Politik

Vorsicht bei Kindern und Tieren: Um schnell viel Geld zu sammeln, setzen unseriöse Spendenorganisationen oft auf Mitleid statt auf Fakten. (Foto: dpa)

24.11.2017

Die Masche mit der Barmherzigkeit

Nicht alle Spendenorganisationen sind seriös – wie sich schwarze Schafe erkennen lassen

Gerade zur Weihnachtszeit sitzt das Portemonnaie bei vielen Bürgern locker – das wissen auch Gauner. Die meisten Spendenorganisationen sind zwar vertrauenswürdig. Doch manche wollen nur die Hilfsbereitschaft der Menschen ausnutzen. So betrieb zum Beispiel eine Oberpfälzerin zwischen 2014 und 2016 ein Callcenter, das gutgläubigen Spendern 15 Euro für Kuscheltiere für Kinderkrankenhäuser abschwatzte. Außerdem sammelte die 44-Jährige Geld für ein fränkisches Frauenhaus und für eine Weihnachtsaktion für bedürftige Kinder. Das Problem: Alles war frei erfunden. Insgesamt hat die Frau so 1633 Spender betrogen und fast 110 000 Euro Spendengelder selbst einkassiert.

Das Bayerische Rote Kreuz warnt heuer besonders vor angeblichen Mitarbeitern, die Geld für Flüchtlinge sammeln. Hinzu kommen dubiose Spendensammler, die mit ihren Büchsen auf den Einkaufsstraßen stehen. Häufig ist unklar, was mit den Spenden geschieht. Dennoch ist das Sammeln nicht verboten: In Bayern müssen Haus- und Straßensammlungen seit 2008 nicht mehr genehmigt werden. Die kuriose Folge: Während einige bayerische Spendenorganisationen beispielsweise in Rheinland-Pfalz längst als unseriös eingestuft wurden, dürfen sie im Freistaat weiter ungestraft Geld sammeln.

Insgesamt lag das Spendenaufkommen 2016 laut Deutschem Spendenrat bei 5,3 Milliarden Euro – das zweitbeste Ergebnis der letzten zehn Jahre. Nur 2015 wurde nach dem Erdbeben in Nepal und der großen Flüchtlingsbewegung mehr gespendet. Nach Schätzungen der Caritas kommen rund 20 Prozent der Gelder aus Bayern. Damit liegt das Spendenaufkommen rund ein Drittel über dem Durchschnitt des restlichen Bundesgebiets. Doch wie kann man bei bundesweit 600 000 Vereinen und rund 22 000 rechtsfähigen Stiftungen schwarze von weißen Schafen unterscheiden?

Skeptisch sollten Bürger sein, wenn statt auf Fakten auf Emotionen gesetzt wird. „Plakative, stark emotionalisierende Texte und Mitleid erregende oder sogar die Menschenwürde verletzende Fotos sind Kennzeichen unseriöser Briefwerbung“, warnt das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI). Weitere Kennzeichen unseriöser Vereine oder Organisationen seien sehr aufdringliche Werbung, undurchsichtige Organisationsstrukturen oder hohe Werbe- und Verwaltungskosten. Auf seiner Webseite warnt das DZI unter anderem vor dem Mutter Teresa Kinderhilfswerk. Nicht förderungswürdig sei auch der Verein „Entstrickung“ zur Prävention sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen.

Vorsicht bei Spenden in sozialen Netzwerken

Die Verbraucherzentralen warnen insbesondere vor Spendenaufrufen in sozialen Netzwerken. Dort wird häufig mit Tieren um Geld gebettelt, weil zum Beispiel angeblich das Futter für den Hund zur Neige geht. Vor einer Spende sollte dringend der Jahresbericht gelesen und geprüft werden, ob der Verein oder die Organisation als gemeinnützig anerkannt ist. Ansonsten lässt sich die Spende auch nicht steuerlich absetzen. Das Verbraucherschutzministerium in Bayern rät zudem, sich beim Kauf von Blinden- und Behindertenware immer den Blindenwarenvertriebsausweis zeigen zu lassen.

Die Stiftung Warentest hat in den letzten Jahren Spendenorganisationen getestet. Im Bereich Tier-, Natur-, Arten-, Umwelt- und Klimaschutz verweigerten 17 von 44 „aus meist kaum nachvollziehbaren Gründen“ die Auskunft. Transparent und gut organisiert hingegen waren nur Atmosfair, der Bund für Umwelt und Naturschutz, der Deutsche Tierschutzbund, Greenpeace, Provieh und der WWF. Bei Organisationen von Prominenten lehnten 18 von 28 eine Teilnahme am Test ab. Besonders gut schnitten die Hilfswerke von Florian Langenscheidt, Karlheinz Böhm und Hannelore Kohl sowie die Hans-Rosenthal-Stiftung ab.

Stiftung Warentest empfiehlt Verbrauchern, sich am DZI-Spendensiegel zu orientieren. Es belege, dass eine Organisation mit den ihr anvertrauten Geldern sorgfältig und verantwortungsvoll umgeht. Aktuell schmücken sich 230 Organisationen damit – auch das Bundesentwicklungsministerium und das Auswärtige Amt richten sich danach. Allerdings ist die Beantragung des Siegels mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Einige Organisationen können sich die Gebühren nicht leisten oder möchten ihre Spendengelder nicht dafür verwenden.

Die Phineo-Studie Wirkungstransparenz bei Spendenorganisationen stellte in ihrer jüngsten Erhebung fest, dass 54 Prozent aller getesteten Organisationen mindestens vier von fünf Sternen erhielten – 2014 waren es lediglich 36 Prozent. Zu den Top 5 gehören die Deutsche Welthungerhilfe, World Vision, Ärzte ohne Grenzen, Care und Unicef. Insgesamt schnitten die Organisationen mit DZI-Spendensiegel tatsächlich überdurchschnittlich gut ab. Größtes Manko bleibt laut Studie aber die Wirkungstransparenz, also welche Ziele eine Organisation hat und wie erfolgreich die Umsetzung war. Das gilt vor allem für Non-Profit-Organisationen aus den Bereichen Soziales, Gesundheit und Wohlfahrt.

Die Höhe der Verwaltungskosten wurde in der Phineo-Studie nicht überprüft. Dabei ist das ein entscheidender Faktor: Sowohl zu hohe als auch zu niedrige Kosten können ein Zeichen von Unprofessionalität sein – wer Millionen verwaltet, braucht schließlich eine gute Buchhaltung. Laut DZI sind Werbe- und Verwaltungskosten in Höhe von bis zu 30 Prozent der jährlichen Gesamtausgaben vertretbar. Wem das zu viel ist, der sollte sich nach kleineren Spendenorganisationen umschauen.

Bei Promoting Africa beispielsweise, dem Verein der ehemaligen Grünen Landtagsabgeordneten Ruth Paulig aus Herrsching, flossen im letzten Jahr von jedem Euro knapp 97 Cent in die eigentliche Projektarbeit. Statt per Brief oder in Zeitschriften macht der Verein ausschließlich in sozialen Netzwerken Werbung. Die Vorstandsmitglieder arbeiten alle ehrenamtlich und zahlen sogar die jährlichen Flüge nach Kenia privat. Die Qualität muss darunter nicht leiden, sagt Paulig und erklärt: „Wir hatten über Jahre einen Ex-Finanzcontroller von Linde, der unsere Abrechnungen der Projekte akribisch verwaltete.“ (David Lohmann)

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