Tropfen auf einem sehr heißen Stein.“ Profitieren von dem Konzept würden seiner Meinung nach vor allem die Geschäfte in Wohngebieten. „Die Leute gehen ja zum Bummeln in die Fußgängerzone, und nicht, um dort zu einem bestimmten Termin etwas abzuholen“, sagt er.

Die Zahlen geben ihm recht. Die Zwischenbilanz nach der ersten Woche Click & Collect in der Münchner Innenstadt zeigt, dass sogar 11,4 Prozent weniger Passanten in der Münchner Fußgängerzone unterwegs waren als in der Woche zuvor, als der Service noch verboten war. Das sei aber auch dem schlechten Winterwetter geschuldet, so Fischer.

Kathrin Zirngibl, die ein Schuhhaus in Pfaffenhofen führt, kam das Wetter dagegen gerade recht. „Wir haben jetzt doch mehr Winterschuhe verkauft, als wir dachten“, sagt sie. Der Großteil ihres Geschäfts laufe aber über den Online-Handel. Click & Collect nutzen vielleicht fünf Kunden am Tag, sagt Zirngibl, die den Abhol-Service dennoch für wichtig hält. „Ich sehe meine Kunden wieder und diese sehen, dass es uns immer noch gibt.“

„8000 Einzelhändlern in Bayern droht wegen Corona die Pleite“, sagt Verbandssprecher Ohlmann. Bis zu 25 000 Jobs im Einzelhandel seien gefährdet. Daran werde auch Click & Collect nichts ändern. Was es jetzt brauche: umfassende und großzügige Hilfen für den Einzelhandel. „Wer will, dass es die vielen unterschiedlichen Geschäfte auch nach Corona noch gibt, der muss jetzt handeln.“

Auch Buchhändlerin Dietl klingt nach eineinhalb Wochen Click & Collect-Erfahrung etwas gedämpfter. „Ich bin immer noch sehr dankbar für diese Möglichkeit, aber ich sehe auch die Grenzen“, sagt sie. Gerade ihre älteren Kunden hätten Probleme mit der FFP2-Maske, weil sie damit schlechter Luft bekämen. Und viele junge hätten bei schlechtem Wetter keine Lust, nach draußen zu gehen, nur um ein Buch abzuholen. „Aber ich will nicht jammern“, sagt Dietl. „Wir werden auch diesen Lockdown überstehen.“ Sie ist überzeugt: Dabei helfe auch der Abholservice. Ihre Prognose: 80 Prozent ihrer Stammkunden werden Click & Collect nutzen.
(Beatrice Oßberger)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.