Politik

Es droht eine weitere Verschärfung der Abgasregeln in Europa. (Foto: dpa/Hildenbrand)

29.09.2023

Dieselfahrverbot in Citys droht

Die EU-Kommission plant eine massive Verschärfung der Luftqualitätsrichtlinie

Noch fast unbemerkt von der Öffentlichkeit plant die EU eine weitere Verschärfung der Luftqualitätsrichtlinie. So sollen die Grenzwerte für Stickoxid und Feinstaub in rasantem Tempo massiv herabgesetzt werden. Die aktuell gültigen 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft sollen auf 20 Mikrogramm halbiert werden. Einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission hat das EU-Parlament am 13. September 2023 verabschiedet. Jetzt muss das EU-Parlament mit dem Rat, in dem die EU-Mitgliedstaaten repräsentiert sind, Verhandlungen über die endgültige Form des Gesetzes aufnehmen.

Dieses wird enorme Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr und die Gewerbebetriebe in Ballungsräumen haben. Denn das Ganze wird, sollte es Realität werden, auf Dieselfahrverbote in den Stadtzentren hinauslaufen. Handwerksbetriebe, Lieferdienste, Privatpersonen und sogar Rettungsdienste sowie Kommunalbetriebe (Müllabfuhr) dürften ein riesiges Problem kriegen. Deren Fahrzeuge fahren meist noch mit Diesel.

Die Deutsche Umwelthilfe dagegen dürfte sich freuen und wie schon in der Zeit von 2017 bis 2019 die deutschen Städte mit Klagen überziehen, um großflächige Fahrverbote zu erwirken.

Zur Erinnerung: Hintergrund der damaligen Klagen war eine entsprechende EU-Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2007. Diese Richtlinie sah Grenzwerte von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft vor. Ende des Jahres 2017 waren es 90 deutsche Städte, in denen diese Grenzwerte nicht eingehalten werden konnten. Damit stand aber Deutschland nicht allein, sondern weitere acht Mitgliedstaaten der EU wurden mit Vertragsverletzungsverfahren durch die EU überzogen. 

Dass die Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) keine Strafzahlungen auslöste, ist der Tatsache geschuldet, dass die damalige Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen im Rahmen des Sofortprogramms Saubere Luft ergriffen hat. 2 Milliarden Euro wurden für die Elektrifizierung des Verkehrs, die Nachrüstung von Dieselbussen im ÖPNV und für die Digitalisierung des ÖPNV ausgegeben. Das Programm war so erfolgreich, dass heute nur noch München und Essen die Grenzwerte reißen.

300 deutsche Städte betroffen?

„Sollte die neue Verschärfung kommen, die nach ersten Hochrechnungen wohl 300 Städte hierzulande betreffen wird, werden wieder enorme Summen fällig“, prognostiziert Erlangens Altoberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU), der von 2017 bis 2020 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für das Sofortprogramm Saubere Luft war.

Auch die CSU warnt: „Bereits der Kommissionsvorschlag zur Luftqualitätsrichtlinie schlägt dem Fass den Boden aus – linke Mehrheiten im Parlament sorgten darüber hinaus für eine Verschlimmbesserung. In den letzten Jahren haben wir im Bereich der Luftqualität erhebliche Fortschritte erzielt“, echauffiert sich der Augsburger CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Die überarbeitete Luftqualitätsrichtlinie blendet das seiner Ansicht nach völlig aus und stellt in vielerlei Hinsicht eine massive Belastung für Verbraucher*innen und Kommunen dar. „Die Kommission, aber auch Linke, Grüne und Sozialdemokraten zeigen abermals, wie weit entfernt sie in ihrem Elfenbeinturm von den Realitäten der Menschen sitzen“, so Ferber.

In Nürnberg zum Beispiel hat man in den letzten Jahren die Luftqualität deutlich verbessert und seit 2019 die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid immer eingehalten. Zur geplanten Verschärfung sagt Nicola Mögel vom Umweltreferat der Stadt Nürnberg: „Die vorgeschlagenen Luftqualitätswerte können nur erreicht werden, wenn alle Sektoren (Industrie, Landwirtschaft, Verkehr) ihre Schadstoffemissionen begrenzen.“

Nürnberg sieht ebenso wie das Präsidium des Deutschen Städtetags die Gefahr, dass der Druck und die Folgen von Grenzwertüberschreitungen auf die Städte abgewälzt werden. „Diese Debatte“, so Stadtsprecherin Mögel, „muss insbesondere für die Feinstaub- und NO2-Grenzwerte geführt werden. Hier sind die Möglichkeiten der Städte weitestgehend ausgeschöpft, wirksame Maßnahmen zu ergreifen.“

Ob dann nur noch mit E-Autos in die Innenstadt gefahren werden kann oder Betriebe abwandern, will sie nicht prognostizieren – nur so viel: „Wenn die Grenzwerte in eine neue, gültige Gesetzgebung eingebunden sein werden, und wenn Nürnberg die neuen Grenzwerte nicht einhalten kann, muss ein neuer Luftreinhalteplan erstellt werden.“

Jedenfalls will Nürnberg bis 2035 eine klimaneutrale Stadtverwaltung haben, die nur noch mit E-Autos unterwegs ist. Auch die Busse des ÖPNV in der Frankenmetropole sollen dann nur noch mit Strom fahren.

Aus dem bayerischen Umweltministerium verlautet, dass auch die geplanten EU-Grenzwerte für Feinstaub in absehbarer Zeit erreicht werden können. „An der hochbelasteten Landshuter Allee in München hat der Freistaat Luftfiltersäulen zur Erprobung ihrer Wirksamkeit installiert“, so eine Ministeriumssprecherin.

Skeptisch ist man bei der IHK München. Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl befürchtet einen „erneuten Wettlauf um die härtesten Grenzwerte, in dem sich die deutsche Politik einmal mehr als Musterschüler hervortun wird“.

Mit den neuen Grenzwerten droht jedenfalls ein Dieselfahrverbot durch die Hintertür. Soll das verhindert werden, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten wehren. Nimmt man noch die Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte und die Abgasnorm Euro 7 hinzu, drängt sich nicht nur für CSU-Mann Ferber der Gedanke auf, dass die EU-Kommission die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer zerstören will. (Ralph Schweinfurth)
 

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