Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht verheiratet und wurde keine andere Regelung getroffen, hat die Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht. Kommt es zur Trennung, kann es für den Vater kompliziert werden, seine Ansprüche durchzusetzen. Manchmal bleibt dann nur der Klageweg. Die Bundesregierung wollte das Kindschaftsrecht reformieren, um diese Situation zu ändern und das Recht insgesamt an heutige gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen. Schließlich werden immer mehr Kinder außerhalb von Ehen geboren. Bisher ist aber nichts passiert.
14 Stunden lang verschanzte sich in der vergangenen Woche ein bewaffneter 35-Jähriger mit seiner vierjährigen Tochter in einem Auto auf dem Rollfeld des Hamburger Flughafens. Er forderte, mit seiner Tochter in die Türkei ausgeflogen zu werden. Das Sorgerecht war dem türkischstämmigen Mann schon im vergangenen Jahr entzogen worden – er hatte seine Tochter damals unerlaubterweise in die Türkei mitgenommen und war dann monatelang mit ihr dort geblieben.
Die Geiselnahme am Flughafen endete letztendlich unblutig. Auch wenn es offensichtlich gute Gründe gibt, diesen Vater nicht mehr in die Nähe seines Kindes zu lassen: Beim Thema Sorgerecht kochen die Emotionen oft hoch – gerade wenn sich ein Elternteil in einer ausweglosen Situation wähnt. Verbände wie Väteraufbruch für Kinder oder das Väternetzwerk fordern schon lange Reformen und listen auf ihren Seiten im Internet viele Fälle, in denen aus ihrer Sicht Familiengerichte und Jugendämter schlechte Arbeit geleistet haben – oft zuungunsten der Väter. Selbst das Umgangsrecht, ein regelmäßiger Kontakt zum Kind, der dem leiblichen Vater grundsätzlich zusteht, wird manchen Papas Schilderungen zufolge nicht wie gesetzlich vorgeschrieben gewährt.
Ein Mann klagt vor dem Bundesverfassungsgericht
Mit einem Fall beschäftigt sich derzeit das Bundesverfassungsgericht: Ein Mann aus Halle an der Saale hat auf Anerkennung der Vaterschaft geklagt. Er und seine Partnerin zeugten ein Kind, das 2020 auf die Welt kam. Kurz nach der Geburt trennte sich die Frau von ihm und ließ anschließend mehrere Termine zur Anerkennung seiner Vaterschaft platzen. Mittlerweile war ihr neuer Freund eingezogen und beanspruchte – mit Einverständnis der Frau – erfolgreich die Vaterschaft für sich. Dem leiblichen Vater blieb nur der Klageweg, mit dem Ziel eines gemeinsamen Sorgerechts.
Doch das Oberlandesgericht Naumburg wies seine Klage ab – mit dem Verweis auf die sozial-familiäre Beziehung, die das Kind inzwischen zu dem rechtlichen Vater entwickelt habe. Der leibliche Vater, dem nur ein eingeschränktes Umgangsrecht eingeräumt wurde, zog schließlich vor das Bundesverfassungsgericht. Seine Verfassungsbeschwerde gilt nicht nur dem Urteil von Naumburg, sondern auch der gesetzlichen Grundlage. Wird das Gericht am Ende gar die Möglichkeit von mehr als zwei rechtlichen Elternteilen einräumen? Das Urteil in ein paar Monaten wird mit Spannung erwartet.
Auch vom Bundesjustizministerium, das laut eigener Aussage derzeit intensiv an der Reform des Kindschaftsrechts arbeitet. Unter dem Begriff Kindschaftsrecht werden unter anderem die Gesetze zur Abstammung, zum Sorgerecht und zum Unterhalt zusammengefasst. Auf Anfrage erklärt ein Ministeriumssprecher, dass man bald konkrete Vorschläge vorlegen und dabei selbstverständlich auch das Verfassungsgerichtsurteil berücksichtigen werde.
Bei der geplanten Reform sind Änderungen am Recht der Anfechtung der Vaterschaft geplant – vor allem für den Fall einer Konkurrenz von rechtlichem und leiblichem Vater. „Familiengerichte sollen in die Lage versetzt werden, die maßgeblichen Interessen besser gegeneinander abzuwägen“, erklärt der Sprecher. Die Vaterschaft des leiblichen Vaters durch juristische Winkelzüge zu verhindern, solle so erschwert werden.
Weitere geplante Bestandteile der Reform sind mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch und die Stärkung des Rechtes des Kindes auf Kenntnis seiner leiblichen Abstammung.
Das Wohl des Kindes kommt oft zu kurz
Franz-Siegfried Arndt-Buchgraber vom bayerischen Landesverband des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter würde die Reformen begrüßen. „Da werden sich aber einige im Bundestag nicht leicht tun, zuzustimmen“, schätzt er.
Dass die Möglichkeit der Rechtsbeugung, um vor Gericht mit Gewalt seinen Willen gegen den anderen Elternteil durchzusetzen, eingeschränkt werden soll, hält Arndt-Buchgraber für wichtig. Wichtiger ist für ihn persönlich allerdings, dass so ein Fall überhaupt nicht vor Gericht landet. „Mir kommt bei der Diskussion immer zu kurz, wie es dem Kind damit geht“, sagt er.
Gerade wenn die Emotionen nach einer Trennung auf beiden Seiten hochkochten, sei ein neutraler Blick von außen von großer Bedeutung. Arndt-Buchgraber hat es selbst erlebt: Nach der Trennung von seiner Frau nach 15 Jahren Ehe holte sich das Ex-Paar Hilfe in Form einer Mediation. „Und so haben wir für die Kinder eine gute Lösung gefunden.“ In dem Fall einigten sich die Eltern darauf, dass der Vater sich allein um die drei Kinder kümmert. (Thorsten Stark)
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