Politik

Die Polizeigewerkschaft sieht Bayern in Sachen Sicherheit sehr gut aufgestellt. Foto: dpa/Puchner

25.06.2021

"Die letzte Bastion gegen Extremisten"

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), attackiert Bayerns Grüne und wirft ihnen fehlende Wertschätzung und mangelndes Vertrauen in die Polizei vor

Die Beschäftigten des Öffentlichen Diensts würden sich „mit allen Kräften den zunehmenden extremistischen Tendenzen in der Gesellschaft in den Weg stellen“, sagt DPolG-Chef Rainer Wendt im BSZ-Interview. Er hofft, dass sich das Lob für die Arbeit der Polizei und anderer Staatsdiener während der Corona-Pandemie bald auch finanziell bemerkbar macht. Das Wahlprogramm der Union gefällt dem CDU- und CSU-Mitglied – bis auf einen Punkt.
 

BSZ Herr Wendt, zuletzt kam es in Bayern mehrfach zu schweren Ausschreitungen, als die Polizei bei Feiern die Einhaltung von Corona-Regeln durchsetzen musste. Sollten die Sperrstunde und die Höchstgrenzen für Menschenansammlungen im Freien gelockert werden, um die Beamtinnen und Beamten zu schonen?
Rainer Wendt: Es gibt verschiedene Stellschrauben, mit deren Hilfe man solche Krawalle wie in Augsburg möglicherweise eindämmen kann: Alkohol- oder Alkoholverkaufsverbote können hier sinnvoll sein. Die Corona-Sperrstunde oder andere Schutzmaßnahmen für Feiern zu lockern wäre dagegen der falsche Weg, denn die Pandemie ist mitnichten schon vorbei. Die Polizei muss dafür sorgen, dass die vor Ort geltenden Schutzregeln auch eingehalten werden. Und das tut sie auch. Aber wir dürfen uns keine Illusionen machen: Es geht nicht nur um Corona-Regeln, es geht um Regelignoranz vieler junger Menschen aus unterschiedlichsten Milieus. Das ist nicht allein mit polizeilichen Mitteln zu lösen.

BSZ: Flaschenwürfe gegen Einsatzkräfte und Schmähgesänge, in denen diese als „Bastarde“ beschimpft werden – woher kommt der massive Hass auf die Polizei als Vertreter des Staates bei manchen Jugendgruppen?
Wendt: Das ist rational überhaupt nicht zu erklären. Diese Entwicklung verschärft sich seit einigen Jahren. Und dieser Hass trifft ja nicht nur die Polizei. Viele Repräsentanten unserer Gesellschaft, die dem Gemeinwohl in irgendeiner Form dienen oder mit ihm in Verbindung gebracht werden, sind betroffen. So wurden vergangenes Jahr laut Statistik fast 2100 Angriffe auf Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter und andere Bahnbeschäftigte registriert – ein Fünftel mehr als 2019. Auch Rettungskräfte oder Feuerwehrleute sind von der Zunahme an Gewalt betroffen. Der Autoritätsverlust des Staates ist enorm.

BSZ: Apropos Ablehnung des Rechtsstaats. Rechtsextremistisches und rassistisches Gedankengut scheint, wie einige Skandale zuletzt zeigten, in der Polizei ebenso wie in anderen gesellschaftlichen Gruppen nicht nur bei Einzelnen verbreitet zu sein. Stehen Ihre Beamten überhaupt selbst noch hinter unserem Staat?
Wendt: Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind die letzte Bastion, die sich mit allen Kräften den zunehmenden extremistischen Tendenzen in der Gesellschaft in den Weg stellt. Sie machen einen sehr guten Job. In der Corona-Krise haben sie gezeigt, dass unser Staat funktioniert. Ohne einen funktionierenden öffentlichen Dienst wäre die Krise nicht vergleichsweise gut bewältigt worden. Ich kann deshalb nur hoffen, dass die maßgeblichen Politiker bei den nächsten Tarifgesprächen auch berücksichtigen, wer sich in der Krise als tatsächlich systemrelevant gezeigt hat. Fakt ist jedenfalls, dass wir in der Corona-Krise Banken weit weniger gebraucht haben als die Feuerwehr und die Polizei.

