Politik

Einige Stimmzettel von im Ausland lebenden Deutschen kamen wohl nicht rechtzeitig zur Auszählung der Bundestagswahl an. (Foto: dpa/Bernd Weißbrod)

21.03.2025

Die Stimmabgabe als Glücksspiel

Nur ein kleiner Teil der Millionen Deutschen im Ausland geht wählen – weil die Hürden zu hoch sind

Am Ende fehlten 9528 Stimmen zum Einzug in den Bundestag. Und so verwunderte es nicht, dass das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) den Blick auch auf die wahlberechtigten Deutschen im Ausland richtete. Offenbar hatten einige von ihnen ihre Stimmen nicht rechtzeitig abgeben können, weil der Versand der Wahlunterlagen zu lange dauerte. Waren darunter auch viele Stimmen für das BSW? Hätten diese Stimmen das BSW über die Fünf-Prozent-Hürde und damit in den Bundestag gehievt? Es wird sich wohl nicht klären lassen.

Wie die sogenannten Auslandsdeutschen abstimmen, wird nämlich nicht gesondert erfasst. Sie werden einfach dem deutschen Wahlkreis zugeordnet, in dem sie zuletzt lebten. Klar ist, dass sich für diese Bundestagswahl 213.699 Wahlberechtigte im Ausland registrieren ließen, mehr als je zuvor. Und doch ist die Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen äußerst niedrig. Nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes leben zwischen drei und vier Millionen Deutsche im Ausland, die Mehrheit ist schätzungsweise im wahlberechtigten Alter. Also läge die Wahlbeteiligung im einstelligen Prozentbereich.

Warum nur so wenige Auslandsdeutsche wählen, ist wissenschaftlich nicht grundlegend erforscht. Fachleute gehen aber davon aus, dass es auch an den gesetzlichen Hürden liegt: Wer im Ausland lebt und wählen will, muss erst einmal die Aufnahme in ein Wählerverzeichnis beantragen. Bislang musste dafür der Originalantrag an die jeweilige Heimatgemeinde geschickt werden. Bei dieser Wahl konnte man den Antrag immerhin erstmals auch per Fax, E-Mail oder sonstiger elektronischer Technik senden. Das galt zumindest für alle, deren letzter Aufenthalt in Deutschland nicht länger als 25 Jahre zurückliegt und die nach ihrem 14. Lebensjahr mindestens drei Monate am Stück in Deutschland lebten. Sicher auch wegen dieser Änderung des Wahlrechts stieg die Zahl der Registrierten diesmal deutlich an.

Aber mit der Registrierung ist es nicht getan. Schon im Inland wurde diesmal die rechtzeitige Zustellung der Briefwahlunterlagen wegen der knapperen Fristen der vorgezogenen Wahl zur Herausforderung. Im Ausland wurde sie Medienberichten zufolge geradezu zum Glücksspiel. Nicht jede Kommune verschickte die Unterlagen sofort. Und oft führte die Route auf dem Hin- und Rückweg sogar über Drittländer, sodass die Post lange unterwegs war. Teilweise zu lange. Am Ende landete so nicht jede Stimme aus dem Ausland rechtzeitig in einer Wahlurne. Die Beschwerden über verspätet erhaltene Wahlunterlagen bestätigt auch die Bundeswahlleiterin. Wie viele Wahlzettel tatsächlich nicht berücksichtigt werden konnten, das erfasst ihre Behörde aber nicht.

Was könnte helfen, dass künftig mehr Auslandsdeutsche wählen und die Wahrscheinlichkeit einer zu spät abgegebenen Stimme sinkt? Die Bundeswahlleiterin erwähnt auf Anfrage die Verbesserung des Versands als eine Option. So könnte man beispielsweise festschreiben, dass Kommunen nur zuverlässige Dienstleister und Expresslieferungen verwenden dürfen. Dafür müsste der Gesetzgeber das Wahlrecht ändern.

Mario Martini, Inhaber des Lehrstuhls für Recht und Digitalisierung an der Universität der Bundeswehr München, hat weitergehende Pläne. Eine Möglichkeit sieht er im Einrichten von Wahllokalen in den jeweiligen deutschen Botschaften und Konsulaten. So wird es von einigen anderen Ländern praktiziert.

Anmelden per Onlineausweis – odergleich digital wählen?

Einziges Problem: Die Erststimme ist in Deutschland wahlkreisbezogen. Man müsste also aktuell an jedem Standort Stimmzettel für alle 299 Wahlkreise bereithalten. Als praktische Alternative schlägt Martini einen eigenen Wahlkreis für Auslandsdeutsche vor – so macht man es auch in Frankreich.

Zudem hält er die Frist von 60 Tagen, die das Grundgesetz nach Auflösung des Bundestags für Neuwahlen ansetzt, für zu gering. Diese müsste verlängert werden. Aus Martinis Sicht müsste man auch an die Registrierung ran: Warum nicht ein dauerhaftes Wählerverzeichnis schaffen, mit dem sich die wiederkehrende Registrierung erübrigen würde? Oder eine einfachere digitale Registrierung für Auslandsdeutsche: Schon 2022 hatte Martini in einem Papier vorgeschlagen, den elektronischen Personalausweis um diese Funktion zu erweitern.

Diese Idee fände auch Simone Ehrenberg-Silies, Expertin für digitale Wahlen vom Berliner Institut für Innovation und Technik, charmant. Dank Zwei-Faktoren-Authentifizierung gilt der Onlinepersonalausweis schließlich als sehr sicher, er gibt nur so viele Daten preis wie notwendig und das Verfahren ginge schnell. Nur lässt es das geltende Recht nicht zu.

Die Rechtslage steht auch einer weiteren Möglichkeit entgegen: Wählen per Internet. Das Bundesverfassungsgericht zeigte sich immer wieder in Urteilen sehr vorsichtig, wenn es um dieses Thema ging. Und auch politisch gab es zuletzt keine Initiativen in dieser Richtung.

In der Schweiz konnten im Ausland lebende Wahlberechtigte zuletzt bei Wahlen testweise übers Internet abstimmen. In den Pilotkantonen stieg die Wahlbeteiligung daraufhin zumindest auf mehr als 20 Prozent.

Die Auslandsschweizer seien politisch sehr aktiv, sagt Expertin Ehrenberg-Silies. Anders als die Auslandsdeutschen. „Es gibt ja nicht einmal einen Sprecher. Und es gibt keine Organisation, die sagt, das ist unser Thema“, erklärt Ehrenberg-Silies. Deswegen werde sich bis zur nächsten Bundestagswahl auch wenig für die Auslandsdeutschen ändern, befürchtet sie. (Thorsten Stark)
 

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