Politik

Gar nicht so leicht, alles zu kriegen, was man derzeit in der Apotheke kaufen will. (Foto: dpa/Susann Prautsch)

22.07.2022

Engpässe treffen Kranke

In Bayerns Apotheken mangelt es an vielen Medikamenten

In Bayerns Apotheken werden bestimmte Medikamente zunehmend knapp. Mitten in der Corona-Sommerwelle müssen besorgte Eltern unter anderem darauf gefasst sein, in der Apotheke nicht den gewohnten Schmerzsaft für ihr fieberndes Kind zu bekommen. Für die Apothekerin Margit Schlenk aus Nürnberg ist das jedoch nur der Gipfel des Eisbergs. Sie hat ständig mit Lieferengpässen zu kämpfen. „Das betrifft sehr viele Medikamente und Wirkstoffe“, erzählt sie. Aktuell seien etwa die Zerbeißkapseln nicht lieferbar, die Menschen bei einem Anfall von Angina Pectoris bekommen. Zwar könne man stattdessen auf Tropfen ausweichen Aber wer zählt schon richtig Tropfen im Notfall? Bestimmte Augentropfen fehlen ebenfalls, sagt sie. Auch manche Insuline. Und für den Herbst habe die Firma Ratiopharm der Apotheke die gesamte Winterbevorratung abgesagt.

„Lieferengpässe gehören in Deutschland schon seit einigen Jahren zum Alltag“, heißt es bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Bei einer Umfrage der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker meldeten 2017 gut 90 Prozent der Apotheken in einem Zeitraum von drei Monaten Engpässe mit potenziellen Gesundheitsfolgen für Patienten. Lieferengpässe gab es zuletzt neben Paracetamol- und Ibuprofensäfte, auch bei Asthmasprays oder Blutdrucksenker.

„Es fehlen immer einige Artikel“, beruhigt dagegen Peter Sandmann. Der Inhaber mehrerer Münchner Apotheken und Oberbayern-Sprecher des Bayerischen Apothekenverbandes, sagt, im Moment fehlten die Kindersäfte von Paracetamol und Ibuprofen. Auch an Elektrolytlösungen, die bei Durchfallerkrankungen eingesetzt werden, herrsche Mangel. Er sagt aber auch: „Man findet immer eine Lösung.“ So könne man etwa auf das Präparat einer anderen Firma ausweichen, höhere Dosierungen halbieren oder niedrige verdoppeln. Und statt eines Safts als Fiebersenker für Kinder kann eine Packung Tabletten oder Zäpfchen gekauft werden.

Notfalls rühren Apotheker und Apothekerinnen auch selbst einen Wirkstoff zusammen. Schlenk etwa stellt Schmerzsäfte und Zäpfchen aus Paracetamol her. Kein Patient und keine Patientin soll schließlich die Apotheke verunsichert und ohne das passende Medikament verlassen. Schlenk macht sich jedoch Sorgen. Denn die Engpässe haben System. Der Hintergrund ist bekannt: Für die Pharmaindustrie müssen Medikamente nicht nur rentabel sein, sie sollen hohe Gewinne abwerfen. Das tun sie auch, so lange sie patentgeschützt sind. Läuft der Patentschutz aus, ist an der Arznei nicht mehr viel zu verdienen. Druck kommt auch von den Krankenkassen. Um Kosten zu senken, werden Medikamente in Asien hergestellt, wo Arbeitskräfte billig und Umweltauflagen locker sind. Die Abhängigkeit von den chinesischen Containerschiffen, die gerade nicht liefern, ist also hausgemacht. Reißen die Lieferketten, wie seit der Pandemie geschehen, wird es eng.

Bundesregierung in der Kritik

Rückverlagerung ist da das Zauberwort der Stunde. Denn Corona und der Ukrainekrieg haben gezeigt: Was ein Land dringend braucht, sollte es selbst produzieren können. Aber das ist, wenn überhaupt, nicht im Handumdrehen zu haben. Um Engpässen vorzubeugen, fordert der Bayerische Apothekerverband den Gesetzgeber auf, Arzneimittelhersteller gesetzlich zu verpflichten, Lieferengpässe und -ausfälle zu melden. Krankenkassen sollten Rabattverträge für Arzneimittel mit mindestens drei unterschiedlichen Herstellern abschließen. Auch der Abbau von Bürokratie bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel sei nötig.

Doch was sagen die Verantwortlichen im politischen Berlin zu den Problemen? Das SPD-geführte Bundesgesundheitsministerium ließ eine BSZ-Anfrage unbeantwortet. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger sieht dagegen dringenden Handlungsbedarf seitens des Bundes. „Die rot-grün-gelbe Regierung muss das Problem der Lieferschwierigkeiten schnellstmöglich lösen.“ Sie müsse sich hierfür gemeinsam mit Vertretern der Pharmaindustrie an einen Tisch setzen. „Wir waren lange Zeit stolz darauf, dass wir eine sehr gute Versorgung mit Medikamenten hatten“, sagt Straubinger.

Für den fränkischen Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst ist klar: „Es muss Schluss damit sein, aus Kostengründen die Produktion von wichtigen oder gar lebenswichtigen Medikamenten ins Ausland zu verlagern.“ Dominik Spitzer, Gesundheitsexperte der FDP-Landtagsfraktion fordert mehr Angebotsvielfalt. „Es sollte möglichst nicht nur ein, zwei Hersteller für ein Präparat geben.“
(Monika Goetsch und Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. Sir bartl am 22.07.2022
    Ich kann mich noch gut an 2020 erinnern, wo wegen der Coronapandemie in Asien dasselbe Problem mit der Medikamentenherstellung/Lieferung vorlag. Der Aufschrei war groß in der Politik. "Wir haben die Medikamentenherstellung zu über 95% nach Asien verlagert. Das kann doch nicht sein"!

    Genauso wie das BalkonKlatschen, Autohupen und die Forderungen für mehr Geld bzw. höhere Gehälter z.B. im gesamten Pflegebereich bzw. Gesundheitswesen.

    Nur leeres Gebrüll und bis heute ist nichts!!!! passiert von Seiten der Politik. Ich weiß gar nicht, wer diese Politiker immer wieder wählt? Wenn man die Wählerstimmen so ansieht, wollen die meisten Bundesbürger diese Bundesregierung und Ihre daraus resultierenden Folgen. Aber danach dann beschweren wenn nix mehr funktioniert? Siehe Gerichtsurteil im Falle eines, von einem angeblich 16-jährigen Flüchtling vergewaltigten Mädchen (11 Jahre alt!!!). Nur 1 Jahr auf Bewährung? > Läuft bei uns in Schland kann ich nur sagen........

    Wie bestellt, so geliefert......
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