Politik

Mit Konfetti bejubeln die Fraktionsmitglieder der Grünen im Bundestag in Berlin das Ergebnis nach der Abstimmung . (Foto: dpa)

30.06.2017

"Ehe für alle" beschlossen

Geschichte wird gemacht: Bundestag sagt Ja zur Ehe für Homosexuelle. Auch 75 Unionsabgeordnete stimmten dafür - darunter sieben aus der CSU

In einer historischen Entscheidung hat der Bundestag Ja zur Ehe für Homosexuelle gesagt. Nach einer ergreifenden Debatte mit viel Emotionen und Appellen, aber auch Kritik und Zweifeln stimmte am Freitag eine große Mehrheit der Abgeordneten für die Ehe für alle, darunter auch 75 aus der Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) allerdings votierte mit Nein. "Für mich ist die Ehe im Grundgesetz die Ehe von Mann und Frau", sagte die CDU-Vorsitzende nach der Abstimmung.

Nach der Entscheidung liefen Abgeordneten und Besuchern vor Glück Tränen über das Gesicht. Merkel hatte am Montagabend überraschend erklärt, sie plädiere für eine Gewissensentscheidung bei diesem Thema. Der Koalitionspartner SPD sowie Linke und Grüne hatten die Abstimmung daraufhin gegen den Willen von CDU/CSU am Freitag durchgesetzt. Die Union sieht darin einen Vertrauensbruch.

Gleichwohl stimmten am Freitag nicht nur SPD, Grüne und Linke für den Gesetzentwurf des Bundesrates, sondern auch fast ein Viertel der Unions-Abgeordneten. Die Fraktionsdisziplin war aufgehoben worden. Insgesamt votierten 393 Parlamentarier mit Ja, 226 mit Nein, vier Abgeordnete der Union enthielten sich. 623 der insgesamt 630 Parlamentarier waren zur Abstimmung gekommen.

Merkel selbst votierte mit "Nein"

Merkel erklärte anschließend, sie setzte nun auf Respekt und Frieden. Sie selbst sei zu der Überzeugung gelangt, dass die Volladoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein sollte. Doch der grundgesetzliche Schutz nach Artikel 6 beinhalte für sie die Ehe für Mann und Frau. Sie hoffe aber, dass nun "ein Stück gesellschaftlicher Friede geschaffen werden konnte". Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak warb in der Debatte eindringlich bei seinen Fraktionskollegen für die Unterstützung des Gesetzentwurfes. Er sagte: "Kein Kind wird weniger geboren, nur weil es Schwulen und Lesben auch möglich ist zu heiraten." Die Ehe sei konservativ und spreche für Tradition.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs hielt regelrecht eine Wut-Rede darüber, dass Merkel und ihre Union so lange eine Abstimmung verhindert hatten. Merkel rede "verschwurbelt", ihre Ansichten seien "erbärmlich" und "peinlich". Kahrs schimpfte: "Es steht mir bis hier." Er rief: "Wir haben die Gleichstellung verdient."

Große Freude über die völlige Gleichberechtigung von Homosexuellen, für die er Jahrzehnte kämpfte, zeigte hingegen Volker Beck (Grüne). Ihm liefen die Tränen über das Gesicht, als er anschließend dem TV-Sender Phoenix sagte: "Das ist wirklich ein toller Sieg, weil es ein stückweit gesellschaftlicher Frieden bedeutet."

Letzte konservative Bastion gefallen

Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner trat mit einer Regenbogenkrawatte ans Mikrofon und sprach von einem wunderschönen Tag, an dem Liebe und Verstand zu ihrem Recht kämen und die Diskriminierung von Lesben und Schwulen beendet werde. Deutschland sei ein tolerantes Land. Der Linke-Abgeordnete Harald Petzold sagte, es werde niemandem etwas weggenommen: "Niemand muss, alle dürfen". Die Welt werde sich einfach weiterdrehen. "Es wird lediglich ein paar mehr glückliche Menschen geben". Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einer Abstimmung "für die Würde, für Gleichheit und für die Liebe". Es gehe nicht um die Frage, ob Merkel oder ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz (SPD) gewinne. "Wir schaffen ein Stück weit Normalität in unserem Land."