Wendt: Man muss sichzu demokratischen Parteien bekennen

BSZ: Aber wie sieht es mit den Systemfeinden in den eigenen Reihen aus? Warum haben Sie sich so heftig gegen eine von der SPD geforderte Rassismus-Studie bei den Einsatzkräften gestellt?
Wendt: Es ist unstrittig, dass in unserer Gesellschaft die extremen Pole, links wie rechts, immer stärker werden. Wir haben uns gegen die Studie gestellt, weil schon deren Fragestellung beleidigend war. Bereits im Titel wurde festgestellt, dass es strukturellem Rechtsextremismus bei der Polizei gibt. Das geht gar nicht. Der Vorwurf ist in keiner Weise belegbar. Wir haben nichts dagegen, wenn bei allen Beschäftigten des Öffentlichen Diensts geschaut wird, ob es dort Extremisten gibt – aber sich alleine die Polizei herauszupicken und bereits ein beleidigendes und falsches Ergebnis vorwegzunehmen, das geht gar nicht. So wie Bundesinnenminister Horst Seehofer die Studie nun umsetzten lässt, finden wir sie aber gut. Dort soll es um die gesamte Situation der Polizei gehen und nicht nur um einen einzigen Aspekt wie etwa Rassismus.

BSZ: Sie sind CDU-Mitglied. Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, Sie machten Wahlkampf für die Union?
Wendt: Wann, wenn nicht jetzt, ist es notwendig, sich zu demokratischen Parteien zu bekennen? Wir erleben ja, dass hierzulande wie auch in ganz Europa die Gesellschaft gespaltener ist als je zuvor. Angesichts der wachsenden politischen Ränder, rechts wie links, ist es wichtiger denn je, sich für demokratische Parteien einzusetzen. Dass ich bei der Union bin, ist kein Geheimnis. Im Übrigen wird ein DGB-Gewerkschafter, der sich für die SPD engagiert, nie nach dem Warum gefragt.

BSZ: Sie haben ihren Hauptwohnsitz bis Januar in München gehabt. Deshalb sind Sie auch in der CSU. Finden Sie es schade, dass Markus Söder nicht nach Berlin gehen wird?
Wendt: Herr Söder ist ein hervorragender Ministerpräsident und Parteivorsitzender. Ich verwende meine Energie nicht mit Vergangenheitsbewältigung. Ich sehe stattdessen meine Aufgabe, mit dafür zu sorgen, dass Herr Laschet Bundeskanzler wird.

BSZ: CDU und CSU sind in ihrem Wahlprogramm sowohl gegen neue Schulden als auch gegen jegliche Steuererhöhungen – selbst für Superreiche. Mit welchem Geld sollen denn dann neue Stellen bei der Polizei geschaffen und die Löhne für die Sicherheitskräfte erhöht werden?
wendt Bei der Bundespolizei entstehen ja gerade viele Stellen und es wurden bereits viele geschaffen. Die Ausbildungseinrichtungen sind voll. Aber natürlich braucht es ausreichend Mittel, um die Stellen und Lohnerhöhungen zu bezahlen, der Gesetzgeber ist in der Pflicht, diese bereitzustellen. Es gibt einen Aspekt, der mir am Unions-Bundestagswahlprogramm ganz und gar nicht gefällt: Die Wiedereinführung der 2007 abgeschafften Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage soll demnach nur geprüft werden. Die Zulage zählt derzeit nicht für die Berechnung der Pension mit. Hier hätte ich mir mehr gewünscht, geprüft wurde lange genug, man muss das endlich machen. Das wäre ein Zeichen der Wertschätzung.

