Weil die FDP ihr Ausstiegsszenario aus der Berliner Ampelregierung mit ungeschicktem Vokabular versehen hat, wurde ein öffentlicher Empörungssturm entfacht. Statt offensiv für eine andere Politik zu werben, befinden sich die Liberalen in der Defensive. Bayerns FDP-Chef Martin Hagen hofft darauf, dass sich die Aufregung legt.
BSZ: Herr Hagen, noch im November wünschten sich zwei Drittel der Deutschen Neuwahlen. Doch jetzt ist niemand Ihrer Partei dankbar, dass sie das ermöglicht hat. Blöd gelaufen, oder?
Martin Hagen: Zunächst mal ist es gut, dass der Wunsch der Bürger in Erfüllung geht. Das Ampel-Aus und die Frage, welchen Kurs Deutschland jetzt einschlagen soll, wurde in den letzten Tagen aber überschattet von einer Debatte über Kommunikationspannen der FDP. Darüber freut sich die SPD, weil es davon ablenkt, dass Olaf Scholz als Kanzler gescheitert ist.
BSZ: Nach den sogenannten Kommunikationspannen hätte die FDP auch zusammenstehen können. Doch statt sich solidarisch zu zeigen, zofft sich Ihre Partei. Am Generalsekretär gab es laute Kritik, Parteichef Lindner muss sich Rücktrittsforderungen anhören. Welche Wähler soll das ansprechen?
Hagen: Was in der Partei kritisch gesehen wurde, war das D-Day-Papier und vor allem die missglückte Kommunikation dazu. Ich kenne aber niemanden in der FDP, der Christian Lindners Rücktritt fordert. Man liest das von einem Ortsvorsitzenden aus Neu-Iserlohn – ich weiß nicht mal, wo das liegt. Wir wissen in der FDP, dass wir jetzt vor einer ganz wichtigen Wahl stehen. Wir wollen für unser Land eine bessere Politik ermöglichen, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Migration, wo es innerhalb der Ampelpartner keine Gemeinsamkeiten mehr gab.
"Olaf Scholz hat im August mit Blick auf die Koalition von einem ,Schlachtfeld’ gesprochen"
BSZ: Was war denn schlimmer: dass man offensichtlich einen Plan zum Ampel-Aus hatte, dass Begriffe wie D-Day verwendet wurden, oder dass der Generalsekretär zur Wortwahl gelogen hat?
Hagen: Das Papier samt Wortwahl war nicht klug, aber auch keine Staatsaffäre. Dass der Generalsekretär unzutreffend darüber informiert hat, hat unserer Glaubwürdigkeit geschadet. Deshalb war es gut, dass er umgehend die Verantwortung übernommen und Konsequenzen gezogen hat. Dass wir den Plan hatten, die Ampel zu verlassen, wenn man innerhalb dieser Koalition nicht den notwendigen Politikwechsel erreichen kann, war goldrichtig. Da gibt es nichts, wofür man sich schämen muss. Das Ampel-Aus ist ein Befreiungsschlag für unser Land. Dazu können wir selbstbewusst stehen.
BSZ: Und wie verwerflich finden Sie den Begriff D-Day?
Hagen: Der Begriff beschreibt eigentlich einfach einen Tag X, wird aber historisch oft mit der Landung der Alliierten in der Normandie verbunden. Im Zusammenspiel mit dem Begriff der ‚offenen Feldschlacht’ hat sich da ein unpassender Eindruck ergeben. Wobei etliche Politiker gelegentlich martialische Begriffe verwenden. Olaf Scholz hat im August mit Blick auf die Koalition von einem ,Schlachtfeld’ gesprochen. Die Entrüstung über Begrifflichkeiten beschränkt sich ohnehin auf die politisch-mediale Blase. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Streit um solche Vokabeln das ist, was die Bürgerinnen und Bürger wirklich umtreibt.
BAZ: Medial steht aber nun mal das D-Day-Debakel im Vordergrund und nicht, was die FDP im Wahlkampf plant.
Hagen: Leider, ja. Das wird von denjenigen befeuert, denen die liberale Partei schon immer ein Dorn im Auge war. Die arbeiten gerade an der Vernichtung der FDP. Ob das klappt oder nicht, entscheiden aber nicht Journalisten oder Politiker, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Ich bin überzeugt, dass die Menschen Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden können.