Das Nein zur Ehe für Homosexuelle gilt als letzte konservative Bastion der Union. Unter Merkel als Parteivorsitzender hat die CDU schon mehrere Positionen geräumt, für die es in der Gesellschaft keine Mehrheit mehr gab - wie das Festhalten an der Atomenergie und der Wehrpflicht. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigten sich überzeugt, dass das Grundgesetz unter dem Begriff Ehe nur ein Paar von Mann und Frau versteht und dies für besonders schutzbedürftig hält. Sie plädierten aber für Respekt vor Andersdenkenden.

Seehofer für Adoptionsrecht, aber gegen Gleichstellung

Bislang durften Homosexuelle eine Lebenspartnerschaft amtlich eintragen lassen, aber nicht heiraten. Der wichtigste Unterschied war, dass Lebenspartner gemeinsam keine Kinder adoptieren durften.

Über das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare könne man "viel, viel eher reden als über die Gleichstellung der Ehe", sagte CSU-Chef Horst Seehofer der in Regensburg erscheinenden "Mittelbayerischen Zeitung" (Freitag). "Ich hatte ursprünglich mal Probleme mit der Tatsache. Aber nachdem ja in die Lebenspartnerschaft eingebrachte Kinder auch in dieser gleichgeschlechtlichen Partnerschaft verbleiben dürfen, gibt es eigentlich keinen durchschlagenden Grund dagegen."

Einige Unions-Abgeordnete prüfen aber eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Justizminister Heiko Maas (SPD) hält eine Grundgesetzänderung hingegen für unnötig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der Ehe für alle verfassungsrechtlich zulässt", sagte er der "Bild"-Zeitung (Freitag).

FDP-Chef Christian Lindner sagte, durch die Eile der Entscheidung in dieser Woche sei dem in der Sache richtigen Anliegen "ein stückweit die Würde genommen".
 (dpa) Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde aktualisiert.

75 Unions-Abgeordnete stimmen Ehe für alle zu
75 Unions-Abgeordnete haben am Freitag im Bundestag für die Ehe für alle votiert - fast ein Viertel der CDU/CSU-Fraktion. 225 Unions-Vertreter stimmten demnach gegen eine völlige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare, vier enthielten sich, fünf mögliche Stimmen aus der Fraktion wurden nicht abgegeben.

192 SPD-Abgeordnete votierten mit Ja, bei einer nicht abgegebenen Stimme. Bei der Linken stimmten 63 Abgeordnete zu (eine nicht abgegebene Stimme), bei den Grünen waren es alle 62.

Prominente Befürworter einer Öffnung der Ehe für Homosexuelle auf Unions-Seite: Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer (CDU), der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Bernd Fabritius (CSU), Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die frühere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU), Finanz-Staatssekretär Jens Spahn, CDU-Generalsekretär Peter Tauber und die ehemalige Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl (CSU).

Insgesamt sieben CSU-Bundestagsabgeordnete haben für die Ehe für alle gestimmt. Das waren neben Fabritius und Wöhrl, Astrid Freudenstein, Hans Michelbach, Wolfgang Stefinger, Tobias Zech und Gudrun Zollner. Silke Launert hat sich bei der Abstimmung enthalten. Matthäus Strebl und Marlene Mortler haben nicht mit abgestimmt.

Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung finden Sie hier.

Kommentare (4)

  1. otto regensbacher am 02.07.2017
    Die Väter des Grundgesetzes verstanden unter "Ehe" eine Ehe von Frau und Mann. Die Verfechter der "Ehe für alle" argumentieren in einer geradezu lächerlichen Art, dass der Ehebegriff sich gewandelt habe und deshalb das beschlossene Gesetz dem Sinn des Art. 6 Grundgesetz entspreche.