„Seehofer ist einer der besten Innenminister“

BSZ: Noch einmal: Woher soll denn nun das Geld kommen?
Wendt: Wenn man mit den Steuermitteln sorgfältiger als in der Vergangenheit umgeht, dann ist auch genug Geld für die Mitarbeitenden des öffentlichen Dienstes da.

BSZ: Bayern gilt als besonders sicher. Was macht der Freistaat besser als andere Länder?
Wendt: Bayern hat hochmotivierte Beschäftigte bei der Polizei. Eine entscheidende Ursache dafür und für die gute Arbeit ist, dass sich der Freistaat zu seiner Polizei bekennt. Wenn man in Berlin lebt, sieht man tagtäglich genau das Gegenteil. In der Bundeshauptstadt regieren Politiker, die ihren Sicherheitsbehörden ständig misstrauen und diese ständig drangsalieren. In Berlin unterstellt die Regierung der Polizei, sie diskriminiere Menschen. In Berlin wurde unter dem harmlosen Begriff Polizeibeauftragter eine politische Paralleljustiz gegen die Polizei installiert. Das alles ist in Bayern undenkbar. Hier herrscht eine große Wertschätzung und Vertrauen in die Polizei seitens der Politik – allerdings mit Ausnahme einer Partei: den Grünen.

BSZ: Würden Sie sich auch weiterhin einen CSU-Bundesinnenminister wünschen?
Wendt: Ich wünsche mir vor allem einen Innenminister aus Reihen der Union. Klar ist: Horst Seehofer ist einer der besten Innenminister, die wir seit langer Zeit hatten.

BSZ: Im Frühjahr klagten Kommunen, dass sie angesichts der vielen Verstöße gegen Corona-Regeln mit deren Ahndung kaum noch nachkommen. Wie erging es der Polizei? Litt die Verfolgung echter Verbrecher unter den vielen Kontrollen?
Wendt: Nein. Dass die Polizei in bestimmten Situationen Schwerpunkte setzen muss, ist ihr tägliches Handwerk. In einigen Bereichen wie dem Fußball oder in der Verkehrsunfallbekämpfung waren Kapazitäten zumindest zeitweise frei geworden, die woanders eingesetzt werden konnten. Die Polizei hat während der Corona-Krise enorme Flexibilität bewiesen. Sie ist der flexibelste Teil der öffentlichen Verwaltung, weil sie blitzschnell umschalten und neue Schwerpunkte setzen kann. Die normale Kriminalitätsbekämpfung hat jedenfalls während der Pandemie bislang nicht gelitten.

BSZ: Die Impfstellen übermitteln dem RKI nicht den vollen Namen eines Geimpften, sondern nur ein Pseudonym. Um gegen Impfpassbetrüger vorzugehen, forderten Sie, der Polizei Zugriff auf die Impfdaten zu geben. Mögen Sie keinen Datenschutz?
Wendt: Doch, wir mögen Datenschutz, aber wir mögen auch Pandemieschutz. Und um diesen zu gewährleisten, muss man effektiv gegen Impffälscher vorgehen. Und unser Vorschlag würde hier Kontrolle bringen. Denn auch der neue digitale Impfpass schützt übrigens vor Betrug nicht. Denn hier kann ja ebenfalls nicht geprüft werden, ob die Daten stimmen. Ein wirksamer Seuchenschutz geht anders. Der Datenschutz müsste hier zurückgestellt werden.

BSZ: Sie wären 2019 beinahe Staatssekretär in Sachsen-Anhalt geworden. Sind Sie noch traurig, dass es nicht geklappt hat?
Wendt: Nein. Ich wäre es gerne geworden, weil es eine spannende Aufgabe ist. Aber so habe ich auch als DPolG-Vorsitzender genug zu tun. Und die Delegierten haben mich im Januar für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Würde heute noch einmal jemand mit einem solchen Angebot anrufen, würde ich mit Sicherheit Nein sagen.
Interview: Tobias Lill
 

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