BSZ: Nach der AfD ist die FDP, jedenfalls bei den Medien, die unbeliebteste Partei. Wie erklären Sie sich das?
Hagen: Es sagt viel über den Zustand einiger Medien in Deutschland aus, wenn der Liberalismus der FDP dort ein ähnlich rotes Tuch ist wie der völkische Nationalismus einer AfD. Es gibt aber zum Glück einen Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung. Bei vielen Bürgern stehen Freiheit, Eigenverantwortung, Marktwirtschaft und Bürgerrechte unverändert hoch im Kurs.
Mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün würde sich nichts großartig verbessern.
BSZ: Wie geht’s jetzt weiter? Mit welchen drei Kernthemen wollen Sie punkten bei der Bundestagswahl?
Hagen: Erstens: Wir brauchen eine Wirtschaftswende, müssen dringend wieder Wachstum in unserem Land ermöglichen. Das geht nicht so, wie es Herr Habeck in den letzten Jahren versucht hat – durch immer mehr Eingriffe des Staates. Sondern nur mit mehr Marktwirtschaft. Zweitens: Wir brauchen eine solide Finanzpolitik. Also keine Politik auf Pump, auf Kosten kommender Generationen, sondern eine Priorisierung der Ausgaben. Die Politik muss mit dem Geld auskommen, das der Staat einnimmt – das ist immerhin rund eine Billion im Jahr. Und drittens: Wir brauchen eine konsequentere Migrationspolitik. Der Staat muss die Kontrolle darüber zurückgewinnen, wer in unser Land kommt und wer in unserem Land bleiben darf. Für alles drei braucht es eine starke FDP in der Regierung. Nur den Kanzler auszuwechseln, reicht nicht aus. Mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün würde sich nichts großartig verbessern.
BSZ: Wenn der Staat, wie Sie fordern, mit dem Geld auskommen muss, das er einnimmt, muss substanziell gespart werden. Wo?
Hagen: Bei der Vielzahl an Subventionen zum Beispiel. Oder beim Bürgergeld. Die Sätze wurden zuletzt stärker erhöht, als es wegen der Inflation notwendig gewesen wäre. Und wir tun nicht genug, um diejenigen, die arbeiten könnten, auch tatsächlich in Arbeit zu bringen.
BSZ: Würden Sie das Bürgergeld abschaffen?
Hagen: Ob es Hartz IV heißt oder Bürgergeld, ist nicht entscheidend. Wichtig ist: Diese Sozialleistung ist für die Bedürftigen da, die nicht arbeiten können. Es ist kein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die keine Lust haben, zu arbeiten.
BSZ: Wo sehen Sie noch Einsparpotenzial?
Hagen: Die Bundesregierung zahlt Unsummen an linke und grüne Nichtregierungsorganisationen. Aus Robert Habecks Wirtschaftsministerium fließen eine Million Euro an die ‚Omas for Future’. Lisa Paus’ Familienministerium zahlt jährlich fast zweihundert Millionen Euro an Initiativen, die angeblich die Demokratie fördern – denen es aber in Wahrheit oft eher um linke Diskurshoheit geht als um den Kampf gegen Extremismus. Ich finde auch, dass wir die alte FDP-Forderung, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen, wieder aufgreifen sollten. Entwicklungshilfe soll Teil der Außenpolitik sein, wir brauchen dafür kein eigenes Ministerium. Die wenigsten europäischen Staaten haben eines. Und auch nicht jedes Projekt muss in dem Umfang weitergeführt werden.
BSZ: Hubert Aiwanger träumt von einer bürgerlichen Koalition seiner Freien Wähler mit der Union und der FDP. Rechnerisch könnte das nur dann klappen, wenn die FW bundesweit drei Direktmandate erzielen und die FDP wieder in den Bundestag einzieht. Wünschen Sie sich so ein Bündnis?
Hagen: Meine Befürchtung ist, dass die Stimmen, die an die Freien Wähler gehen, am Ende des Tages für eine bürgerliche Mehrheit fehlen. Denn die Freien Wähler haben nach meiner Einschätzung keine Chance, in den Bundestag einzuziehen. Wer eine bürgerliche Regierung will, sollte die FDP stark machen.
(Interview: Waltraud Taschner)
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