    Demnächst wird sich wohl das BVerfG mit dieser Sache befassen müssen. Es wird spannend!
  2. Allgäuer am 02.07.2017
    Zusatz zu patriot_whiteblue

    Mich auch! Aber Beck ist nur typisch für den von seiner Partei vertretenen Lust-Egoismus von Erwachsenen. Dieselbe Partei, die zurecht vor der Zulassung von genveränderten Lebensmitteln warnt, bevor deren Unschädlichkeit nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist, tritt für die Volladoption von Kindern durch homosexuelle "Paare" ein. Dann soll man doch erst einmal deren Unschädlichkeit für die psychische Gesundheit der betroffenen Kinder durch jahrzehntelange Langzeitstudien bei der bereits zugelassenen Simultanadoption nachweisen! Aber das Wohl dieser Kinder zählt für die Grünen wohl genausowenig wie das mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesene Schmerzempfinden von Föten bei der Abtreibung. Das Schmerzempfinden von Mäusen in Tierversuchen aber sehr wohl!
  3. Allgäuer am 01.07.2017
    Ehe und Zivilrecht

    Der heutige Konflikt geht auf die Ursprünge der Zivilehe in Deutschland zurück, als Bismarck diese im Kulturkampf mit bewusst anti-katholischer Zielsetzung eingeführt hat. Daher wurde die Zivilehe bewusst in Nachahmung kirchlicher Formen, aber unter Ausschluss der Kirche gestaltet. Die heutigen Linksparteien stehen, meist ohne dass sie es bemerken, in der Nachfolge der Bismarckschen Ideologie von der Staatsomnipotenz. Dass die Ehe eine auf Dauer angelegte Verbindung von Mann und Frau ist, ist seit Beginn der Geschichte des Menschen als eines vernunftbegabten Wesens Konsens der Menschheit gewesen und bis heute Auffassung des größten Teils aller Menschen. Sie ist vor- und überstaatlich. Der Staat hat somit gar kein Recht, dieses Institut, das bestanden hat, lange bevor es irgendeinen Staat gab, umzudefinieren. Dies war auch die Auffassung der Väter und Mütter des Grundgesetzes, die darum Art. 6 über den besonderen Schutz von Ehe und Familie in den Grundrechtskatalog des Grundgesetzes aufgenommen haben. Was der Staat regeln kann, sind die bürgerlich-rechtlichen (insbesondere erbrechtlichen), steuerrechtlichen etc. Folgen der Ehe, aber nicht, was die Ehe ist.
    Wenn über letzteren Punkt hierzulande aufgrund der religiös-weltanschaulichen Pluralisierung in der Bevölkerung kein Konsens mehr besteht, dann hilft nur konsequente Entflechtung: Der Staat beschränkt sich in seiner Gesetzgebung auf die Frage der Registrierung und der Rechtsfolgen der Ehe bzw. der Lebenspartnerschaft – wie man das nennt, ist dann gleichgültig – und enthält sich konsequent jeder Definition, was Ehe ist. In der Praxis würde das bedeuten, dass die auf Bismarck zurückgehende standesamtliche Trauung abgeschafft und durch ein Verwaltungsverfahren bei den Einwohnermeldeämtern ersetzt würde, die entweder nach Prüfung, ob die zivilrechtlichen Voraussetzungen für das Eintreten der Rechtsfolgen gegeben sind, Ehen registrieren, die bereits vor dem Priester, Pastor, Rabbiner, Iman (natürlich unter Ausschluss der grundgesetzwidrigen Polygamie) etc. geschlossen worden sind, oder selbständig ein Registrierungsverfahren durchführen. Personen, denen aufgrund eines dieser Verfahren die Rechtsfolgen der „ehelichen Lebenspartnerschaft“ zuerkannt worden sind, würden als „verheiratet im bürgerlich-rechtlichen Sinne“ gelten. Ob sie in einer Ehe leben, hätte der staatliche Gesetzgeber nicht mehr zu beurteilen.
  4. patriot_whiteblue am 30.06.2017
    Man ist auf den ersten Blick geneigt, es den Homos zu gönnen - aber dann in der Mitte dieser unsympathische Crytal Meth-Konsument und Pädophilie-Verharmloser Volker "der Moralinquisitor" Beck: Und es beginnt einen tief im Innern zu frösteln...
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