Politik

PV-Anlagen können von Netzbetreibern abgeschaltet werden. Die Bundesnetzagentur fordert mehr Spielraum dafür. (Foto: dpa/Patrick Pleul)

13.09.2024

Einfach abgeschaltet

Wegen des Booms von Photovoltaikanlagen müssen die Netzbetreiber oft eingreifen – noch gibt es dafür eine Entschädigung

Es ist eine Krux: Auf Feldern, Dächern und Balkonen werden überall – auch politisch gewollt – neue Photovoltaikanlagen gebaut. Allerdings kommen die Stromnetzbetreiber deswegen immer öfter ins Schwitzen. Denn der meiste Solarstrom entsteht dann, wenn man ihn gar nicht braucht, mitten am Tag. Da es an ausreichenden Speichermöglichkeiten fehlt, werden so auf einmal große Mengen Strom ins Stromnetz eingespeist. Schon jetzt kappen die Betreiber immer wieder den Zufluss von Anlagen, wenn eine Überlastung droht – auch in Bayern. 

Klaus Müller, der Chef der zuständigen Bundesnetzagentur, fordert nun aber, die Möglichkeiten zum Abschalten deutlich auszuweiten. Auch die immer mehr werdenden kleineren Anlagen sollten stärker in die Steuerung des Stromnetzes eingebunden werden. Das geht etwa über den Einbau sogenannter Smartmeter in Haushalten, mit denen der Strombedarf, die Stromspeicherung und die Stromabgabe intelligenter geplant werden können.

Zudem fordert Müller von der Bundesregierung eine Änderung der Vergütung. Nur wenn Strom benötigt wird, sollen die Betreiber auch Geld erhalten. Derzeit gibt es garantierte Preise für jede Kilowattstunde Strom, die ins Netz eingespeist wird – egal, wie hoch der Bedarf gerade ist. Klar: Damit wollte der Gesetzgeber auch Anreize schaffen, eine Investition in eine Anlage zu tätigen. 

Rund 25 Gigawatt in Betrieb

Das ist definitiv gelungen. Zum 31. Juli 2024 sind laut Bayerischem Wirtschaftsministerium allein im Freistaat etwa eine Million PV-Stromerzeugungseinheiten mit einer installierten Leistung von rund 25 Gigawatt in Betrieb. Im vergangenen Jahr lieferten diese Anlagen in Bayern 15,55 Milliarden Kilowattstunden erneuerbare Energie. Zieht man den Eigenverbrauch der Anlagen und Netzverluste ab, bleibt immer noch ein Anteil von rund 27 Prozent der gesamten Nettostromerzeugung in Bayern. Im Jahr 2013 betrug dieser Wert noch rund 10 Prozent.

Das merkt man auch bei der Bayernwerk Netz GmbH, dem größten regionalen Netzbetreiber in Bayern. „Der Zubau an Einspeiseanlagen boomt wie nie zuvor“, erklärt ein Sprecher. 500.000 PV-Anlagen mit einer installierten Leistung von 10 Gigawatt sind mittlerweile an das Bayernwerk-Netz angeschlossen, allein 88.000 Anlagen kamen im vergangenen Jahr hinzu. Laut Sprecher macht Bayernwerk die Netze mit Investitionen in Höhe von mehr als 5 Milliarden Euro in den kommenden zwei Jahren fit für diese veränderten Anforderungen der Nutzung. Da der Ausbau der Netze aber kaum Schritt mit dem Bau neuer PV-Anlagen halten kann, werde es immer wieder zu Kapazitätsengpässen kommen.

Schon jetzt nimmt der Betreiber regelmäßig Anlagen vom Netz. Zuerst die Freiflächenanlagen, dann die Anlagen auf Dächern von über 100 Kilowatt Leistung und – wenn es auch noch notwendig ist – dann die Anlagen unter 100 Kilowatt. Die Eigentümer*innen erhalten dann jeweils Entschädigungen. Der Bayernwerk-Sprecher betont aber, dass die Abschaltungen gerade einmal 1 bis 2 Prozent der eingespeisten Strommenge ausmachten.

Ganz oben auf der Liste der Forderungen von Bayernwerk an den Gesetzgeber im Freistaat und im Bund steht die Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und des Netzes. Heißt: „Die Erneuerbaren müssen dorthin, wo die Netze sind.“ Dafür brauche es einen Landesbedarfsplan. Bayernwerk fordert auch mehr Anreize für einen netzdienlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. Wenn mehr Anlagen in Ost-West-Ausrichtung auf den Dächern gebaut würden statt in Süd-Ausrichtung, nähme auch die hohe Konzentration in der Mittagsspitze ab.

Ausbau der Stromspeicher gefordert

Martin Stümpfig, Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen im Landtag, findet, dass man auch aus der bestehenden Infrastruktur mehr herausholen könnte. Etwa, wenn sich Windkraft- und PV-Anlagen einen Einspeisepunkt teilen, da selten beide Energien gleichzeitig Strom produzieren würden. Aber auch er fordert einen Ausbau der Netze sowie einen Ausbau der Stromspeicher. Gerade beim Speicher sieht er viel Luft nach oben. Da müsse der Gesetzgeber den Netzbetreibern weniger bürokratische Hürden als bisher setzen. Schließlich könnte so auch viel mehr Strom gespeichert und dann erst im Bedarfsfall ins Netz eingespeist werden. 

Beim bayerischen Wirtschaftsministerium berichtet man von einem „stetigen Austausch mit Netzbetreibern und der Erneuerbaren-Branche“, insbesondere im Rahmen der Initiative „Verteilnetz und Erneuerbare Energien Bayern“, um die derzeit notwendigen Abschaltungen von PV-Anlagen künftig zu reduzieren. Neben der Beschleunigung des Netzausbaus erarbeite man in der Initiative eine Vielzahl weiterer Maßnahmen auf Landesebene.

Bleibt abzuwarten, was der Bund macht. Bundesnetzagentur-Chef Müller und die Betreiber hoffen auf eine Gesetzesänderung der Bundesregierung im Herbst. Die Eigentümer*innen der Anlagen dürften aber hoffen, bei der Entscheidung mitgenommen zu werden. (Thorsten Stark)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die Polizei KI-gestützte Erkennungssoftware einsetzen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.